"Ach ja, wir werden ein bisschen Unterhaltung für Euch bieten wie es jedes Jahr war. Aber das wird ganz entspannt sein. Wir sind sehr gut unterwegs."
So entspannt hat man Horst Seehofer lange nicht erlebt. München, Parteitag, vor der Messehalle. Der CSU-Chef strahlt in die warme Herbst-Sonne. Er nimmt sich Zeit, viel Zeit, um mit den Journalisten zu plaudern – die Delegierten drinnen in der Halle müssen warten. Der 63jährige ist glänzend gelaunt: Er lobt Merkels Euro-Politik in den höchsten Tönen, sogar für das kriselnde Griechenland zeigt er plötzlich Verständnis und auch Fragen nach seiner hellblauen Krawatte beantwortet er locker. Die ist über und über mit dem Buchstaben H bestickt – H wie Horst.
"Das ist ein Geschenk aller Mitarbeiter der Staatskanzlei zu meinem letzten Geburtstag. Und ich glaube, ich trage die zum ersten Mal."
Journalist:"H H – Horst, ganz viele HHH. Aber sonst geht es Euch gut, oder?"
Seehofers gute Laune hat ihren Grund. Rechtzeitig zum Parteitag sagen Umfragen der CSU 48 Prozent der Wählerstimmen voraus. Elf Monate vor der bayerischen Landtagswahl können sich die Christsozialen wieder stark fühlen – nach dem 43-Prozent–Debakel 2008. Sozialministerin Christine Haderthauer beschwört bereits die glorreichen alten Zeiten herauf:
"Horst Seehofer hat etwas sehr Wichtiges geschafft und das ist gar nicht so einfach gewesen: Er hat uns in eine ganz große Geschlossenheit geführt und das ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Themen wieder auf die Straßen bringen und überzeugen. Und man sieht ja, dass der Trend immer wieder bergauf geht – also hat er es gut gemacht."
Was ihm nicht jeder zugetraut hat. Vor vier Jahren galt Seehofer noch als Außenseiter, als Querulant - als ein Notkandidat, der an der Spitze seiner CSU installiert wurde – mangels personeller Alternative. Mittlerweile sind seine Kritiker verstummt und er auf dem besten Weg, sich seinen größten politischen Traum zu erfüllen: Die Wiedereroberung der absoluten Mehrheit in Bayern.
Eine kleine Umfrage zu Horst Seehofer:
"Seehofer hat wieder, trotzdem dass ihm nachgesagt wird, er wäre wankelmütig – sehr viel Vertrauen wieder zu den Menschen zurückgebracht."
"Und er ist einfach authentisch."
"Ich denke Seehofer ist gelungen, die unterschiedlichen widerstrebenden Kräfte in der Partei zusammenzuführen."
"Es ist mehr Diskussion gewünscht, als es früher der Fall war. - Der Bürger vertraut ihm und ich denke, dass das einen großen Anteil ausmacht."
Seehofer genießt seinen Auftritt vor den rund 1000 Delegierten. Er will in die Annalen der CSU als der Vorsitzende eingehen, der die Partei vor der Bedeutungslosigkeit bewahrt hat. Heute ist er gnädig gestimmt, er kann es sich leisten. Er lässt sogar die üblichen Sticheleien gegen die CDU bleiben und denkt nur an die kommenden Wahlen.
Seehofer, Horst "Wir schauen heute auf ein blühendes Bayern. Auf ein Bayern, das seine starke Stimme in Berlin hat. Und wir schauen auf eine CSU, die wieder erstarkt ist, die wieder da ist. Die hoch motiviert ist, die geschlossen ist. Und liebe Freunde, wenn wir besonnen weiter machen so wie in den letzten vier Jahren haben wir eine riesige Chance, dass das Jahr 2013 zu einem der erfolgreichsten Jahre in unserer Geschichte wird. Und darum bitte ich Euch."
Jetzt steht erst mal die "Mutter aller Schlachten" bevor, wie Seehofer die Landtagswahl im kommenden September manchmal nennt. Dann entscheidet sich das Schicksal der CSU – und zwar in Bayern, nicht im Bund.
"Nur wir sind eine eigenständige bayerische Kraft, nur wir können in Brüssel und Berlin bayerische Interessen durchsetzen. Unser Amtseid gilt Bayern – wir bekommen nicht wie SPD und Grüne Direktiven aus Berlin. Und deshalb gilt der Satz: Bayern zuerst – dafür stehen wir. Das ist unsere Existenz, liebe Freunde. Der Freistaat Bayern"
Vor der Bühne sitzt Ilse Aigner in der ersten Reihe. Die Bundeslandwirtschaftsministerin trägt heute ein figurbetontes schwarzes Kostüm, kein Dirndl. Aigners Wechsel nach München zeigt, dass der CSU-Chef nur ein Interesse hat: nämlich in Bayern zu überleben. Die im Freistaat populäre 47Jährige wird Berlin Servus sagen und an seiner Seite in Oberbayern um jede Stimme kämpfen. Ein cleverer Schachzug. Denn zwischen Chiemsee, Alpen und Altmühltal wird sich die Landtagswahl entschieden – Oberbayern ist CSU-Kernland. 2008 aber ist die Partei in München auf sage und schreibe 22 Prozent abgestürzt.
