Dem portugiesische Premierminister António Costa stiegen die Freudentränen in die Augen, als er seinem Parteifreund António Guterres vor laufenden Fernsehkameras zu seiner erfolgreichen Kandidatur um das Amt des UN-Generalsekretärs gratulierte. Mit dieser emotionalen Reaktion stand der sozialistische Regierungschef nicht alleine da.
"Wir Portugiesen haben Guterres sehr lieb gewonnen, weil er sich immer um alle gekümmert hat", sagt eine Passantin in Lissabon. Und ein Mann fügt hinzu, dass Guterres Portugal und die ganze Welt ganz sicher weiterhelfen werde. Die Wahl werfe ein gutes Licht auf Portugal, sagt ein älterer Herr, auch wenn das Land nicht wirklich davon profitiere, denn Guterres sei politisch vollkommen unabhängig.
Topthema im Fernsehen
Seit am Mittwochnachmittag bekannt geworden war, dass António Guterres auch den ersten öffentlichen Wahlgang im UN-Sicherheitsrat klar gewonnen hatte, gibt es in Portugal nur noch ein Thema: In den Extra-Nachrichtensendungen im Fernsehen oder im Liveticker im Internet scheint fast jeder zur Sprache zu kommen, der den 67-jährige ehemaligen portugiesischen Premierminister auf seinem langen Weg in die Spitze der Weltdiplomatie begleitet hat. Der Politologe Pedro Adão e Silva hat für die derzeitige Euphoriewelle eine Erklärung gefunden:
"Erfolge auf internationaler Ebene werden eigentlich in allen Ländern mit nationaler Begeisterung gefeiert. Doch in Portugal nimmt das noch einmal stärkere Züge an, weil wir ein kleines Land sind, das sehr genau darauf schaut, was über uns im Ausland gesagt wird. Das gilt im Übrigen für die guten wie für die schlechten Tage: In der Krise der vergangenen Jahre waren wir Portugiesen auch extrem sensibel und haben genau zugehört, wenn aus dem Ausland Kritik an uns geübt wurde. Wir verinnerlichen das negative Gefühl genauso stark wie das positive."
Barroso sorgte für negative Schlagzeilen
Guterres ist nicht der erste Portugiese, der eine herausragende Rolle in der Weltpolitik einnehmen wird. Schließlich hatte sein ehemaliger Widersacher im portugiesischen Parlament, José Manuel Barroso, zehn Jahre lang als EU-Kommissionspräsident gewirkt und zuletzt vor allem für negative Schlagzeilen gesorgt, weil er kurz nach dem Ende der Karenzzeit zu der amerikanischen Investmentbank Goldmann Sachs gewechselt war.
Ein solches Verhalten sei von Guterres nicht zu erwarten, sagt Adão e Silva und fügt hinzu, dass Guterres' Wahl zum UN-Generalsekretär nicht nur mit einem überzeugenden Kandidaten zusammenhängen, sondern auch die Stärken der portugiesischen Diplomatie aufzeigen würde:
"Portugal ist in einer sehr guten Position, um die Länder an einen Tisch zusammenbringen und Verbindungen herzustellen. Es hilft, dass Portugal ein kleines Land in Europa ist, das gleichzeitig dem Atlantik und dem Süden zugewandt ist. Portugal hat sehr gute Beziehungen zu Brasilien und gleichzeitig zu Afrika, es pflegt seine historischen Verbindungen zu den USA und Großbritannien. Und, seit Portugal seine ehemalige Kolonie Macau in einem friedlichen und erfolgreichen Prozess an China übergeben hat, gibt es sogar eine wichtige, vertrauensvolle Verbindung nach Asien."
Niederlage von Bulgariens Kandidatin Georgiewa
In der Euphorie der politischen Elite in Lissabon über Guterres Nominierung mag auch ein bisschen Schadenfreude nachwirken. Die späte Kandidatur der bulgarischen EU-Vize-Kommissionspräsidentin Kristalina Georgiewa war in Portugal als politischer Schachzug von Brüssel und Berlin verstanden worden, um die transparente und langfristig vorbereitete Kandidatur von António Guterres doch noch im letzten Moment zu übertrumpfen.
Bei der Wahl im Sicherheitsrat am Mittwoch kam Georgiewa jedoch nur auf den siebten Platz, eine Mehrheit der Mitglieder im Sicherheitsrat stimmte gegen sie. Für den Politologen Pedro Adão e Silva könnte diese Niederlage auch noch Folgen für die ganze EU haben:
"Man fragt sich doch: Wie kann es sein, dass die EU-Kommission dieses lange, wettbewerbsstarke Auswahlverfahren der UNO im letzten Moment untergräbt und eine eigene Kandidatin ins Rennen schickt, die zudem noch von Deutschland unterstützt wird, um dann eine derartig vernichtende Wahlschlappe einzustecken. Das befleckt doch das Image von Europa, von der EU-Kommission, aber auch von Deutschland, das sich ja Hoffnung darauf macht, irgendwann auch einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu bekommen."