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Deutsch-amerikanisches Verhältnis
"Nicht auseinander dividieren lassen"

Die neuen Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress werden nach Ansicht der Bundesregierung keine gravierenden Auswirkungen auf die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit haben. In außenpolitischen Fragen seien sich Republikaner und Demokraten sehr ähnlich, sagte Jürgen Hardt (CDU), Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, im DLF. Die USA und Europa müssten weiter zusammenhalten.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Bettina Klein |
    Stimmung bald besser? Das Duo Obama-Merkel - hier im März 2014 in Den Haag
    Stimmung bald besser? Das Duo Obama-Merkel - hier im März 2014 in Den Haag (picture-alliance / dpa / Oliver Berg)
    Hardt erklärte, dass sich die Republikaner mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren keine Blockadehaltung leisten könnten. "Ich glaube, dass die Republikaner auch beweisen werden, dass sie regierungsfähig sind", sagte Hardt im Deutschlandfunk. In der Außen- und Sicherheitspolitik habe der Präsident eine starke Stellung und es gebe keine zu großen Unterschiede zwischen den Parteien.
    Er erwarte, dass die USA und Europa angesichts der Konflikte im Irak und der Ukraine weiterhin zusammenhielten. Beide Seiten dürften sich nicht auseinander dividieren lassen.
    Zugleich geht Hardt davon aus, dass die aus Europa geforderten Änderungen an den Datenschutzregeln in den USA in den nächsten zwei Jahren nicht mehr umgesetzt werden. "Da hätte ich mir gewünscht, dass wir vorankommen", sagte Hardt. "Das halte ich unter den jetzigen Mehrheitsverhältnissen eher für unwahrscheinlich."

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Spannend zurückzuschauen allein auf die US-Wahlen in den vergangenen acht Jahren. 2006 am Ende der Ära George W. Bush eroberten die Demokraten seinerzeit den Kongress zurück, schon damals auch in Deutschland mit Spannung verfolgt, deutete sich doch hier ein deutlicher politischer Umschwung in Washington an. Zwei Jahre später dann 2008 viel Euphorie und viele Erwartungen an den neuen Präsidenten Obama. Dann 2010 vor vier Jahren der erste Denkzettel für den gewählten Präsidenten. Bei den Republikanern hatte sich die Tea-Party herausgebildet und nicht zuletzt ihrer Graswurzel-Bewegung war es damals schon zu verdanken, dass die Demokraten das Repräsentantenhaus verloren. 2012 vor zwei Jahren noch einmal etwas gebremste Euphorie mit der Wiederwahl von Barack Obama und nun ein weiterer Denkzettel für den Präsidenten in schönster amerikanischer Tradition.
    Am Telefon begrüße ich Jürgen Hardt (CDU). Er ist der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen. Guten Morgen, Herr Hardt.
    Jürgen Hardt: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Haben Sie diesen Wahlverlauf jetzt eigentlich völlig neutral oder mit etwas Sympathie für die eine oder andere Seite verfolgt?
    Hardt: Die entscheidende Frage aus deutscher und europäischer Sicht ist ja, ob Amerika politisch handlungsfähig bleibt. Es gibt ja Stimmen, die sagen, das führt jetzt zu einer kompletten Blockade zwischen Weißem Haus und Kongress. Ich glaube das nicht. Die Stimmen von Mitch McConnell heute Morgen sind ja auch in die Richtung. Ich glaube, dass jetzt die Republikaner auch beweisen werden, dass sie regierungsfähig sind. Sie wollen ja die Chance, das Sprungbrett jetzt nutzen, möglicherweise in zwei Jahren den Präsidenten zu stellen, und da können sie sich eine Blockadepolitik gegenüber dem Weißen Haus nicht leisten, sondern sie müssen zeigen, dass sie konstruktiv an Regierungsarbeit mitwirken können. Umgekehrt werden die Demokraten wissen, dass Erfolge des demokratischen Präsidenten Obama positiv einzahlen auf die Chancen eines demokratischen Präsidentschaftsbewerbers.
    Klein: Besitzt denn das überhaupt irgendeine Bedeutung aus Sicht einer deutschen Regierung und auch für das transatlantische Verhältnis, wer nun die Mehrheit im Kongress tatsächlich inne hat?
