Auf den ersten Blick deutet eigentlich nichts darauf hin, dass hier gearbeitet wird: Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss eines Wohnkomplexes im Vorort Kwai Fong ähneln eher denen eines Kindergartens als einer Produktionsstätte. Basteleien und Kinderzeichnungen zieren die Wände, auch ein kleiner Spieltisch mit Stühlen steht in einer Ecke. Doch dann ist aus einem Nebenzimmer das Rattern einer Nähmaschine zu hören.
Sechs Minuten - fertig
Hier sitzt die etwa 50-jährige Shija an einer Industrienähmaschine aus den 70er-Jahren. Ein Schweizer Modell. Shija näht soeben die Kanten einer Maske mit Baletttänzerinnen-Motiv. Ungefähr sechs Minuten braucht sie dafür, dann kommt die Schwarz-Karierte und später die Maske mit den gelben Enten dran. Sie selbst trägt eher ein dezentes Modell mit kariertem Stoff in Rosa und Weiß:
"Ich bin zwar keine professionelle Näherin, aber ich interessiere mich sehr dafür."
Außerdem ist es ihr wichtig, andere Menschen zu unterstützen, die wie sie selbst nur wenig Geld zur Verfügung haben. Deshalb hat sich die Graswurzel-Organisation "The Women’s Cloth" seit circa zwei Monaten auf das Herstellen von wiederverwendbaren Gesichtsmasken verlegt.
"Wir nähen etwa 250 bis 300 Stück am Tag. Shia schafft mehr als zehn in einer Stunde, aber sie ist auch wirklich schnell", erklärt Raiku, die Leiterin der Frauen-NGO.
Die Kollektionen
Angefangen hatte alles mit dem Nähen von Computer- und Einkaufstaschen aus alten Stoffresten, vor zehn Jahren war das. Dass man sich jetzt auf den Virus-Schutz verlegt habe, sei tatsächlich zunächst aus der Not heraus entstanden. Doch dann kam der Erfolg und mit ihm das kreative Temperament der Näherinnen zum Vorschein. Zunächst habe man fast nur sehr, sehr bunte Stoffe verwendet. Mittlerweile gebe es zwei Kollektionen, eine eher für Männer, die andere für Frauen - und dann natürlich noch die farbenfrohen Kindermasken.
"Die eine Serie nennen wir die dunkel-farbige Kollektion, die andere ist die helle – und dazwischen haben wir natürlich noch eine Reihe von weiteren Mustern. Die Stoffe sind jetzt etwas weniger bunt, nicht ganz so viele Muster drauf. Das scheint eher gefragt zu sein."
Arbeiten bis Mitternacht
Was den Preis angeht, so verlangt die NGO inzwischen 48 Honkong-Dollar für eine Maske, also knapp sechs Euro. Die Bestellungen würden meist online entgegengenommen, erklärt die junge Marketingchefin Wing:
"Die Kunden fragen zunächst über Facebook und Google-Phone an, dann besprechen wir die Details über WhatsApp. Das mache ich den ganzen Tag lang, manchmal sogar noch um Mitternacht, weil manche einfach kein Ende finden."
Mittlerweile hat Shija sich den dunkelblauen Stoff mit dem Bulldoggen-Motiv herangeholt. Den hatte die Kundin selbst gekauft und in der NGO vorbeigebracht. Auch die Größe wurde maßgenommen, schließlich soll das gute Stück auch richtig sitzen.