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Deutsch-chinesische Zusammenarbeit
"Win-win-Situation je nach Sektor"

Bundeskanzlerin Merkel hat die Regierungskonsultationen mit China als "fruchtbringend" bezeichnet. In der Tat könnten beide Länder von einander lernen, sagte Wirtschaftsexpertin Kristin Shi-Kupfer im DLF. Das gelte jedoch nicht für alle Sektoren.

Kristin Shi-Kupfer im Gespräch mit Marina Schweizer |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt am 10. Oktober 2014 den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang zu den deutsch-chinesischen Gesprächen in Berlin.
    Der Konkurrenzdruck aus China auf deutsche Firmen steigt. (AFP PHOTO / Tobias Schwarz)
    Marina Schweizer: Es seien sehr fruchtbringende und konstruktive Gespräche gewesen, so lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Regierungskonsultationen mit China heute. Die Wortwahl deutet schon darauf hin, auf was das Treffen abzielt. Beide Länder wollen noch mehr Früchte ernten von der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Das Dauerthema, die Menschenrechtssituation in China, wurde zwar angesprochen, aber nach der Pressekonferenz der Regierungschefs wurde klar: Die Wirtschaft bleibt die tragende Säule im Verhältnis zwischen Deutschland und China.
    Bei dem Treffen hat die aktuelle Lage in Chinas Sonderverwaltungszone Hongkong eine Rolle gespielt. Nicht nur in Berlin ist man besorgt, denn nach einer Beruhigung der Lage sieht es in Hongkong momentan nicht aus. Wieder haben heute Tausende Menschen für mehr Demokratie demonstriert. Das sind die ersten größeren Proteste seit dem vergangenen Wochenende - eine Reaktion darauf, dass die Regierung Gespräche mit Studentenvertretern abgesagt hat.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich auch schon vor den Gesprächen mit China zu den Protesten geäußert. Sie hoffe auf eine besonnene Reaktion der Polizei. Die Aussage von Chinas Premierminister Li darauf heute: Die chinesische Regierung werde die legitimen Interessen aller ausländischer Investoren in Hongkong rechtmäßig schützen.
    Er bezieht sich also explizit auf die Wirtschaft und die Investoren. Und über die politische wie wirtschaftliche Partnerschaft zwischen Deutschland und China habe ich vor der Sendung mit der Sinologin und Politikwissenschaftlerin Kristin Shi-Kupfer gesprochen. Sie arbeitet am Mercator Institute for China Studies. Meine erste Frage an Sie: Wie ernst nimmt man denn in China, was Deutschland auch auf der gesamtpolitischen Ebene zu sagen hat?
    Kristin Shi-Kupfer: Das abgeschlossene Innovationsabkommen hat in der Tat unterschiedliche Zielsetzungen für beide Seiten. Es geht natürlich um technologische Zusammenarbeit, auch gerade in Bereichen, in denen Deutschland und China voneinander lernen können, auch gemeinsam daran arbeiten können, jetzt Industrie 4.0 beispielsweise oder auch den ganzen Sektor Gesundheitswesen. Aber in der Tat: Deutschland hat auch versucht, in diesem Investitionsabkommen Bereiche unterzubringen wie beispielsweise Innovation auch im gesellschaftlichen Sinne, im Bildungssinne, die ihr wichtig sind.
    Schweizer: Können Sie da ein paar Beispiele nennen?
    Shi-Kupfer: Ganz konkret auch um Bildungssysteme, die kreativ natürlich sein sollen, die sicherlich in gewisser Art und Weise - ich denke, das ist intendiert - einen Meinungspluralismus, eine kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Stimmen fördern sollen.
    Innovation ist ein kreativer Prozess
    Schweizer: Also versucht Deutschland, da China so ein bisschen auch den Stempel der westlichen Welt aufzudrücken?
    Shi-Kupfer: Deutschland versucht, sicherlich deutlich zu machen, dass Innovation ein kreativer Prozess ist, der auch über Technologien hinausgeht, auch so etwas braucht wie unterschiedliche Stimmen, freie Meinungsäußerung, Kritikfähigkeit, damit auch nachhaltige Innovation entstehen kann.
    Schweizer: Lässt sich China da reinreden?
    Shi-Kupfer: Das bleibt sicherlich abzuwarten, weil das natürlich Bereiche sind, die tendenziell dann auch im politischen Sinne Chinas den Anspruch, auch das Meinungsmonopol beispielsweise, auch den Bildungsanspruch - Stichwort patriotische Bildung, der der chinesischen Regierung nach wie vor sehr wichtig ist - natürlich herausfordert.
    Es bleibt aus meiner Sicht noch abzuwarten, ob dieser Rahmenplan, der es ja jetzt auch ist, wie Bundeskanzlerin Merkel betont hat, wie das dann tatsächlich umgesetzt wird und ob das auch in den Bereichen Bildung beispielsweise dann die gewünschten Prozesse initiiert.
