"Der Westen und die arabischen Staaten müssen im Kampf gegen den Extremismus stärker zusammenarbeiten." Mit dieser zentralen Forderung trat Udo Steinbach, der lange Jahre Direktor des Deutschen Orient-Instituts war, bei einer internationalen Tagung zu den deutsch-arabischen Beziehungen im Wüstenstaat Katar auf. Deutschland sieht Steinbach dabei in einer führenden Rolle - und zwar aus historischen Gründen.
Udo Steinbach sieht Schlüsselrolle Deutschlands
Die deutschen Beziehungen zur arabischen Welt reichten weit in die Geschichte zurück bis zu Karl dem Großen im 8. Jahrhundert, erklärte er in Doha, der Hauptstadt des kleinen, aber sehr reichen Emirats. Die Substanz dieser Beziehungen wirke bis heute fort. Und das nicht nur auf politischer Ebene, wie weitere Tagungsteilnehmer bestätigten und betonten: Der Islamwissenschaftler und Schriftsteller Stefan Weidner fügte hinzu, der deutsch-arabische Kulturaustausch sei heute so intensiv wie nie zuvor in der Geschichte.
Wer allerdings in der arabischen Welt über internationale Beziehungen reden will, kommt - insbesondere wenn Deutsche als Akteure eingebunden sind - an einem brisanten Thema nicht vorbei: der Nahostkonflikt. Mohammed Alahmari: Müssen Araber indirekt für NS-Verbrechen büßen?Mohammed Alahmari, Präsident des gastgebenden Forums für Arabische und Internationale Beziehungen, hielt der israelischen Regierung Staatsterrorismus vor und verlangte unter Verweis auf die Anschläge in Paris von der Staatengemeinschaft, für einen gemeinsamen Kampf gegen Terror erst einmal eine gemeinsame Definition von Terror vorzulegen. Zugleich unterstellte er Deutschland angesichts der Geschichte eine zu große Nähe zu Israel und stellte unter Hinweis auf den Holocaust und die Gründung des jüdischen Staates die Frage in den Raum, wieso die arabische Welt für die Verbrechen der Nationalsozialisten büßen müsse?Alahmaris Kritik, von einer gewissen Wut, aber auch einem gewissen Frust gezeichnet, blieb nicht unwidersprochen. Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, verlangte eine differenziertere Sichtweise. Insbesondere die deutschen Bundesregierungen seien in der Vergangenheit immer bestrebt gewesen, hob Hanning hervor, als "ehrliche Makler" aufzutreten: "Ich versichere Ihnen, die deutsche Bundesregierung unterstützt nicht unkritisch die Politik Israels." Trotz der konträren Auffassung gestand der BND-Chef ein, Fortschritte im Palästina-Konflikt seien dringend nötig. Die Auseinandersetzung strahle auf die ganze arabische Welt aus und belaste die deutsch-arabischen Beziehungen.Katar ein Spiegelbild der WidersprücheDas Emirat Katar ist im Grunde ein Spiegelbild solcher zwiespältigen Haltungen und damit ein durchaus passender Ort für eine solche Tagung, an der der Autor dieses Berichts in seiner Eigenschaft als Islam- und Politikwissenschaftler ebenfalls als geladener Referent teilgenommen hat. Die politische Linie der Vergangenheit ist ein Zickzack-Kurs. Die größte US-Militärbasis der Region ist in Katar, von hier aus durften die Amerikaner den Irak bombardieren, und auch zu Israel gab es immer wieder direkte diplomatische Kontakte. Zugleich gilt das Land als Unterstützer islamistischer Gruppierungen wie der Muslimbruderschaft und selbst der Terrorgruppe IS. Katar versucht bei fast jedem politischen wie gesellschaftlichen Schritt einen Spagat.Islamverständnis wie bei den Saudis - aber Frauen am SteuerIm Land herrscht grundsätzlich das gleiche Islamverständnis vor wie in Saudi-Arabien. Trotzdem fahren Frauen hier Autos und verheiratete Männer in blütenweißem Gewand gehen Hand in Hand mit ihren in schwarzem Ganzkörperschleier gekleideten Frauen spazieren. Katar ist Heimat der mitunter durchaus kritischen TV-Station "Al Jazeera". Im "Qatar Radio" läuft westliche Musik - musikalisch bis zu Linkin Park und inhaltlich bis zu Hoziers' "Take me to church" (zu Deutsch: "Bring mich zur Kirche") - und pünktlich zu den Gebetszeiten wird das Radioprogramm fünfmal am Tag für die Übertragung des Gebetsrufs unterbrochen. Gastarbeiter aus der ganzen Welt sind im Land, machen etwa 80 Prozent der Bevölkerung aus, aber ihr Schicksal interessiert die meisten Einheimischen nicht, selbst wenn immer wieder Arbeiter auf den vielen Baustellen im Land etwa für die Fußball-WM 2022 ums Leben kommen, was im Deutschlandfunk regelmäßig Thema ist. Auch im Alltag gehen viele Kataris auf Distanz, bleiben unter sich - geben sich wie Kolonialherren im eigenen Land.Pegida trübt das positive Deutschland-BildZwiespältig ist derzeit auch das traditionell eher gute Bild von Deutschland in Katar und dem Rest der arabischen Welt. Das liegt vor allem an den Pegida-Demonstrationen, die aufmerksam beobachtet werden. August Hanning versuchte die Gastgeber zu beruhigen: "Pegida vermittelt das Bild, Deutschland sei islamfeindlich. Aber das stimmt nicht!" Auch andere Konferenzteilnehmer bemühten sich um ein differenziertes Bild. So wies der frühere Präsident der Philipps-Universität Marburg, Volker Nienhaus, in einem Vortrag über Islamisches Bankwesen darauf hin, dass einstige Vorbehalte der deutschen Politik gegen diese Form der religiös konformen Geldgeschäfte inzwischen abgeflaut seien. Er gehe davon aus, dass bald ein islamisches Finanzinstitut in Deutschland an den Markt gehen werde, betonte Nienhaus. Die Direktor des Zentrums für Türkeistudien in Essen, Haci-Halil Uslucan, wiederum ging in Doha auf den Vorwurf ein, das Ausland, insbesondere die Türkei mische sich zu stark in die Angelegenheiten der Muslime ein: Der Einfluss auf die Deutsch-Türken sei in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, unterstrich er.Aiman Mazyek lobt die klare Haltung der BundeskanzlerinSchließlich würdigte Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, in Doha die klare Positionierung der deutschen Politik. Kanzlerin Merkel habe zweimal innerhalb einer Woche betont, dass der Islam Teil Deutschlands sei und trotzdem stellte sich kaum Widerstand ein. Deutschland schlafe nicht, versicherte Mazyek, wenn es um das Gefährlich am rechten Rand gehe. Mazyek äußerte sich zugleich vor dem Hintergrund der Anschläge auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" und den jüdischen Supermarkt in Paris zur Fragen der Abwehr gewaltbereiter salafistischer Bestrebungen. Der ZMD-Vorsitzende regte an, jede Moscheegemeinde in Deutschland sollte für die Zukunft einen Beauftragten für den Kampf gegen Extremismus benennen. Der Islamwissenschaftler Thorsten Gerald Schneiders hat zuletzt das Buch "Salafismus in Deutschland: Ursprünge und Gefahren einer islamisch-fundamentalistischen Bewegung, Bielefeld 2014" herausgegeben. Schneiders ist Redakteur in der Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks.