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Des Autors Wunschbiographie

Heftig gestritten wurde über Peter Weiss' dreibändigen Roman "Die Ästhetik des Widerstands" schon bei seinem Erscheinen in den Jahren von 1975 bis 1981. Der Autor selbst nannte ihn eine "Wunschbiographie". Karl Bruckmaier hat die Geschichte eines fiktiven deutschen Widerstandskämpfers in eine zwölfstündige Hörspielfassung gebracht.

Von Frank Olbert | 17.02.2007
    Frank Olbert: Herr Bruckmaier, wie haben Sie auf die Anfrage reagiert, den Roman "Die Ästhetik des Widerstands" von Peter Weiss zu bearbeiten?
    Karl Bruckmaier: Mit Erschrecken. Das Taschenbuch umfasst etwa 1100 Seiten, die drei Bände, wie sie damals herauskamen etwa 1000 Seiten. Das macht aber keinen Unterschied. Die Vorstellung, aus einem der großen Romane des 20. Jahrhunderts fast zwei Drittel herausstreichen zu müssen und in eine dramatisierbare Form zu bringen - das war eigentlich der erste Grund "nein" zu sagen. Und dann war das der erste Grund "ja" zu sagen, weil das einfach eine Herausforderung ist, der man sich als Regisseur und Bearbeiter nicht so oft gegenübersieht.
    Frank Olbert: Wie sind Sie vorgegangen?
    Karl Bruckmaier: Lektüre, Notizen, Schwerpunktbildung waren die Arbeitsschritte. Ich muss eine stringente Handlung zwischen dem Jahr 1937 und 1946 erzählen, so dass der Hörer die lineare Handlung mitverfolgen kann. Dann kann ich aber nicht jeden Tiefengrund nachvollziehen, den der Autor gelegt hat. Ich kann nicht jede feinste Verästelung in der Geschichte der schwedischen Sozialdemokratie nacherzählen. Ich kann dann nur exemplarisch ausstellen: So beschreibt Peter Weiss Politik. So geht Peter Weiss mit der Beschreibung eines bildenden Kunstwerks um. So spricht er über Literatur. So geht er mit Dialogen um. Diese Mittel hat er dem Film entnommen. Ich kann seine formalen Mittel ausstellen und versuchen, die Schönheit des Buches über die Ausstellung von Einzelaspekten verstehbar zu machen.
    Frank Olbert: Welche Kriterien hatten Sie bei der Auswahl der Schauspieler?
    Karl Bruckmaier: Das Buch war für mich bei der erneuten Lektüre so voller Widersprüche, dass ganz schnell die Idee da war, den Erzähler aufzuspalten. Es gibt ein erzählendes Ich, das die Dinge erlebt. Das ist der junge Erzähler. Und es gibt ein Ich, das den Schriftsteller zum Zeitpunkt der Niederschrift darstellt. Diese Aufspaltung ist natürlich nicht ganz genau zu nehmen, aber das war die Herangehensweise. Und dann ging es darum, das Paar zu besetzen und wir haben es in Robert Stadlober und Peter Fricke gefunden.
    Karl Bruckmaiers Bearbeitung des Romans "Die Ästhetik des Widerstands" von Peter Weiss erscheint als CD-Edition im Hörverlag. Auf Bayern 2 Radio ist sie derzeit jeweils montags um 20.30 Uhr und in einer Wiederholung dienstags um 15 Uhr zu hören. WDR 3 strahlt die zwölfstündige Hörspielfassung am Sonntag, den 6. Mai von 12.05 bis 24 Uhr aus, zehn Tage vor dem 25. Todestag des Autors. Im Rahmen der lit.Cologne veranstaltet der Westdeutsche Rundfunk darüber hinaus am 11. März einen Peter-Weiss-Tag. Von 12 bis 19 Uhr werden im Funkhaus Wallraffplatz neben einer einstündigen Lesung aus dem Roman "Die Ästhetik des Widerstands", Filmvorführungen und eine Diskussion unter anderem mit dem Schriftsteller Marcel Beyer und dem Weiss-Kenner Jens-Fietje Dwars stattfinden.