Silvia Engels: Über beide Gäste, Trump und Merkel, sprach ich vor der Sendung mit Andreas Jung. Er sitzt für die CDU im Bundestag und ist Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe. Zunächst ging es um das deutsch-französische Treffen. Frage an ihn: Möglicherweise soll es gemeinsame Rüstungsprojekte geben und in irgendeiner Form soll die europäische Währungsreform weiterentwickelt werden. Etwas dürftige Ergebnisse, oder?
Andreas Jung: Ich finde, es kommt gar nicht in allererster Linie auf die zählbaren Ergebnisse an, sondern ganz wichtig ist auch der Geist, in dem dieser Ministerrat stattgefunden hat. Man stellt fest, auch wenn man sieht, wie Angela Merkel mit Emmanuel Macron umgeht, da stimmt die Chemie, und das ist Gold wert für die deutsch-französischen Beziehungen. Das ist wichtig für die Fortschritte in Europa und das ist die Grundlage jetzt für die Zusammenarbeit. Und ich denke, es konnten jetzt erste Punkte vereinbart werden, auf die man dann aufbauen kann.
"Bedauerlich, dass wir hier noch mehr Zeit verlieren"
Engels: Interessant ist ja neben den Punkten, die besprochen wurden, vor allen Dingen, wovon Macron mittlerweile wieder abrückt, nämlich von einer europäischen Steuer auf Finanztransaktionen. Hier will er nun abwarten, wie sich der Brexit entwickelt. Sie haben das im Vorfeld kritisiert. Was ist so schlimm an Abwarten?
Jung: Ich finde es bedauerlich, dass wir hier noch mehr Zeit verlieren. Man ist da jetzt schon lange dran und auf der Strecke werden es eher weniger Partner statt mehr. Es hat überhaupt nur eine Chance dann, wenn Deutschland und Frankreich hier eng zusammenarbeiten. Das war geplant und deshalb ist es jetzt schade, dass wir noch mal Zeit verlieren werden, auch wenn Emmanuel Macron das heute relativiert hat, ihm würde es jetzt darum gehen, die Entwicklung abzuwarten. Man kann hoffen, dass es am Ende dazu führt, dass es doch noch eine gemeinsame Initiative und ein gemeinsames Vorangehen der Partner in Europa dafür gibt.
"Wichtig ist, dass man am Ende wieder zusammenkommt"
Engels: Wie erklären Sie sich die neue Zurückhaltung Macrons in diesem Punkt?
Jung: Er geht ja davon aus, dass das im Zusammenhang steht mit einem ganzen Paket, das damit zu tun hat, dass Paris wirbt um Banken, die sich für den Standort Paris entscheiden könnten, wenn sie von London wegen dem Brexit weggehen. Das ist erst mal legitim und da ist es auch möglich, dass es ein Wettbewerb gibt zwischen Paris und Frankfurt wie auch anderen europäischen Städten. Das mag der Hintergrund sein. Wichtig ist, dass man am Ende wieder zusammenkommt.
"Eine neue Dynamik in Europa möglich"
Engels: Aber kann das ein Beispiel werden, dass jetzt doch langsam wieder anfangen, nationale Interessen im Vordergrund zu stehen, also Paris interessiert sich für Banken und das setzt sich dann vielleicht fort, wenn man auch über europäische Reformvorhaben spricht?
Jung: Das würde ich so nicht sehen, weil abgesehen von diesem Punkt es doch so ist, dass man gerade bei den europäischen Reformvorhaben doch jetzt erstaunliche Entwicklungen hat und auch ein Ergebnis dieses Gipfels ist, dass man hier gemeinsam voranschreiten möchte.
Macron hatte hier ja Vorschläge gemacht, Angela Merkel hat jetzt erklärt, dass sie offen ist für Vorschläge nach einem europäischen Finanzminister, einem europäischen Haushalt, einer Stärkung der Eurozone und dass Deutschland und Frankreich hier gemeinsam konkrete Vorstellungen entwickeln wollen, und das zeigt doch, dass mit der Wahl von Macron, der Betonung der deutsch-französischen Partnerschaft hier eine neue Dynamik in Europa möglich ist, und die ist auch nötig.
Engels: Aber die Dynamik wird warten müssen bis zur Bundestagswahl, oder?
Jung: Es sind ja jetzt ganz konkrete Dinge vereinbart worden. Emmanuel Macron hat mit Blick auf die Verteidigungsfragen von einer friedlichen Revolution gesprochen und es ist ja nun schon etwas Bemerkenswertes, dass Deutschland und Frankreich jetzt gemeinsam Rüstungsgüter beschaffen, Produkte entwickeln wollen, dass man eine ganz enge Zusammenarbeit vereinbart hat in gerade dieser Frage, die traditionell doch eine nationale Hoheitsfrage war, und es zeigt doch, dass man gemeinsam auch auf die Unsicherheit, was wird aus Trump, wie müssen wir Europäer uns darauf einstellen und selbst mehr Verantwortung übernehmen, dass man darauf Antworten gibt.
Das sind, finde ich, wichtige Ergebnisse dieses Gipfels, die dann im Zusammenhang stehen auch mit einem gemeinsamen stärkeren Engagement in der Entwicklungshilfe. Ganz konkret wurde die Sahelzone in den Blick genommen einerseits und die Terrorismusbekämpfung andererseits.
Das zeigt, man wartet nicht bis zur Bundestagswahl; man geht jetzt die Projekte an, die möglich sind. Und für die europäischen Reformprojekte, Bundestagswahl hin oder her, da braucht man natürlich mehr Zeit.
"Richtig, dass man mit Trump im Gespräch bleibt"
Engels: Sie sprachen eben Donald Trump an. Später hat ja Macron den US-Präsidenten getroffen, denn der ist heute ebenfalls in Paris angekommen. Und anschließend sagten beide, man plane in den nächsten Wochen eine gemeinsame Initiative zu Syrien, möglicherweise weitere Waffenstillstände. Erwarten Sie hier auch eine engere militärische Zusammenarbeit zwischen Washington und Paris?
Jung: Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt, glaube ich, nicht verlässlich beantworten. Ich halte es für richtig, dass man mit Trump im Gespräch bleibt. Das ist ja auch die Haltung der Bundesregierung. Und insofern ist es nachvollziehbar, dass auch Emmanuel Macron mit Trump nicht nur diese Begegnung hat, sondern über die Projekte, wo eine Zusammenarbeit möglich ist, spricht. Das sind gerade diese außenpolitischen Themen. Auf der anderen Seite hat er sich ja so klar wie auch die Bundesregierung positioniert in der Klimapolitik. Er hat ja frontal Donald Trump nach dessen Lossagen von dem Pariser Abkommen entgegengehalten, "make our planet great again", und insofern, glaube ich, ist auch der Dialog von Macron mit Trump ein Bestandteil der europäischen Partnerschaft.
Engels: Auf der anderen Seite hat Macron aber heute auch gesagt in der Pressekonferenz, er respektiere, dass Washington zunächst aus dem Klimaschutzabkommen ausgestiegen sei. Ist das hier jetzt wieder der Versuch, konziliant zu agieren?
Jung: Na ja. Er hat in Hamburg zu den 19 gehört, die ganz eindeutig erklärt haben, dass das Klimaabkommen nicht nur richtig ist, sondern dass es auch unverhandelbar ist, dass man den Forderungen der USA, jetzt müsse man das noch mal aufschnüren, nicht nachkommen wird. Deshalb ist das eine, das zu respektieren, aber das andere – und auch das hat er betont – der dauernde Versuch, die USA doch wieder zum Mitmachen zu bewegen und hier für gemeinsame Initiativen zu gewinnen und am Ende doch wieder gemeinsam gegen den Klimawandel zu kämpfen. Das ist für ihn und für uns in Europa eine ganz wichtige Frage.
"Es gilt für beide, man will im Gespräch bleiben"
Engels: Ist es generell geschickt, dass Angela Merkel auf Distanz zu Trump bleibt, während Emmanuel Macron sich heute sichtbar um einen Gesprächsdraht bemüht hat?
Jung: Ich würde da überhaupt gar nicht so eine Differenz sehen. Die Franzosen sind in Vorbereitung des 14. Julis. Da stehen in diesem Jahr in besonderer Weise die amerikanischen Soldaten im Mittelpunkt, die im Ersten Weltkrieg an Seite der Franzosen gekämpft haben. Deshalb ist nachvollziehbar, dass er jetzt hier den Kontakt sucht.
Ich würde da nicht eine Differenzierung machen. Es gilt für beide, man will im Gespräch bleiben, und es gilt aber ja auch für beide, dass man ganz klar dort Kante zeigt, wo es um europäische Interessen und gemeinsame Werte geht und wo man die gefährdet sieht durch Aussagen oder Handeln von Donald Trump.
Engels: Andreas Jung, für die CDU im Bundestag und Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe. Vielen Dank für das Gespräch.
Jung: Ich bedanke mich herzlich.
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