"Dass ich Heimatverbundenheit habe, ist – glaube ich – unbestritten. Es ist aber in erster Linie die Verantwortung, dass man für die eigene Partei bei einer Wahl und die steht nun mal auch in Bayern an, sich auch selbst mit aller Kraft einbringen kann. Ich hab einen Auftrag, den Bezirksverband Oberbayern zu unterstützen und nach vorne zu bringen – ein besseres Ergebnis ist hier gefragt. Umfragen sind Umfragen – entscheidend ist es letztendlich am Wahltag. Andere sind auch schon 4:0 vorne gelegen."
Jeder weiß, dass die Vorsitzende des mächtigen CSU-Bezirks Oberbayern ihre Berliner Karriere nicht für nichts aufgibt. Aigner gilt als Favoritin für die Seehofer Nachfolge. Eine Frau – dazu noch eine Unverheiratete und Kinderlose - als bayerische Ministerpräsidentin? Sie rollt mit den Augen, die Frage nach ihrer Rolle als Kronprinzessin kann sie nicht mehr hören.
"Also, auch wenn es manche noch nicht gemerkt haben: In Bayern gibt es keine Monarchie mehr, deshalb kann es keine Kronprinzessinnen mehr geben."
Drinnen im Saal begrüßt sie ihre Mitkonkurrenten später demonstrativ herzlich mit Kuss. Jeder soll es sehen: Wir verstehen uns prächtig. Auch wenn Christine Haderthauer und Finanzminister Markus Söder in der Thronfolge erst mal ein Stück nach hinten rutschten.
"Also was in sechs Jahren ist – in diesen Zeitachsen zu denken, das ist ja wie, wenn man im Fußball plant, in drei Jahren will man die Championsleague gewinnen – das ist ein bisschen absurd. Ich spiel im Hier und Jetzt und das heißt im Moment harter Kampf für bayerisches Geld."
Horst Seehofer wird amüsiert verfolgen, welche Kunststücke sich die Jungen einfallen lassen, um vor der Partei, dem Wähler und nicht zuletzt vor ihm selbst zu glänzen. Auf dem Parteitag aber vermeidet er es bewusst, mit Aigner, Haderthauer oder Söder länger unter vier Augen zu sprechen. Kein Delegierter soll den Eindruck haben, Seehofer habe sich bereits entschieden.
Stimmen zu Markus Söder und Ilse Aigner:
"Die Ilse Aigner ist ein Glücksfall für Oberbayern, für die CSU insgesamt. Da ist Luft nach oben, es ist alles denkbar."
"Ich bin Söder-Fan durch und durch. Er macht eine verdammt gute Arbeit. Ich könnte ihn mir sehr gut als Nachfolger, wenn dann die Zeit gekommen ist, für Seehofer."
"Ich bin auch Bäuerin und aus diesem Grund schätze ich die Ilse Aigner sehr."
Noch denkt Seehofer nicht daran, als Ministerpräsident aufzuhören. Er wird die CSU als Spitzenkandidat in die Bayern-Wahl führen. Seine Kür allerdings wurde auf das kommende Frühjahr vertagt. Der Grund: Morgen wird in Nürnberg sein Herausforderer von der SPD nominiert. Am selben Wochenende wie Christian Ude aber will sich Seehofer nicht zum Kandidaten küren lassen, will nicht mit ihm in einem Atemzug genannt werden.
"Guten Morgen, grüße Sie. Servus Christian. Hallo. Christian, schön, dass Du da bist. Ich freue mich …"
Ingolstadt, vergangenen Samstag. Christian Ude kommt in einem Audi angefahren – wie immer, wenn er für die SPD on Tour ist. Lässt er sich dagegen in einem dicken BMW chauffieren, ist er als Münchner OB unterwegs. An diesem Morgen passt die Automarke perfekt, denn die örtliche IG Metall hat ihn eingeladen, auf einer Veranstaltung vor rund 800 Audi-Mitarbeitern zu sprechen.
"Freut mich, dass Du unserer Einladung gefolgt bist, lieber Christian. Wir sind ja im Rahmen unserer Vertrauensleute-Vollversammlung hier und Du bist sozusagen heute unser Auftakt. Und deshalb freut es uns ganz besonders, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Das ist eine Anspielung auf meine Geografie-Kenntnisse – Gelächter -, die ich nicht im Raum stehen lasse. Nach Ingolstadt habe ich immer schon gefunden. Das ist ja super…"
Über seine mangelhaften Landeskenntnisse wird viel gelästert, seit Ude das unterfränkische Aschaffenburg nach Oberfranken gesteckt und Bamberg größer als Würzburg gemacht hat. Das sei peinlich für einen, der den Freistaat regieren will, unkt die Konkurrenz von der CSU genüsslich. Noch vor gut einem Jahr, als Ude seine Kandidatur überraschend angekündigt hat, war vielen Christsozialen nicht zum Lachen zumute. Denn als Münchner Oberbürgermeister und langjähriger Städtetagspräsident führt er alle bayerischen Beliebtheits- und Bekanntheitsumfragen an. Schon zu Edmund Stoibers Zeiten verwies Ude den CSU-Regierungschef stets auf den zweiten Platz.
"Ich verrate jetzt mal ein kleines Geheimnis: Die letzten vier Wahlen in München habe ich nach meiner Einschätzung deshalb recht staatlich gewonnen – beim letzten Mal mit Zwei-Drittel-Mehrheit, weil ich vorher die Gelegenheit erhalten habe, zu Betriebsversammlungen zu sprechen."
