Archiv

Deutsch-amerikanische Freundschaft
"Dem einen oder anderen Stresstest ausgesetzt"

Deutschland habe der Schutzmacht USA viel zu verdanken, sagte der Amerikanist Michael Hochgeschwender im Dlf. Allerdings entwickelten sich die europäischen und US-Interessen spätestens seit Ende der Sowjetunion deutlich unabhängig voneinander.

Michael Hochgeschwender im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht mit Donald Trump, Präsident der USA, nach dem Familienfoto.
    Wie viel gemeinsame Interessen haben diese beiden? Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit US-Präsident Donald Trump. (dpa / Michael Kappeler)
    Die US-Amerikaner kamen nach dem Zweiten Weltkrieg mit "Rosinenbombern", leisteten den Deutschen wirtschaftliche Starthilfe und dienten als Schutzmacht gegen die Sowjetunion. Heute gibt es viel Austausch zwischen US-Amerikanern und Deutschen.
    Menschlich wurzele die deutsch-amerikanische Freundschaft tief und sei so schnell nicht zu erschüttern, sagte Michael Hochgeschwender vom Amerika-Institut der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität anlässlich des 70. Jahrestags des Beginns der Berliner Luftbrücke. "Aber auf der politischen Ebene sehe ich da ehrlich gesagt schwarz." Denn die Interessen der Europäer und die der US-Amerikaner entwickelten sich spätestens seit dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig voneinander.
    Auch jeder US-Präsident nach Donald Trump werde "sich damit auseinandersetzen müssen, wie er oder sie amerikanische Interessen definiert. Und das wird nicht mehr automatisch wie im Kalten Krieg identisch sein mit den westeuropäischen Interessen." Europa müsse sich deshalb gemeinsam neu ausrichten. Die einzelnen Nationalstaaten könnten das "verglichen mit Mächten wie den USA, China und einer möglicherweise wiedererstarkenden russischen Föderation nicht schaffen."
    Was heißt "westliche Wertegemeinschaft"?
    Die Rede von einer westlichen Wertegemeinschaft sei mit Vorsicht zu genießen, meint Hochgeschwender. Denn erstens würden diese in den USA zum Teil ganz anders verstanden. Ein Passus über die Würde des Menschen wie im deutschen Grundgesetz etwa sei "in einem sehr liberal geprägten Staat wie den USA so nicht denkbar". Zweitens sei die oft beschworene Wertegemeinschaft "eine sehr relative. Die ist nämlich immer dann relativ, wenn es um tatsächliche politische oder ökonomische Interessen geht."
    Die USA hätten auch vor Trump immer versucht, ihre Interessen durchzusetzen. Angesichts der ökonomischen und militärischen Gewichtsverteilung sei die deutsch-amerikanische Freundschaft nie eine Partnerschaft auf Augenhöhe gewesen. Allerdings hätten die US-Regierungen von 1941 bis 2017 zumindest versucht, ihre Verbündeten einzubinden, besonders die angelsächsischen.
    Donald Trump, der Isolationist
    Damit breche Trump radikal. Er sei, "wenn man so will, eine etwas populistisch gewendete Rückkehr in Vorstellungen, die in den USA in den 1920er- und 1930er-Jahren als sogenannter Isolationismus weit verbreitet waren": Europa interessiere nicht, sondern im Wesentlichen der US-Handel und die Möglichkeit, US-Interessen expansiv durchzusetzen.
    "Die politische Freundschaft ist in letzter Zeit dem einen oder anderen Stresstest ausgesetzt", fasste Hochgeschwender zusammen. "Und das wird auch so weitergehen. Des hängt mit der veränderten geopolitischen Lange zusammen."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.