Jede Französin, jeder Franzose in Deutschland wird derzeit zum Experten seines Landes. Warum gerade bei euch? Diese Frage müssen die französischen Schüler beantworten, die derzeit mit einem Programm des Deutsch-Französischen Jugendwerks in deutschen Familien sind.
"Die sind nicht unbedingt vorbereitet, über die Situation in ihrem Land zu reden. Und die müssen wir jetzt erreichen und ihnen die Möglichkeit geben, sich eine eigene Meinung zu bilden, also es ist eine Lawine, die auf uns gekommen ist", sagt Beatrice Angrand, Generalsekretärin des Deutsch-Französischen Jugendwerks. Warum gerade Frankreich? Über diese Frage hat auch Ann-Charlotte Trapp in den letzten Tagen viel nachgedacht. Die 20Jährige studiert Politik in Freiburg und Aix-en-Provence, macht gerade ein Praktikum im Deutsch-Französischen Jugendwerk. Natürlich liegt es an der französischen Außenpolitik, sagt sie, "und vielleicht auch daran, dass die Integrationspolitik in Frankreich nicht so gut geklappt hat, dass dadurch auch ein gewisser Hass entstehen kann."
Budget soll umgeschichtet werden
Hier will auch das deutsch-französische Jugendwerk ansetzen. Das nicht kleine Budget von 24,8 Millionen Euro jährlich soll teilweise umgeschichtet werden. Themen wie Vielfalt, Umgang mit der Religion oder auch die Geschichte der beiden Länder sollen in den Mittelpunkt rücken. Außerdem will das Jugendwerk noch stärker als bislang weg von den Wohlfühlprogrammen für Bildungsbürgerkinder hin zu Projekten für benachteiligte Jugendliche.
"Was wir fördern möchten, ist soziale Vielfalt, und es ist natürlich die Herausforderung, dass wir die Strukturen finden, die das fördern möchten."
So will das Jugendwerk mehr mit kleinen Vereinen und Stadtteil-Initiativen kooperieren. Diese haben den Zugang zu benachteiligten Jugendlichen, der uns fehlt, sagt Generalsekretär Markus Ingenlath:
"Wir wollen gezielt mit den Organisationen und mit den Einrichtungen, die heute schon mit ihnen zusammenarbeiten, in Kontakt treten. Diese Einrichtungen, gerade in der Sozialarbeit, haben oft wenig internationale Erfahrung. Das ist das, was wir ihnen anbieten können. Und sie können uns Zugänge zu den jungen Menschen schaffen."
Austausch zwischen Stadtteilmüttern
Bereits seit einigen Jahren fördert das Jugendwerk einen Austausch zwischen Stadtteilmüttern aus Berlin und Paris - Frauen aus migrantisch geprägten Familien, die in ihren jeweiligen Kiezen verankert sind und so Einblicke in die Milieus haben, die abgeschottet von der Mehrheitsgesellschaft leben.
Nach den Anschlägen stellen wir viele Fragen an uns und unsere Arbeit, sagt Generalsekretärin Beatrice Angrand:
"Wie können wir mehr junge Menschen erreichen, die vielleicht verzweifelt sind und wie können wir mit denen zusammenarbeiten über Werte, Dialoge führen zum Thema Frieden und Kultur."
So hat sich das Deutsch-Französische Jugendwerk eine Quote verordnet - von fünf Jugendlichen, die an den Programmen teilnehmen, soll mindestens einer aus einer benachteiligten Familie stammen.