Schmeichelt Ude den Anwesenden, doch keiner im Saal applaudiert. Seit Wochen macht der Spitzengenosse die immer gleiche Erfahrung: In München mag er unangefochten die Nummer eins sein und das seit nunmehr 19 Jahren, aber bereits 80 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt tut er sich schwer. Ist der Ude-Effekt also bereits verpufft? Haben sich die Kommentatoren bayerischer Politik getäuscht, die all die Jahre schrieben, dass nur einer, nämlich Christian Ude, das Potential habe, die CSU aus der Staatskanzlei zu verdrängen. Ist er vielleicht viel zu früh in den Landtagswahlkampf gestartet? Ein Blick auf die aktuellen Umfragen lässt all dies vermuten. Gerade mal 21 Prozent der bayerischen Wähler würden sich für die SPD entscheiden. Keine guten Aussichten für die Wahl im kommenden Jahr. Die erste Euphorie scheint verflogen.
"Wir sind gestartet, als wir bei Emnid-Umfragen bei 15 Prozent lagen, inzwischen liegen wir über 20 Prozent. Bei anderen Instituten sind wir von 18 auf 23 gestiegen – aber auch um fünf Prozent. Und ich habe diesen frühen Beschluss benötigt, um mich überhaupt auf der Landesebene betätigen zu können. Ich bin ja kein Landespolitiker. Und seit diesem Jahr haben wir endlich viele Aktionen im ganzen Land gemacht, übrigens auch viele Kommunalwahlen gewonnen – Oberbürgermeister-Positionen erobert, Bürgermeisterposten und sogar einen Landrat in Niederbayern und einen Landrat in Unterfranken. Also ich bin mit dem ersten Jahr voll zufrieden."
Bei der Landtagswahl hofft Ude auf 25 Prozent der Wählerstimmen, wird er später am Tag sagen. Nach 55 Jahren Opposition sind bayerische Sozialdemokraten bescheiden geworden. Acht Spitzenkandidaten hat die eher links tickende SPD in 16 Landtagswahlen verbrannt, und doch ging es für die Genossen immer nur steil bergab. 2008 kamen sie nicht mal mehr auf 19 Prozent der Stimmen.
"Herr Ude, was haben Sie heute gefrühstückt?"
"Ich hoffe, das ist noch die Tonprobe. Wie immer eine chinesische Nudelsuppe."
Die flapsige Frage einer jungen Fernsehkollegin spricht nicht für allzu großen Respekt. Ude feiert am kommenden Freitag seinen 65. Geburtstag. Als Oberbürgermeister darf er deshalb nicht mehr kandidieren. Statt Ruhestand lieber Landespolitik. Zumindest will er es versucht haben, im Freistaat die CSU zu entmachten.
"Und deshalb finde ich es furchtbar, dass Bayern bei dieser Frage des gesetzlichen Mindestlohns im Bremserhäuschen - sitzt statt an der Spitze des sozialen Fortschritts zu marschieren, wo sich Bayern eigentlich befinden müsste. Denn schon in der bayerischen Verfassung steht die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Das glaubt kein Mensch, ist aber wahr. Bitte nachlesen in der bayerischen Verfassung."
In Ingolstadt werden die Audi-Mitarbeiter mit dem Redner nur langsam warm. Beifall erntet der SPD-Politiker, erst als er gegen Leiharbeit wettert oder bezahlbaren Wohnraum fordert. Bayern steht wirtschaftlich sehr gut da, die Firmen boomen, die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie sonst nirgendwo - all das sind Fakten, die es dem Pragmatiker schwer machen, mit Attacken gegen die Regierungspartei zu punkten. Oder anders gesagt, Christian Ude fehlt das zündende landespolitische Thema.
"Wir wollen natürlich alles, was gut ist – die Sicherheitslage, die Beschäftigungslage, die Qualität der Bildungsangebote – erhalten, keineswegs alles umkrempeln, da ist nichts in Gefahr, was gut ist. Aber wir werden es endlich gerechter und sozialer und vor allem ökologischer gestalten. Es ist ja unbestreitbar, dass das bayerische Bildungssystem besonders viel soziale Auslese mit sich bringt. Dass die Staatsregierung auch immer mehr Fehler macht, nicht nur der Transrapid ist gescheitert, auch die Landesbank, jetzt auch noch der Donau-Ausbau. Also die CSU hat die Orientierung verloren und keine Gestaltungskraft mehr."
Bei der SPD glaubt man noch immer fest an Udes Erfolg. In Schleswig-Holstein sei es schließlich auch ein Oberbürgermeister gewesen, der die CDU entmachtet hat. Ähnliches könnte sich im Januar in Niedersachsen wiederholen, wo gegen den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten ebenfalls ein Kommunalpolitiker antritt. Doch im Freistaat stehen die Chancen schlecht. Selbst im direkten Vergleich hat der Sozialdemokrat kräftig verloren: 51 Prozent der Wähler würden laut Emnid Seehofer ihre Stimme geben und nur 35 Prozent ihr Kreuz bei Ude machen. Und sogar auf der IG Metall-Konferenz in Ingolstadt, wo man vor allem SPD-nahe Gewerkschaftler vermutet, glauben nur wenige an Udes Sieg:
"Gewinnen wird er wohl nicht."