    Schweizer: Die Bundeskanzlerin hatte ja auch schon vorher betont, dass sie jetzt auf diesem Treffen über Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sprechen wollte. Wie klein oder wie groß ist denn der Spielraum für Deutschland bei solchen Gesprächen?
    Shi-Kupfer: Ich denke, zum einen haben da Deutsche und China offensichtlich einen ganz guten Modus gefunden. Bundeskanzlerin Merkel kann und spricht ja diese Themen auch immer wieder an, allerdings etwas zurückhaltend, oft nicht so, dass sie das dann auch direkt an die Medien weitergibt. Das ist sicherlich eine Seite, die China auch in gewisser Art und Weise schätzt.
    Auf der anderen Seite muss man sagen, dass jüngst die Bemühungen beispielsweise von Angela Merkel, was die Ausreise von Ai Weiwei angeht, dass er hier die Ausstellung, die ja in Berlin war im Martin-Gropius-Bau, besuchen kann, dass die nicht auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
    Schweizer: Also ist China vielleicht gar nicht so sehr auf Deutschland angewiesen, als dass es da den Forderungen immer entspricht?
    Shi-Kupfer: Angewiesen sicherlich schon im wirtschaftlichen Bereich. China möchte natürlich deutsche Technologien nach China bringen und diese auch nutzen. Auf der anderen Seite sind solche politischen Bereiche aus dem chinesischen Verständnis heraus interne Angelegenheiten und sind jetzt nicht verhandelbar in bilateralen Beziehungen.
    Keine wirkliche Alternative zum chinesischen Markt für deutsche Firmen
    Schweizer: Es wurde ja heute immer wieder betont, wie sehr man sich gegenseitig brauche. Wie sehr braucht denn Deutschland China momentan?
    Shi-Kupfer: China ist für Deutschland nach wie vor ein sehr wichtiger Wirtschaftspartner, ein wichtiger Exportmarkt, auch ein wichtiger Importpartner. Aus wirtschaftlicher Sicht auch für die Arbeitsplätze hier, die dadurch geschaffen werden, ist China sicherlich für viele Sektoren nach wie vor unverzichtbar. Auch wenn jüngst ja deutsche Firmen in einzelnen Sektoren gesagt haben, sie halten sich etwas zurück, gerade was den Ausbau ihrer Aktivitäten in China angeht, gibt es aber sicherlich im Moment für den chinesischen Markt für viele deutsche Firmen keine wirkliche Alternative.
    Schweizer: Woran liegt das denn, dass die deutschen Firmen sich da so ein bisschen zurückziehen?
    Shi-Kupfer: Sie haben wiederholt angesprochen die Probleme des Marktzuganges, auch die Gleichbehandlung bei öffentlichen Ausschreibungen, auch den Schutz geistigen Eigentums, und jüngst in der Tat auch ein verlangsamtes Internet beziehungsweise auch Schwierigkeiten, was Lizenzierung von bestimmten Softwaren angeht, Verschlüsselungsprogramme, mit denen man Geschäftsverkehr, Geschäftsgeheimnisse, möglicherweise auch bestimmte Zahlen per E-Mail dann verschlüsselt und sicher zwischen China und Deutschland hin- und herschicken kann.
    Vermehrte Konkurrenz aus China
    Schweizer: Wenn ich das richtig verstehe: Die Firmen sehen in China mittlerweile oder in den chinesischen Firmen teilweise auch eine Gefahr für ihr eigenes Standing?
    Shi-Kupfer: In der Tat. In letzter Zeit sind chinesische Firmen auch in Bereichen aktiver geworden, wo deutsche Unternehmen bislang eine Pionierstellung hatten in China. Wir haben das jetzt jüngst gesehen im Automobilbereich beziehungsweise was Zulieferbetriebe da angeht. Ein zweiter Bereich sind sogenannte Software-Lösungen oder im weiteren Sinne auch IT-Technologien. Das sind traditionell Bereiche gewesen, wo deutsche Unternehmen sehr erfolgreich waren in China, und da merkt man jetzt, dass doch die chinesischen Unternehmen vermehrt auch zu Konkurrenten werden.
    Win-win-Situation je nach Sektor
    Schweizer: Also geht diese Win-win-Partnerschaft für beide Seiten zu Ende?
    Shi-Kupfer: Sie wandelt sich je nach Sektor. Wir haben nach wie vor durchaus Bereiche, wo die beiden Länder voneinander lernen können und wo sie auch gut zusammenarbeiten, wie in dem Innovationsabkommen auch klar geworden ist. Viele Bereiche, Industrie 4.0, Gesundheitswesen, Landwirtschaft, auch Urbanisierungstechnologien, das sind sicherlich viele Fragen, wo man auch zusammenkommt, wo es dann natürlich oftmals auch darum geht, dass deutsche Technologie auf den chinesischen Markt exportiert werden kann. Aber das betrifft sicherlich nicht alle Sektoren.
    Schweizer: ... , sagt Kristin Shi-Kupfer vom Mercator Institut for China Studies. Sie leitet dort den Forschungsbereich Gesellschaft und Medien.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.