    Hardt: In den außen- und sicherheitspolitischen Fragen ist es, glaube ich, nicht von dieser Bedeutung, wie das in der Innen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik in Amerika ist. In der Außen- und Sicherheitspolitik hat der Präsident naturgemäß eine starke Stellung und da gibt es auch keine zu großen Unterschiede zwischen den politischen Parteien in Amerika. Aber im Blick auf andere Vorhaben, wenn ich zum Beispiel an das Projekt transatlantisches Freihandelsabkommen denke, oder auch an das Projekt des pazifischen Freihandelsabkommens, da spielt das schon eine Rolle. Ich würde mir wünschen, dass der neue Kongress gemeinsam mit dem Präsidenten im ersten Quartal des nächsten Jahres die Verhandlungsermächtigung erteilt, die trade promotion authority, so dass wir ganz konkret mit Blick auf diese Abkommen vorankommen können.
    Klein: Und was wird da jetzt anders sein, nachdem die Republikaner den ganzen Kongress dominieren?
    Hardt: Zunächst einmal sind es, glaube ich, klare Verhältnisse. Es war ja vorher auch so, dass die beiden Häuser des Kongresses unterschiedlich dominiert waren. Jetzt sind sie beide republikanisch. Das sind klare Verhältnisse. Der Präsident wird vermutlich mit den beiden Mehrheitsführern, mit Mitch McConnell und John Boehner, dann entsprechende Deals verhandeln, in denen sich die Republikaner ebenso wiederfinden wie das Weiße Haus. Ich glaube, da wird sich in den nächsten Wochen und Monaten einiges herauskristallisieren, und ich erwarte und hoffe, dass daraus dann ein gutes und vernünftiges Regierungsprogramm wird, dass die Supermacht USA weiter vorankommt.
    Klein: Herr Hardt, Sie haben, was die Außen- und Sicherheitspolitik angeht, ein bisschen in Zweifel gezogen, dass es da irgendwelche Unterschiede geben würde zwischen Demokraten und Republikanern. John Kornblum hat vorhin auch die These bestritten, dass das Pendel nach rechts schwingen würde in den Vereinigten Staaten. Dennoch wird es ja offenbar doch zu anderen Akzenten möglicherweise kommen. Selbst eine Hillary Clinton ist ja außen- und sicherheitspolitisch noch mal ganz anders gelagert und von anderen Interessen und Meinungen geleitet, als Barack Obama das bisher gewesen ist. Was erwarten Sie denn da in den kommenden Jahren?
    "Wir dürfen uns nicht auseinander dividieren lassen"
    Hardt: Zunächst einmal erwarte ich, dass die USA einerseits und die europäischen NATO-Partner andererseits weiter gemeinsam die Position formulieren etwa in der Ukraine-Frage und in der Nordirak-Frage, dass wir zusammen bleiben, dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen. Insbesondere in der Ukraine-Frage, glaube ich, wäre es die größte Freude für Herrn Putin, wenn es ihm gelingen würde, zwischen die USA und Europa einen Keil zu treiben. Das zu verhindern, ist, glaube ich, sowohl das Anliegen des Weißen Hauses als auch der Republikaner im Kongress. Von daher ist das die obere Aufgabe.
    Das Zweite ist, dass wir natürlich die Beschlüsse des Gipfels von Wales, des NATO-Gipfels von Wales ernst nehmen müssen. Dort haben wir gesagt, wir müssen mehr tun für Verteidigungsanstrengungen, insbesondere auch einige europäische Partner, darunter Deutschland. Ich glaube, wenn wir auf diesem Weg fortfahren, wird es keine Veränderung in der amerikanischen Politik uns gegenüber geben, und umgekehrt müssen wir uns auch nicht auf neue Verhältnisse in den USA einstellen.
    "Debatte über mehr Datenschutz in den USA wäre wünschenswert"
    Klein: Herr Hardt, wenn wir zurückschauen allein auf die vergangenen sechs bis acht Jahre, mit welcher enormen Aufmerksamkeit der Wechsel 2008 im Weißen Haus erwartet wurde, dann die unterschiedlichen Stadien der Obama-Euphorie, in Ansätzen sogar noch bei seiner Wiederwahl vor zwei Jahren hier zu spüren, und dann heute ein doch deutlich abgekühlteres Verhältnis, ein geringeres Interesse nach einem, nennen wir es, Bruch, den es gegeben hat in den vergangenen anderthalb Jahren im Zuge der Snowden-Enthüllungen, ist das zutreffend, ist das deutsch-amerikanische Verhältnis damit richtig beschrieben?
