Mit dieser Hefe könnte man auch Brot backen oder Bier brauen. Aber dafür wäre sie zu kostbar. Denn die Hefe von der Johns-Hopkins-University in Baltimore besitzt ein Chromosom, das vollständig im Labor zusammen gesetzt wurde. Base für Base, also Buchstabe für Buchstabe. Insgesamt 270.000 genetische Bausteine. Das künstliche Chromosom trägt die Nummer 3 und ist nur eines von vielen, erklärt Jutta Heim. Sie forscht mit Hefe beim Schweizer Biotechnologie-Unternehmen Evolva.
"Die Hefe hat im Grunde genommen 16 Chromosomen, und sie kann die wesentlichen Reaktionen einer komplizierter gestalteten Zelle ausführen, wie die einer Herzmuskelzelle oder einer Nervenzelle."
Das Chromosom Nummer 3 ist eines der kleinsten im Hefe-Erbgut. Unter den 16 Hefechromosomen spielt es eine Nebenrolle. Zu über 98 Prozent ist die Hefe mit dem künstlichen Chromosom immer noch natürlich. Ihre Eigenschaften unterscheiden sich kaum von den rein biologischen Geschwistern. Für die Wissenschaftler ist dieser kleine Schritt allerdings ein wichtiger Anfang. Denn die Hefe ist ein wichtiger Produktions-Organismus in der Biotechnologie. Deshalb hat Projektleiter Jef Boeke, Professor für Molekularbiologie aus Baltimore, sie ausgewählt.
"Wir bauen keine 1:1 Kopie der natürlichen Hefe, sondern eine leicht veränderte Version – gewissermaßen eine überarbeitete Version."
Es fällt auf, dass das im Labor synthetisierte Chromosom 3 etwas kleiner ist als sein natürliches Vorbild. Das haben die Wissenschaftler um Jef Boeke so beabsichtigt.
Boeke: "Wir können die Hefe fortlaufend verändern, während sie sich vermehrt. Dabei haben wir einzelne Bereiche aus dem Hefechromosom entfernt, und das Erbgut wurde immer kleiner. So wollen wir das Erbgut der Hefe minimieren."
Der Hefe fehlen solche Erbgut-Bereiche, die die Wissenschaftler für unnötig halten. Durch Versuch und Irrtum haben sie herausgefunden, auf welche Erbinformationen die Hefe verzichten kann. Ihr Ziel ist es, die Hefe nach und nach so zu verändern, dass sie außerhalb des Labors oder ihres Fermenters nicht überleben kann. Damit das sichergestellt ist, müssen jedoch auch die verbleibenden 15 Chromosomen noch nachgebaut und bearbeitet werden. Dann soll sich – so hoffen die Forscher – die Leistungsstärke der Hefe nur im Innern eines Fermenters oder Bioreaktors zeigen. An das künstlich zusammen gebaute Erbmaterial können sie dann verschiedene Gene aus Pflanzen oder Tieren koppeln. Jef Boeke bezeichnet seine Konstruktion deshalb als Designer-Chromosom. Das Chromosom Nummer 3 ist das erste einer neuen Bauart. Biotechnologen können es relativ einfach und kreativ verändern.
"Durch Rühren können aus einem Genom viele verschiedene Erbgutvarianten hervorgehen. Wir planen 5000 Stellen in das Hefe-Erbgut einzusetzen, an denen wir Erbmoleküle verschieben und neu verknüpfen können. So entsteht eine extrem hohe Zahl von Kombinationsmöglichkeiten."
Wie ein Kartenspiel sollen sich die Gene der Hefe mischen lassen. Dazu haben Jef Boeke und seine Mitarbeiter auf Chromosom 3 bereits 98 Gene mit Erkennungssequenzen markiert. Solche Markierungen sollen sich später über das ganze Hefe-Erbgut erstrecken. Durch ständiges Mischen und Ausprobieren könnte eine Art Evolution im Zeitraffer ablaufen. Die Produktionspalette der Hefe soll so erweitert werden – in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.