"Oh, das ist eine gute Frage. Wenig, wenig Chancen, wahrscheinlich keine Chancen."
"Bayern wäre schon mal reif für einen Wechsel, da gehört mal neuer Schwung rein."
"Er hat die größten Chancen, weil er bekannt ist und, ich glaube auch, in ganz Bayern beliebt."
"Der Seehofer ist zwar auch eine starke Persönlichkeit, aber nichts dauert ewig. Auch in Bayern, gell."
"Als Ministerpräsident? Ich glaube nicht. Wenn er 25 Prozent, 30 Prozent kriegt, dann glaube ich, ist er gut dran. Wenn er bei der CSU wäre, aber bei der SPD nicht."
Wenn er überhaupt eine Chance haben will, muss Christian Ude gegen die CSU ein Dreierbündnis schmieden. Mit den Grünen ist das kein Problem, richtig schwierig aber sind die Freien Wähler mit Hubert Aiwanger an der Spitze. Der will sich in puncto Koalition nicht nur nicht festlegen, auch von seinem Anti-Euro-Populismus will er einfach nicht lassen. Ude schüttelt leicht genervt den Kopf. Ja, räumt er ein, Aiwangers rechtspopulistischer Kurs kann rot-grün die Chancen auf den Regierungswechsel vermasseln.
"Es gibt tatsächlich Meinungsverschiedenheiten zwischen Hubert Aiwanger und mir in der Euro-Frage, die aber nicht so gravierend sind wie die Unterschiede zwischen Horst Seehofers Worten und seinen Taten in Berlin. Er ist schon als einzelne Person gespalten: In München unterstreicht er rote Linien, die nicht ungestraft übersprungen werden und dann fliegt er nach Berlin und überspringt sie. Also wenn man Meinungsunterschiede in einer Person versammeln kann, dann sicherlich auch in einer Koalition."
Die SPD setzt voll auf das direkte Duell Ude gegen Seehofer. Doch der CSU-Chef machte seinem Kontrahenten nicht den Gefallen, darauf einzugehen.
In seiner eineinhalbstündigen Rede auf dem Münchner Parteitag erwähnt er Christian Ude mit keinem einzigen Wort. Seine Liga ist eine andere.
"Hier Angela, schau. Nun ist es so, wir werden Dir diesen Blumenstrauß per E-Mail schicken. Ich nehme an, wenn Du am Flughafen bist, dann ist er bei Dir auf dem Display, mehr können wir uns nicht mehr leisten."
Auf der großen Leinwand hinter der Bühne ist ein bunter Blumenstrauß zu sehen. Der CSU-Chef macht in Harmonie und Angela Merkel lacht herzlich über diesen gelungenen Gag. Die Vorsitzende der Schwesterpartei war direkt von EU-Gipfel aus Brüssel nach München geeilt. Das schmeichelt der CSU-Seele.
"Wir machen es uns nicht zu jeder Sekunde einfach. Das ist so eine Art Test, wer noch wie viel Kraft hat. Und der Vorsitzende der CSU ist traditionsgemäß immer eine starke Kraft – Edmund Stoiber war das schon. Horst Seehofer hat da noch ein paar andere Fassetten. Insofern sind wir unentwegt in so eine Art Test verwickelt. Aber, wenn es drauf ankommt, halten wir zusammen und dann ist gut für Deutschland und so soll es auch in Zukunft bleiben."
Es wird gekuschelt, nicht gestritten – knapp ein Jahr vor den Wahlen. Merkel bekennt sich zum umstrittenen Betreuungsgeld, was die Christsozialen natürlich gerne hören. Und auch der CDU-Vorsitzenden ist klar: Ohne die konservativen Wähler aus Bayern kann sie im Bund die Wahl nicht gewinnen. Die CSU wiederum schwenkt in der Euro-Politik ganz auf Merkels Linie ein – auch weil die Popularität der Kanzlerin den Christsozialen im Freistaat durchaus nützlich ist. Gerade in der Europa-Debatte sind die aggressiven Töne aus München verstummt. Keine schrillen Forderungen mehr, die Griechen auszuschließen. Selbst Peter Gauweiler gibt sich zahm. Auch der notorische Euro-Gegner, der Karlsruhe-Kläger sagt ja zum Europa-Antrag der CSU, der Merkels Kurs bestätigt.
"Wie ich hier gekommen bin, sind Parteifreunde zu mir gekommen und haben gefragt: Peter Gauweiler, hast Du das gesehen? Kann man dem zustimmen oder sollen wir uns enthalten, dass nichts aufkommt. Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Sie können diesem Antrag ohne jedes Problem zustimmen. Es geht jetzt nicht darum, dass man wieder irgendeine rote oder schwarze Linie auf zeigen. Sondern es geht darum, dass wir für die nächsten zwölf Monate der Bevölkerung ein klares Programm, eine Wegweisung und einen Grundsatz mitgeben. Hier beschließen wir zu dieser hochdramatischen Angelegenheit: Wie können wir uns als CSU hier richtig positionieren."
In der ersten Reihe lächelt Horst Seehofer verschmitzt. Er hat es geschafft, dass sich selbst Peter Gauweiler einordnet und damit die Reihen geschlossen. Ein knappes Jahr vor der Landtagswahl präsentiert sich die Partei als Einheit. Gelingt Seehofer die Wiedereroberung der absoluten Mehrheit in Bayern, ist ihm ein Platz im CSU-Olymp neben Franz Josef Strauß sicher.
