"Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich fünf Jahre Präsident des Europaparlament sein durfte. Das ist eine enormes Privileg", sagte Martin Schulz bei seiner letzten großen Pressekonferenz Mitte Dezember am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Nun wird der ehemalige Präsident des Europaparlaments zum Kanzlerkandidaten. Schulz steht für Europa, das hatte er bereits in Brüssel angekündigt.
"Ich werde auch weiterhin für diese Idee von Europa kämpfen. Hauptantriebsfeder wird sein, dass wir diese enorme zivilisatorische Errungenschaft bewahren, die darin besteht, dass auf diesem Kontinent die Völker sich nicht mehr abschlachten, sondern in gemeinsamen Organen kooperieren."
Eine Ansage auch an die vielen Rechtspopulisten und Anti-Europäer in den Mitgliedsländern – mit Blick auf die Bundestagswahl, aber auch auf die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich. Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber nannte Schulz zum Abschied einen leidenschaftlichen Europapolitiker:
"Ich möchte deutlich machen, dass Martin Schulz auch für uns ein kraftvoller und durchsetzungsstarker Europäer ist."
Seit 1994 hat sich Schulz hochgearbeitet
Ins Europaparlament wurde Schulz erstmals 1994 gewählt. Er arbeitete sich hoch: 2004 wurde er Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Anfang 2012 dann Präsident des Europaparlaments. Im Juli 2014 wurde Martin Schulz als erster EU-Parlamentspräsident für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.
"Er hat das Parlament politischer und sichtbarer gemacht", sagt der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff über Schulz.
Auf dem internationalen Parkett tritt der 61-Jährige selbstbewusst und sicher auf. Er spricht fließend Englisch und Französisch. In Brüssel ist Schulz gut vernetzt: Er kennt viele politische Entscheider in den 28 EU-Ländern. Er reiste zum Beispiel als erster hoher Vertreter der EU nach dem gescheiterten Putschversuch in die Türkei. Er vermittelte, als CETA, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, am Widerstand der belgischen Region Wallonie zu scheitern drohte.
Ein Mann der klaren Worte
Als Parlamentspräsident fand Martin Schulz oft klare Worte. Er prangerte zum Beispiel den Demokratieabbau in Polen oder Ungarn an. Im Februar 2014 kritisierte er bei einem Besuch im israelischen Parlament die Lebensbedingungen der Palästinenser im Gaza-Streifen.
"Der Mann hat Ecken und Kanten. Der hat hier fünf Jahre lang das Parlament gut, manchmal auch mit harter Hand das Parlament geführt", meint der liberale Europaabgeordnete Graf Lambsdorff.
Doch Schulz polarisiert auch - durch sein Temperament und sein Machtstreben. Kritisiert wurde er vor allem von Grünen und Linken für seine enge Freundschaft zu Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Nach 22 Jahren im Europaparlament hat Martin Schulz einen erstaunlichen Wechsel von Brüssel nach Berlin hingelegt. Denn der Europäer startet für die SPD von 0 auf 100 in die Bundespolitik: als Parteichef und Kanzlerkandidat.