    Hardt: Ich glaube, dass im Blick auf das, was wir unter diesem NSA-Skandal bezeichnen, dass wir da an einem Punkt doch Erwartungen an die amerikanische Regierung haben, von denen ich nicht glaube, dass sie in den nächsten zwei Jahren umgesetzt werden können, nämlich eine Änderung der Rechtslage in den USA im Blick auf die Behandlung von Daten der Bürger einerseits der Vereinigten Staaten von Amerika, aber eben auch von deutschen und europäischen Bürgern. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass wir vorankommen im Blick auf die Änderungen der Gesetzgebung zu Big Data. Das halte ich unter den jetzigen Mehrheitsverhältnissen für eher unwahrscheinlich, dass das ein Projekt der nächsten zwei Jahre wird. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass der eine oder andere Kandidat oder die eine oder andere Stimme im Präsidentschaftswahlkampf diese grundsätzliche Frage des Verhältnisses von Staat und Bürger im Blick auf den Datenschutz in den USA aufwirft, und das wäre ja in unserem Sinne, wenn es auch in Amerika im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfes eine beginnende Debatte gäbe über möglicherweise mehr Datenschutz für die Bürgerinnen und Bürger der USA.
    Klein: Um beim Stichwort Snowden noch mal kurz nachzufragen. Da bleibt es bei der Haltung der Bundesregierung: Er wird hier nicht in Deutschland angehört?
    Hardt: Das ist die gegenwärtige Lage. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das ändert. Ich setze allerdings darauf, dass der Dialog zwischen den beiden Stabschefs der Kanzlerämter beziehungsweise des Weißen Hauses den sogenannten strukturierten Dialog fortsetzen, dass wir dort auch zu substanziellen Fortschritten kommen im Blick auf die legale Spionagepraxis, wie wir sie ja im Juli aufgedeckt haben durch die Enthüllung eines Agenten, der Geld aus amerikanischen Taschen mutmaßlich bekommen hat. Aber das sind Dinge, die nicht in der Öffentlichkeit ausgetragen werden, sondern wo Peter Altmaier und sein entsprechender Kollege, der Stabschef des Weißen Hauses, miteinander verhandeln müssen.
    Klein: Da können wir davon ausgehen, da wird hinter den Kulissen verhandelt und da kann sich noch etwas bewegen?
    Hardt: Das glaube ich schon. Im Blick auf die Frage der Behandlung der Daten deutscher und europäischer Bürger in den USA bedarf es einer Gesetzesänderung in den USA, verbunden mit einem Umdenken mit Blick auf das Thema Datenschutz. Da, glaube ich, ist der Ausgang der Wahl am gestrigen Tage eher ein Zeichen, dass sich da nichts ändern wird zunächst.
    Paketlösungen werden wahrscheinlicher
    Klein: Abschließend, Herr Hardt, wenn wir uns anschauen: Ein vergleichsweise linker Präsident für amerikanische Verhältnisse ist im Amt. Das Pendel scheint, so ein bisschen in die andere Richtung zu gehen. Das ist auch naturgemäß, dass das hin- und hergeht, nicht nur in den Vereinigten Staaten, aber da auf jeden Fall. Wenn sich die USA in bestimmten Bereichen nach deutschem Verständnis, in bestimmten Punkten konservativer ausrichten werden, wird es dann zunehmend schwieriger werden, hier in Deutschland für Verständnis für Auffassungen oder politische Haltungen bei den Amerikanern zu sorgen?
    Hardt: Das sehe ich zunächst mal nicht. Ich glaube, dass die beiden Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus und im Senat jetzt konstruktiv mit dem Präsidenten an bestimmten politischen Themen arbeiten werden. Es werden beide Seiten ihre Kernprojekte möglicherweise komplett oder teilweise durchsetzen können in Form von Paketlösungen. Es wird keine Blockade geben und aus unserer Sicht ist ja insbesondere wichtig, dass Amerika wirtschaftlich und auch finanzpolitisch stark bleibt, damit wir diesen Partner an unserer Seite haben. Auch für unseren Export ist enorm wichtig, dass in Amerika die Wirtschaft boomt. Und das ist im Augenblick unter dem Präsidenten, der ja bei dieser Wahl doch stark gescholten wurde, eindeutig der Fall. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat eigentlich eine gute ökonomische Bilanz vorzuweisen, auch was die Zahl der Arbeitsplätze angeht. Die Bürger haben das nicht honoriert, weil möglicherweise das Delta zwischen Erwartung und dessen, was er von diesen Erwartungen im Bereich der gesellschaftlichen Veränderungen erfüllen konnte, zu groß ist. Aber generell glaube ich, dass es so weitergeht, dass Amerika eine wirtschaftlich und politisch starke Macht bleibt. Das ist in unserem Interesse.
    Klein: ..., sagt Jürgen Hardt, der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen, Herr Hardt, für dieses Gespräch.
    Hardt: Auf Wiederhören, Frau Klein!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.