So entspannt hat man Horst Seehofer lange nicht erlebt. München, Parteitag, vor der Messehalle. Der CSU-Chef strahlt in die warme Herbst-Sonne. Er nimmt sich Zeit, viel Zeit, um mit den Journalisten zu plaudern – die Delegierten drinnen in der Halle müssen warten. Der 63jährige ist glänzend gelaunt: Er lobt Merkels Euro-Politik in den höchsten Tönen, sogar für das kriselnde Griechenland zeigt er plötzlich Verständnis und auch Fragen nach seiner hellblauen Krawatte beantwortet er locker. Die ist über und über mit dem Buchstaben H bestickt – H wie Horst.
"Das ist ein Geschenk aller Mitarbeiter der Staatskanzlei zu meinem letzten Geburtstag. Und ich glaube, ich trage die zum ersten Mal."
Journalist:"H H – Horst, ganz viele HHH. Aber sonst geht es Euch gut, oder?"
Seehofers gute Laune hat ihren Grund. Rechtzeitig zum Parteitag sagen Umfragen der CSU 48 Prozent der Wählerstimmen voraus. Elf Monate vor der bayerischen Landtagswahl können sich die Christsozialen wieder stark fühlen – nach dem 43-Prozent–Debakel 2008. Sozialministerin Christine Haderthauer beschwört bereits die glorreichen alten Zeiten herauf:
"Horst Seehofer hat etwas sehr Wichtiges geschafft und das ist gar nicht so einfach gewesen: Er hat uns in eine ganz große Geschlossenheit geführt und das ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Themen wieder auf die Straßen bringen und überzeugen. Und man sieht ja, dass der Trend immer wieder bergauf geht – also hat er es gut gemacht."
Was ihm nicht jeder zugetraut hat. Vor vier Jahren galt Seehofer noch als Außenseiter, als Querulant - als ein Notkandidat, der an der Spitze seiner CSU installiert wurde – mangels personeller Alternative. Mittlerweile sind seine Kritiker verstummt und er auf dem besten Weg, sich seinen größten politischen Traum zu erfüllen: Die Wiedereroberung der absoluten Mehrheit in Bayern.
Eine kleine Umfrage zu Horst Seehofer:
"Seehofer hat wieder, trotzdem dass ihm nachgesagt wird, er wäre wankelmütig – sehr viel Vertrauen wieder zu den Menschen zurückgebracht."
"Und er ist einfach authentisch."
"Ich denke Seehofer ist gelungen, die unterschiedlichen widerstrebenden Kräfte in der Partei zusammenzuführen."
"Es ist mehr Diskussion gewünscht, als es früher der Fall war. - Der Bürger vertraut ihm und ich denke, dass das einen großen Anteil ausmacht."
Seehofer genießt seinen Auftritt vor den rund 1000 Delegierten. Er will in die Annalen der CSU als der Vorsitzende eingehen, der die Partei vor der Bedeutungslosigkeit bewahrt hat. Heute ist er gnädig gestimmt, er kann es sich leisten. Er lässt sogar die üblichen Sticheleien gegen die CDU bleiben und denkt nur an die kommenden Wahlen.
Seehofer, Horst "Wir schauen heute auf ein blühendes Bayern. Auf ein Bayern, das seine starke Stimme in Berlin hat. Und wir schauen auf eine CSU, die wieder erstarkt ist, die wieder da ist. Die hoch motiviert ist, die geschlossen ist. Und liebe Freunde, wenn wir besonnen weiter machen so wie in den letzten vier Jahren haben wir eine riesige Chance, dass das Jahr 2013 zu einem der erfolgreichsten Jahre in unserer Geschichte wird. Und darum bitte ich Euch."
Jetzt steht erst mal die "Mutter aller Schlachten" bevor, wie Seehofer die Landtagswahl im kommenden September manchmal nennt. Dann entscheidet sich das Schicksal der CSU – und zwar in Bayern, nicht im Bund.
"Nur wir sind eine eigenständige bayerische Kraft, nur wir können in Brüssel und Berlin bayerische Interessen durchsetzen. Unser Amtseid gilt Bayern – wir bekommen nicht wie SPD und Grüne Direktiven aus Berlin. Und deshalb gilt der Satz: Bayern zuerst – dafür stehen wir. Das ist unsere Existenz, liebe Freunde. Der Freistaat Bayern"
Vor der Bühne sitzt Ilse Aigner in der ersten Reihe. Die Bundeslandwirtschaftsministerin trägt heute ein figurbetontes schwarzes Kostüm, kein Dirndl. Aigners Wechsel nach München zeigt, dass der CSU-Chef nur ein Interesse hat: nämlich in Bayern zu überleben. Die im Freistaat populäre 47Jährige wird Berlin Servus sagen und an seiner Seite in Oberbayern um jede Stimme kämpfen. Ein cleverer Schachzug. Denn zwischen Chiemsee, Alpen und Altmühltal wird sich die Landtagswahl entschieden – Oberbayern ist CSU-Kernland. 2008 aber ist die Partei in München auf sage und schreibe 22 Prozent abgestürzt.
