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Designer "Avido" aus Kenia
Stylische Mode aus dem Slum

Mode aus afrikanischen Slums – das kann doch nur mit Ausbeutung und schädlichen Bedingungen einhergehen. Diesem Klischee setzt ein 24-jähriger Designer aus Kenia sein eigenes Modell entgegen: "Für mich ist Mode ein Sprachrohr", sagt David Ochieng alias Avido. Seine Marke ist lokal und fair.

Von Julia Batist | 30.07.2019
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"Es sind Menschen wie Du und ich, die da leben": David Ochieng möchte den Blick auf die Bewohner der Armenviertel - wie hier im Kibera-Slum in Nairobi - verändern (Rachel Creed)
David Ochieng lächelt und beantwortet Fragen. Gerade hat der 24-Jährige bei einer Veranstaltung in Köln seine Geschichte erzählt. Avido, so sein Künstlername, möchte seine Mode von Kenia aus in die Welt bringen und etwas verändern. Sein kleiner Verkaufsstand vor der Tür besteht aus vier Holzpfosten und einem Bambusdach. An einer Kleiderstange hängen Jacken mit Afro-Mustern im College-Stil. Zwei junge Frauen probieren sie an:
"Ich find‘s auch, dass das frischen Wind bringt im Gegensatz zu dem, was man oft sieht bei uns, was so‘n bisschen zurückhaltend ist in Sachen Farbe oder Muster."
Der Designer trägt einen bunten Anzug. Um den Hals baumelt ein Zentimetermaß, das er sich zur Krawatte gebunden hat. Die Jacke ohne Kragen und die Grüntöne des dezenten Musters wirken stylisch und cool.
Mode ist mehr als nur Kleidung
David Ochieng: "Ich schaffe Ungewöhnliches und vergesse dabei nie die Kultur. Wenn ich meine Kultur präsentiere, kann ich den Leuten meine Welt zeigen. Genauso möchte ich die Welten anderer kennenlernen. So können wir voneinander lernen, Wissen vermitteln. Manchmal ist Mode mehr als nur Kleidung."
David hat drei Geschwister, die Familie kein Geld. Als Kind spielt er in einem gesponsorten Fußball-Team, um seine Schulgebühren zu zahlen. Nach der achten Klasse muss er abgehen. Die Fahrtkosten sind zu teuer. Er arbeitet auf dem Bau, wird davon krank. Dann holen ihn alte Fußballfreunde in eine Tanzgruppe. Mit siebzehn Jahren gewinnt er Tanzwettbewerbe und näht schließlich die Bühnenoutfits. Aus Bettlaken vom Trödelmarkt schneidert er die ersten sechs Kostüme. Die kommen an.
"Ich musste einsehen, dass ich nicht für immer tanzen kann und einen Beruf finden. Falls ich mir ein Bein brechen würde, könnte ich nicht arbeiten. Mir war klar, ich konnte mehr aus der Mode machen."
Das war der Start des Designers Avido. Bilder seiner Kostüme postet er bei Facebook.
"Wenn wir einen Auftritt hatten, habe ich Bilder von uns in den Kostümen gepostet. Ich hatte einen Instagram-Account, war auf Twitter. Bei jeder Gelegenheit habe ich Bilder der Outfits gezeigt. Es gab viele Reaktionen, und so wurden daraus Geschäftsseiten in Social Media."
Zeitgemäßes Design
Die Mischung aus Afro-Look und zeitgemäßem Design funktioniert. Der allgemeine Afro-Trend in der Modeindustrie kommt gelegen. Mehrere Kooperationen entstehen: in Jamaica, den USA, Deutschland.
"In meiner Gemeinde bin ich ein Vorbild. Für mich ist Mode ein Sprachrohr für meine Probleme, die meiner Leute und unserer Herausforderungen im Leben. Wie wir damit umgehen und Wissen erlangen. Wir teilen das alles."
Der 28-jährige Ruven Börger hat 2017 für die Vereinten Nationen als Entwicklungshelfer in Kenia gearbeitet. Auf dem Konzert eines deutschen HipHop-Künstlers traf er David Ochieng.
Ruven Börger: "Und dann hab’ ich während des Konzerts gesehen, dass er in der Pause so nach vorne gegangen ist, hat gesagt: 'Yo, mein Name ist David, das ist was ich mache. Habt Ihr nicht Lust, die Sachen anzuziehen, das zu unterstützen?' Und das hat mich extrem inspiriert. Dann ist die Idee entstanden: Warum eigentlich nicht versuchen, das Ganze auch in Deutschland und in Europa zu machen? Das mache ich seitdem ich zurück bin aus Kenia."
Dank einer Förderung erleichtern nun Workshops, Coaches und organisatorische Hilfe den Weg. In diesem Jahr ist noch ein Gründerstipendium dazu gekommen. Sie wollen mehr als nur Mode verkaufen.
Es fehlen Nähmaschinen
Ruven Börger: "Hier geht es nicht darum, dass ich aus Deutschland ihm alle möglichen Türen aufmache. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht: 'Oh, die armen Leute aus dem Slum, die haben nix, da passiert nix.' Es sind Menschen wie Du und ich, die da leben. Die genauso Talente haben wie Du und ich. Und in einem Fall wie bei ihm, einfach eine extrem viel stärkere Motivation haben, daraus was zu machen. Das ist was, das wir hier in Europa nicht verstehen. Ja, was ich mit dem Projekt zeigen möchte, das ist meine Motivation dahinter."
Das Start-up beschäftigt siebzehn Schneider direkt in Kibera nach Bedarf. Noch fehlen genügend Nähmaschinen, um sie voll anzustellen. Die beiden setzen auf faire Vergütung, Arbeitskräfte, die vor Ort geschult und gefördert werden und auf recyclebare Verpackungen.
David Ochieng: "Es macht mich glücklich, wenn ich das umsetzen und Chancen für meine Freunde schaffen kann. Ich kann ihnen helfen und ihnen was beibringen."
Visitenkarte für Wolfgang Joop
David Ocheing hat es an die beste Modeschule in Ost und Zentral-Afrika geschafft, sagt er. Aber die wichtige Praxis, die habe er bei den kleinen Schneidern auf der Straße gelernt. Gerade nutzt er die Zeit in Deutschland und präsentiert seine Mode. Business-Partner Ruven kümmert sich um das Netzwerk.
Auf der "Fashion Week" in Berlin war das Zweier-Team auch zu Gast. Wolfgang Joop ist auf die schlichten Anzüge mit schrillem Innenfutter aufmerksam geworden. Prompt hat er Avido nach seiner Visitenkarte gefragt.