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Des Kaisers neue Kleider

Geschmackvoll war es von Anfang an nicht, ausgerechnet an diesem Ort einem diktatorischen Regime aus Steuermitteln das kulturelle Feigenblättchen demokratischer Grundlagenforschung vors Gemächt zu hängen – denn nichts anderes war die europäische Aufklärung trotz aller Rückschläge.

Von Stefan Koldehoff |
    Inzwischen ist die Ausstellung in Peking vollends zur Blamage für die deutschen Partner geworden. China hat ganz offen gezeigt, was es von westlichen Werten wie Aufklärung und Meinungsfreiheit hält: nichts. Und die dünnen Begründungen, mit denen die Verantwortlichen in den drei großen deutschen Museumsverbünden ihre kulturpolitische Kumpanei mit dem mächtigen Wirtschaftspartner China moralisch zu legitimieren versucht hatten – "Kraft des Dialogs", "subkutane Botschaften", "Türen öffnen" –, sie erwiesen sich als die dünnen Lederriemchen, an denen das Feigenblatt hing.

    Die Aufklärungs-Ausstellung sei keine politische, lautete im Vorfeld gebetsmühlenartig das Credo ihrer Macher – entsprechend frei könne man agieren. Das erweist sich nun als Selbsttäuschung: Natürlich muss die hoch nervöse chinesische Führung jede Ausstellung am Platz des Himmlischen Friedens als hoch politisch empfinden. Und natürlich hat sie den direkten Ansprechpartnern der deutschen Museumsdirektoren immer nur so viel Freiheit zugestanden, dass niemals Gefahr für die Staatsräson bestand. Gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst hat sich die deutsche Kultur in China vor den Karren der "Auswärtigen Kulturpolitik" samt politischen und ökonomischen Interessen spannen und aus ihren Töpfen bezahlen lassen. Wer aber abends mit der Politik ins Bett steigt, darf sich auch nicht wundern, wenn er am nächsten Morgen auch politisch wahrgenommen wird. Jede andere Erwartung wäre naiv oder, schlimmer noch: ignorant.

    Protest der drei Direktoren bei ihren chinesischen Partnern mag es gegeben haben – öffentlich zu vernehmen aber war er fünf Tage lang nicht, man schwieg beredt. Stattdessen verstieg sich der Dresdner Generaldirektor Martin Roth gegenüber der "Zeit" zu der kühnen These, Ai Weiwei sei "ja bei den Medien vor allem nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil er ständig draufhaut." Kein Wort davon, dass Ai Weiwei jene Werte vorlebt, die die deutsche Ausstellung vermitteln zu wollen behauptet.

    Vielleicht tut die massive Kritik in Deutschland – nicht im Ausland, wie sie fast stolz betonen – den drei deutschen Direktoren aber auch Unrecht. Vielleicht hatten sie tatsächlich die Hoffnung, das größte Volk der Erde, bei dem sogar die USA mit Hunderten von Milliarden Dollar in der Kreide stehen, könnte auch nur ansatzweise den Wunsch verspüren, neben hübschen Kunstwerken auch eine geistesgeschichtliche Idee importieren zu lassen – und das auch noch ausgerechnet aus Deutschland, wo die Aufklärung zuletzt 1933 so grandios gescheitert ist.