"Dass ich Heimatverbundenheit habe, ist – glaube ich – unbestritten. Es ist aber in erster Linie die Verantwortung, dass man für die eigene Partei bei einer Wahl und die steht nun mal auch in Bayern an, sich auch selbst mit aller Kraft einbringen kann. Ich hab einen Auftrag, den Bezirksverband Oberbayern zu unterstützen und nach vorne zu bringen – ein besseres Ergebnis ist hier gefragt. Umfragen sind Umfragen – entscheidend ist es letztendlich am Wahltag. Andere sind auch schon 4:0 vorne gelegen."
Jeder weiß, dass die Vorsitzende des mächtigen CSU-Bezirks Oberbayern ihre Berliner Karriere nicht für nichts aufgibt. Aigner gilt als Favoritin für die Seehofer Nachfolge. Eine Frau – dazu noch eine Unverheiratete und Kinderlose - als bayerische Ministerpräsidentin? Sie rollt mit den Augen, die Frage nach ihrer Rolle als Kronprinzessin kann sie nicht mehr hören.
"Also, auch wenn es manche noch nicht gemerkt haben: In Bayern gibt es keine Monarchie mehr, deshalb kann es keine Kronprinzessinnen mehr geben."
Drinnen im Saal begrüßt sie ihre Mitkonkurrenten später demonstrativ herzlich mit Kuss. Jeder soll es sehen: Wir verstehen uns prächtig. Auch wenn Christine Haderthauer und Finanzminister Markus Söder in der Thronfolge erst mal ein Stück nach hinten rutschten.
"Also was in sechs Jahren ist – in diesen Zeitachsen zu denken, das ist ja wie, wenn man im Fußball plant, in drei Jahren will man die Championsleague gewinnen – das ist ein bisschen absurd. Ich spiel im Hier und Jetzt und das heißt im Moment harter Kampf für bayerisches Geld."
Horst Seehofer wird amüsiert verfolgen, welche Kunststücke sich die Jungen einfallen lassen, um vor der Partei, dem Wähler und nicht zuletzt vor ihm selbst zu glänzen. Auf dem Parteitag aber vermeidet er es bewusst, mit Aigner, Haderthauer oder Söder länger unter vier Augen zu sprechen. Kein Delegierter soll den Eindruck haben, Seehofer habe sich bereits entschieden.
Stimmen zu Markus Söder und Ilse Aigner:
"Die Ilse Aigner ist ein Glücksfall für Oberbayern, für die CSU insgesamt. Da ist Luft nach oben, es ist alles denkbar."
"Ich bin Söder-Fan durch und durch. Er macht eine verdammt gute Arbeit. Ich könnte ihn mir sehr gut als Nachfolger, wenn dann die Zeit gekommen ist, für Seehofer."
"Ich bin auch Bäuerin und aus diesem Grund schätze ich die Ilse Aigner sehr."
Noch denkt Seehofer nicht daran, als Ministerpräsident aufzuhören. Er wird die CSU als Spitzenkandidat in die Bayern-Wahl führen. Seine Kür allerdings wurde auf das kommende Frühjahr vertagt. Der Grund: Morgen wird in Nürnberg sein Herausforderer von der SPD nominiert. Am selben Wochenende wie Christian Ude aber will sich Seehofer nicht zum Kandidaten küren lassen, will nicht mit ihm in einem Atemzug genannt werden.
"Guten Morgen, grüße Sie. Servus Christian. Hallo. Christian, schön, dass Du da bist. Ich freue mich …"
Ingolstadt, vergangenen Samstag. Christian Ude kommt in einem Audi angefahren – wie immer, wenn er für die SPD on Tour ist. Lässt er sich dagegen in einem dicken BMW chauffieren, ist er als Münchner OB unterwegs. An diesem Morgen passt die Automarke perfekt, denn die örtliche IG Metall hat ihn eingeladen, auf einer Veranstaltung vor rund 800 Audi-Mitarbeitern zu sprechen.
"Freut mich, dass Du unserer Einladung gefolgt bist, lieber Christian. Wir sind ja im Rahmen unserer Vertrauensleute-Vollversammlung hier und Du bist sozusagen heute unser Auftakt. Und deshalb freut es uns ganz besonders, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Das ist eine Anspielung auf meine Geografie-Kenntnisse – Gelächter -, die ich nicht im Raum stehen lasse. Nach Ingolstadt habe ich immer schon gefunden. Das ist ja super…"
Über seine mangelhaften Landeskenntnisse wird viel gelästert, seit Ude das unterfränkische Aschaffenburg nach Oberfranken gesteckt und Bamberg größer als Würzburg gemacht hat. Das sei peinlich für einen, der den Freistaat regieren will, unkt die Konkurrenz von der CSU genüsslich. Noch vor gut einem Jahr, als Ude seine Kandidatur überraschend angekündigt hat, war vielen Christsozialen nicht zum Lachen zumute. Denn als Münchner Oberbürgermeister und langjähriger Städtetagspräsident führt er alle bayerischen Beliebtheits- und Bekanntheitsumfragen an. Schon zu Edmund Stoibers Zeiten verwies Ude den CSU-Regierungschef stets auf den zweiten Platz.
"Ich verrate jetzt mal ein kleines Geheimnis: Die letzten vier Wahlen in München habe ich nach meiner Einschätzung deshalb recht staatlich gewonnen – beim letzten Mal mit Zwei-Drittel-Mehrheit, weil ich vorher die Gelegenheit erhalten habe, zu Betriebsversammlungen zu sprechen."
