Sie komme aus einem vergessenen Land, sagt die junge Frau mit dem großen Kopftuch, das bis weit über ihre Schultern reicht. Einem zudem vollkommen zusammengebrochenen Land.
"I come to you from the forgotten jemen. My country is a state of total collapse."
Sie meint den Jemen, als sie da vor einem Dreivierteljahr im Sicherheitsrat Zeugnis über ihre Heimat ablegt. Radhya Al-Mutawakel kämpft dort für Menschenrechte. Es ist eine schier nicht zu bewältigende Aufgabe in einem Land zerrissen vom Krieg im Inneren zwischen den Houthi-Rebellen vor allem in Norden und der international anerkannten Regierung. Einem Land zerrissen zudem von einem Stellvertreterkrieg zwischen der Luftstreitmacht Saudi-Arabiens und dem Iran als Regionalmächten.
"Auf meinen Schultern lasten die Geschichten, die unsere Organisation für Menschenrechte in mehr als drei Jahren gesammelt hat."
Schlimmste menschengemachte Katastrophe der Gegenwart
Es ist eine riesige Last für diese schlanke Frau. Die UN-Nothilfe fasst sie in Zahlen: 17,8 Millionen Menschen wissen nicht immer, wo ihre nächste Mahlzeit herkommt. Drei Millionen Menschen sind in ihrem eigenen Land auf der Flucht. Es sei, so die Nothelfer, die schlimmste menschengemachte Katastrophe der Gegenwart. Für die die Vereinten Nationen nun den größten Hilfsappell überhaupt für den Jemen gestartet haben: Fast drei Milliarden Dollar wollen sie einwerben.
Gerade hat der UN-Sondergesandte für das südlich an Saudi-Arabien angrenzende Land aufgegeben, musste UN-Sprecher Stephane Dujarric am Montag berichten.
"Der Sondergesandte Ismail Ould Cheikh Ahmed hat den Generalsekretär informiert, dass er keine Verlängerung nach Ablauf der Amtszeit im Februar wünscht."
Auch UN-Hilfskoordinator Jamie McGoldrick will nicht mehr weiter machen - zwei Schlüsselfiguren der Vereinten Nationen auf dem Rückzug.
Die Rücktritte unterstrichen den Stillstand in dem Konflikt, kommentiert die Zeitung "New York Times".
"Ismail Ould Cheikh Ahmed ist in Gedanken bei der Bevölkerung des Jemen, die durch den Krieg so erschöpft ist. Und die eine der furchtbarsten humanitären Krisen der Welt erlebt."
Attackieren Houthi-Rebellen mit Raketen aus dem Iran Saudi-Arabien? Es ist eine der zentralen Kriegsfragen, die den Machtkampf zwischen den beiden Ländern meint, aber die Bevölkerung des Jemen trifft. Denn Saudi-Arabiens Kampfkoalition reagiert mit einer Blockade von See- und Lufthäfen. Der noch relativ neue UN-Nothilfe-Chef Mark Lowcock wendet sich daraufhin im November in ungewohnt dramatischer Sprache an die Öffentlichkeit.
"Ich habe dem Sicherheitsrat erklärt, wenn diese Blockade nicht aufgehoben wird und nicht fünf Maßnahmen ergriffen werden, dann wird es eine Hungersnot im Jemen geben. Es wird nicht so eine sein wie im Südsudan in diesem Jahr, die Zehntausende Menschen traf. Es wird auch nicht eine sein wie in Somalia 2011, die 250.000 Menschen das Leben gekostet hat. Es wird die größte Hungersnot sein, die die Welt in vielen Jahrzehnten gesehen hat mit Millionen Opfern. "
Ohne Hilfslieferungen fehlt es an allem
Aber erst Mitte Januar zeigt die Warnung greifbare Ergebnisse - nicht nur die Blockade ist gelockert, endlich dürfen auch mobile Entladekräne im Hafen von Hudaydah im Rebellengebiet aufgebaut werden. Die alten Hafenkräne wurden im Krieg zerstört, erläutert UN-Sprecher Stephane Dujarric.
"Es ist eine sehr wichtige Entwicklung. Wir - und vor allem die Bevölkerung des Jemen - haben darauf lange gewartet."
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben gerade eine Milliarde Dollar an humanitärerer Hilfe zugesagt - also immerhin ein Drittel des insgesamt benötigten Betrages. Das hilft der Reputation nach der brutalen Blockade. UN-Generalsekretär Guterres dankt persönlich - wenn auch nur in einer schriftlichen Erklärung - für diese "großzügige" Ankündigung.
Ohne Hilfslieferungen fehlt es an allem: an Lebensmitteln, fehlt es an Medikamenten, fehlt es an Wasseraufbereitungsanlagen. Und so gehört zu dem an Katastrophenrekorden nicht armen Jemen auch die Durchfallerkrankung Cholera. Zuletzt hatte die Zahl der Verdachtsfälle die Millionen-Marke geknackt.
Der Sondergesandte Ismail Ould Cheikh Ahmed ist zuletzt im Oktober öffentlich im Sicherheitsrat aufgetreten. Wieder drängte er auf Kompromisse und Gespräche, auf eine politische Lösung - anders sei kein Ende der Krise in Sicht.
Nun muss sein Nachfolger noch Lösungen für den verworrenen Kriegsknoten suchen. Denn kein Frieden sei einfach keine Option.