Schmeichelt Ude den Anwesenden, doch keiner im Saal applaudiert. Seit Wochen macht der Spitzengenosse die immer gleiche Erfahrung: In München mag er unangefochten die Nummer eins sein und das seit nunmehr 19 Jahren, aber bereits 80 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt tut er sich schwer. Ist der Ude-Effekt also bereits verpufft? Haben sich die Kommentatoren bayerischer Politik getäuscht, die all die Jahre schrieben, dass nur einer, nämlich Christian Ude, das Potential habe, die CSU aus der Staatskanzlei zu verdrängen. Ist er vielleicht viel zu früh in den Landtagswahlkampf gestartet? Ein Blick auf die aktuellen Umfragen lässt all dies vermuten. Gerade mal 21 Prozent der bayerischen Wähler würden sich für die SPD entscheiden. Keine guten Aussichten für die Wahl im kommenden Jahr. Die erste Euphorie scheint verflogen.
"Wir sind gestartet, als wir bei Emnid-Umfragen bei 15 Prozent lagen, inzwischen liegen wir über 20 Prozent. Bei anderen Instituten sind wir von 18 auf 23 gestiegen – aber auch um fünf Prozent. Und ich habe diesen frühen Beschluss benötigt, um mich überhaupt auf der Landesebene betätigen zu können. Ich bin ja kein Landespolitiker. Und seit diesem Jahr haben wir endlich viele Aktionen im ganzen Land gemacht, übrigens auch viele Kommunalwahlen gewonnen – Oberbürgermeister-Positionen erobert, Bürgermeisterposten und sogar einen Landrat in Niederbayern und einen Landrat in Unterfranken. Also ich bin mit dem ersten Jahr voll zufrieden."
Bei der Landtagswahl hofft Ude auf 25 Prozent der Wählerstimmen, wird er später am Tag sagen. Nach 55 Jahren Opposition sind bayerische Sozialdemokraten bescheiden geworden. Acht Spitzenkandidaten hat die eher links tickende SPD in 16 Landtagswahlen verbrannt, und doch ging es für die Genossen immer nur steil bergab. 2008 kamen sie nicht mal mehr auf 19 Prozent der Stimmen.
"Herr Ude, was haben Sie heute gefrühstückt?"
"Ich hoffe, das ist noch die Tonprobe. Wie immer eine chinesische Nudelsuppe."
Die flapsige Frage einer jungen Fernsehkollegin spricht nicht für allzu großen Respekt. Ude feiert am kommenden Freitag seinen 65. Geburtstag. Als Oberbürgermeister darf er deshalb nicht mehr kandidieren. Statt Ruhestand lieber Landespolitik. Zumindest will er es versucht haben, im Freistaat die CSU zu entmachten.
"Und deshalb finde ich es furchtbar, dass Bayern bei dieser Frage des gesetzlichen Mindestlohns im Bremserhäuschen - sitzt statt an der Spitze des sozialen Fortschritts zu marschieren, wo sich Bayern eigentlich befinden müsste. Denn schon in der bayerischen Verfassung steht die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Das glaubt kein Mensch, ist aber wahr. Bitte nachlesen in der bayerischen Verfassung."
In Ingolstadt werden die Audi-Mitarbeiter mit dem Redner nur langsam warm. Beifall erntet der SPD-Politiker, erst als er gegen Leiharbeit wettert oder bezahlbaren Wohnraum fordert. Bayern steht wirtschaftlich sehr gut da, die Firmen boomen, die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie sonst nirgendwo - all das sind Fakten, die es dem Pragmatiker schwer machen, mit Attacken gegen die Regierungspartei zu punkten. Oder anders gesagt, Christian Ude fehlt das zündende landespolitische Thema.
"Wir wollen natürlich alles, was gut ist – die Sicherheitslage, die Beschäftigungslage, die Qualität der Bildungsangebote – erhalten, keineswegs alles umkrempeln, da ist nichts in Gefahr, was gut ist. Aber wir werden es endlich gerechter und sozialer und vor allem ökologischer gestalten. Es ist ja unbestreitbar, dass das bayerische Bildungssystem besonders viel soziale Auslese mit sich bringt. Dass die Staatsregierung auch immer mehr Fehler macht, nicht nur der Transrapid ist gescheitert, auch die Landesbank, jetzt auch noch der Donau-Ausbau. Also die CSU hat die Orientierung verloren und keine Gestaltungskraft mehr."
Bei der SPD glaubt man noch immer fest an Udes Erfolg. In Schleswig-Holstein sei es schließlich auch ein Oberbürgermeister gewesen, der die CDU entmachtet hat. Ähnliches könnte sich im Januar in Niedersachsen wiederholen, wo gegen den amtierenden CDU-Ministerpräsidenten ebenfalls ein Kommunalpolitiker antritt. Doch im Freistaat stehen die Chancen schlecht. Selbst im direkten Vergleich hat der Sozialdemokrat kräftig verloren: 51 Prozent der Wähler würden laut Emnid Seehofer ihre Stimme geben und nur 35 Prozent ihr Kreuz bei Ude machen. Und sogar auf der IG Metall-Konferenz in Ingolstadt, wo man vor allem SPD-nahe Gewerkschaftler vermutet, glauben nur wenige an Udes Sieg:
"Gewinnen wird er wohl nicht."
"Oh, das ist eine gute Frage. Wenig, wenig Chancen, wahrscheinlich keine Chancen."
"Bayern wäre schon mal reif für einen Wechsel, da gehört mal neuer Schwung rein."
"Er hat die größten Chancen, weil er bekannt ist und, ich glaube auch, in ganz Bayern beliebt."
"Der Seehofer ist zwar auch eine starke Persönlichkeit, aber nichts dauert ewig. Auch in Bayern, gell."
"Als Ministerpräsident? Ich glaube nicht. Wenn er 25 Prozent, 30 Prozent kriegt, dann glaube ich, ist er gut dran. Wenn er bei der CSU wäre, aber bei der SPD nicht."
Wenn er überhaupt eine Chance haben will, muss Christian Ude gegen die CSU ein Dreierbündnis schmieden. Mit den Grünen ist das kein Problem, richtig schwierig aber sind die Freien Wähler mit Hubert Aiwanger an der Spitze. Der will sich in puncto Koalition nicht nur nicht festlegen, auch von seinem Anti-Euro-Populismus will er einfach nicht lassen. Ude schüttelt leicht genervt den Kopf. Ja, räumt er ein, Aiwangers rechtspopulistischer Kurs kann rot-grün die Chancen auf den Regierungswechsel vermasseln.
"Es gibt tatsächlich Meinungsverschiedenheiten zwischen Hubert Aiwanger und mir in der Euro-Frage, die aber nicht so gravierend sind wie die Unterschiede zwischen Horst Seehofers Worten und seinen Taten in Berlin. Er ist schon als einzelne Person gespalten: In München unterstreicht er rote Linien, die nicht ungestraft übersprungen werden und dann fliegt er nach Berlin und überspringt sie. Also wenn man Meinungsunterschiede in einer Person versammeln kann, dann sicherlich auch in einer Koalition."
Die SPD setzt voll auf das direkte Duell Ude gegen Seehofer. Doch der CSU-Chef machte seinem Kontrahenten nicht den Gefallen, darauf einzugehen.
In seiner eineinhalbstündigen Rede auf dem Münchner Parteitag erwähnt er Christian Ude mit keinem einzigen Wort. Seine Liga ist eine andere.
"Hier Angela, schau. Nun ist es so, wir werden Dir diesen Blumenstrauß per E-Mail schicken. Ich nehme an, wenn Du am Flughafen bist, dann ist er bei Dir auf dem Display, mehr können wir uns nicht mehr leisten."
Auf der großen Leinwand hinter der Bühne ist ein bunter Blumenstrauß zu sehen. Der CSU-Chef macht in Harmonie und Angela Merkel lacht herzlich über diesen gelungenen Gag. Die Vorsitzende der Schwesterpartei war direkt von EU-Gipfel aus Brüssel nach München geeilt. Das schmeichelt der CSU-Seele.
"Wir machen es uns nicht zu jeder Sekunde einfach. Das ist so eine Art Test, wer noch wie viel Kraft hat. Und der Vorsitzende der CSU ist traditionsgemäß immer eine starke Kraft – Edmund Stoiber war das schon. Horst Seehofer hat da noch ein paar andere Fassetten. Insofern sind wir unentwegt in so eine Art Test verwickelt. Aber, wenn es drauf ankommt, halten wir zusammen und dann ist gut für Deutschland und so soll es auch in Zukunft bleiben."
Es wird gekuschelt, nicht gestritten – knapp ein Jahr vor den Wahlen. Merkel bekennt sich zum umstrittenen Betreuungsgeld, was die Christsozialen natürlich gerne hören. Und auch der CDU-Vorsitzenden ist klar: Ohne die konservativen Wähler aus Bayern kann sie im Bund die Wahl nicht gewinnen. Die CSU wiederum schwenkt in der Euro-Politik ganz auf Merkels Linie ein – auch weil die Popularität der Kanzlerin den Christsozialen im Freistaat durchaus nützlich ist. Gerade in der Europa-Debatte sind die aggressiven Töne aus München verstummt. Keine schrillen Forderungen mehr, die Griechen auszuschließen. Selbst Peter Gauweiler gibt sich zahm. Auch der notorische Euro-Gegner, der Karlsruhe-Kläger sagt ja zum Europa-Antrag der CSU, der Merkels Kurs bestätigt.
"Wie ich hier gekommen bin, sind Parteifreunde zu mir gekommen und haben gefragt: Peter Gauweiler, hast Du das gesehen? Kann man dem zustimmen oder sollen wir uns enthalten, dass nichts aufkommt. Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Sie können diesem Antrag ohne jedes Problem zustimmen. Es geht jetzt nicht darum, dass man wieder irgendeine rote oder schwarze Linie auf zeigen. Sondern es geht darum, dass wir für die nächsten zwölf Monate der Bevölkerung ein klares Programm, eine Wegweisung und einen Grundsatz mitgeben. Hier beschließen wir zu dieser hochdramatischen Angelegenheit: Wie können wir uns als CSU hier richtig positionieren."
In der ersten Reihe lächelt Horst Seehofer verschmitzt. Er hat es geschafft, dass sich selbst Peter Gauweiler einordnet und damit die Reihen geschlossen. Ein knappes Jahr vor der Landtagswahl präsentiert sich die Partei als Einheit. Gelingt Seehofer die Wiedereroberung der absoluten Mehrheit in Bayern, ist ihm ein Platz im CSU-Olymp neben Franz Josef Strauß sicher.