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Deutsch-französisches Parlamentsabkommen
"Diese Bilateralität ist ein gewisser Anachronismus"

Die Deutsch-Französische Versammlung ist heute erstmals in Paris zusammengetreten. Grundsätzlich sei ein Austausch beider Länder positiv, sagte der AfD-Abgeordnete Harald Weyel im Dlf. Viele Probleme seien inzwischen aber global zu sehen und bedürften keiner bilateralen Klärung mehr.

Harald Weyel im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
An im Kreis angeordneten Tischen sitzen zahlreiche Abgeordnete. An der Wand sind deutsche, französische und europäische Flaggen drapiert.
In Paris tagt zum ersten Mal die französisch-deutsche Parlamentsversammlung. (AFP/KENZO TRIBOUILLARD)
Tobias Armbrüster: Es wird ein erstes Mal heute sein in Paris, denn in der französischen Hauptstadt trifft sich heute zum ersten Mal die sogenannte deutsch-französische Versammlung. Das ist ein Gremium, das sich aus Abgeordneten aus beiden Ländern zusammensetzt, aus dem Bundestag und aus der Nationalversammlung in Paris.
Zu den 50 deutschen Abgeordneten darin zählt auch der AfD-Abgeordnete Harald Weyel. Im Bundestag ist er Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union. Jetzt ist er hier bei uns am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr Weyel!
Harald Weyel: Einen schönen guten Morgen.
Harald Weyel (AfD) spricht in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. Hauptthemen der 74. Sitzung der 19. Legislaturperiode
Grundsätzlich ist ein Austausch positiv, hier hat aber manches den Charakter des Anachronismus, sagt Harald Weyel (Bernd von Jutrczenka/dpa)
Armbrüster: Herr Weyel, ist das ein guter Tag für die deutsch-französische Zusammenarbeit?
Weyel: Nun ja, von der Wetterlage her überwiegend sonnig, und der Rest solcher Veranstaltungen wohl auch. Es ist ja nun eine festliche Geschichte, als solche anberaumt. Was inhaltlich dahinter steckt, steht auf einem anderen Blatt.
"Inhaltlich wird nicht so viel passieren"
Armbrüster: Was meinen Sie denn? Was könnte da inhaltlich passieren?
Weyel: Ja nun, einziger Tagesordnungspunkt ist die Wahl eines Vorstandes, wobei unsererseits auch bei den Franzosen jeder Partei, jeder Fraktion, die in der Assemblée Nationale einerseits oder im Bundestag vertreten ist, ein Sitz zusteht. Außer der Rede der Präsidenten wird inhaltlich nicht so viel passieren.
Armbrüster: Das ist aber die feierliche Eröffnung. Danach folgt ja zweimal im Jahr ein regelmäßiges Treffen dieser Abgeordneten. Ist das eine gute Sache, so ein Austausch unter deutschen und französischen Abgeordneten?
Weyel: Grundsätzlich ist jeglicher Austausch, ob zwischen Abgeordneten oder Normalbürgern, sehr positiv zu sehen. Aber man muss hier in diesem Fall auch sehen, dass manches den Charakter eines Anachronismus hat.
Armbrüster: Das müssen Sie uns genauer erklären. Warum?
Weyel: Der erste Elysée-Vertrag ist ja nun 56 Jahre alt und so ganz mit Leben gefüllt wurde er danach auch nicht, und es wurde auch mehrfach nachgelegt, 1988 und dann auch 2013, die deutsch-französischen bilateralen Ministerräte etc., nicht nur im Bereich Verteidigung. Die gibt es ja schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, und die Frage ist, was jemals dabei herausgekommen ist an sichtbaren Dingen, die sich nicht unterschieden haben beziehungsweise nicht zustande kamen, oder sich unterschieden von dem, was in der EU multilateral vereinbart wurde.
Eine Französisch-deutsche Extrawurst
Armbrüster: Herr Weyel, wenn ich Sie jetzt so höre, dann könnte ich die Schlussfolgerung ziehen, dann ist es ja eigentlich eine positive Entwicklung, dass man genau diese Verträge jetzt endlich mit Leben füllt und dass man zumindest dafür sorgt, dass sich nicht nur Minister ständig treffen, sondern auch einfache Abgeordnete regelmäßig miteinander austauschen – in Paris und in Berlin.
Weyel: Es ist zunächst ein großer Widerspruch zu dem, was man in Brüssel restriktive Straßburg im Europäischen Parlament veranstaltet. Diese Bilateralität ist insofern ein gewisser Anachronismus. Er ist zwar den Buchstaben und dem Geiste nach geöffnet. Andererseits ist es aber doch eher die deutsch-französische, oder ich sage besser französisch-deutsche Extrawurst.
Armbrüster: Das heißt, man sollte dieses Verhältnis, alle offenen Fragen, die zwischen Deutschland und Frankreich noch zu klären sind, besser im Europaparlament klären? Verstehe ich Sie da richtig?
Weyel: Ich weiß jetzt nicht, was da nun bilateral noch der großen Klärung bedarf. Die Probleme sind ja nun erklärtermaßen global, auf jeden Fall grenzüberschreitend, und wir haben ja nicht nur mit Frankreich eine Grenze und Europa hat auch nicht nur das deutsch-französische Verhältnis, was zwar zunächst mal ein Kern war von der Genealogie her, aber was doch deutlich erweitert werden muss. Das ist in Gefahr gebracht durch diese Zweisamkeit.
Armbrüster: Gut, Herr Weyel. Das haben wir jetzt allerdings gerade im Beitrag gehört. Da gibt es ja durchaus einige Themenfelder, die von den Abgeordneten noch bearbeitet werden können. Beide Länder haben eine sehr lange Grenze, da gibt es immer wieder Streitigkeiten – nicht unbedingt um den Grenzverlauf, sondern einfach in der Bürokratie, in der Abwicklung, im Grenzverkehr. Es gibt außerdem viele andere Dinge, die den Handel zwischen Deutschland und Frankreich betreffen. Es sind ja zwei durchaus verwobene Länder. Sie gelten außerdem als Motor in der Europäischen Union. Deshalb noch mal die Frage: Macht es da nicht Sinn, dass sich beide Länder, jetzt mal abgesehen von der Europäischen Union, wo sie ja sowieso regelmäßig zusammentreffen, durchaus stärker vernetzen mit ihren Abgeordneten?
Weyel: Noch mal: Es ist eher eine Doppelung und, wenn man es nun ernst nehmen würde, eine Entmachtung der jeweiligen nationalen gewählten Parlamente, indem man da noch eine Instanz darüber schafft, die aber de facto nicht wirklich etwas entscheiden kann. Nach wie vor bedarf es der nationalen Ratifizierung beziehungsweise Aufnahme dieser Initiativen.
Wenn wir von grenzüberschreitender Zusammenarbeit reden, da möchte ich doch mal anführen das Beispiel der europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, die es seit Jahrzehnten gibt als Rechtsform, die insbesondere im deutsch-französischen Verhältnis eine Rolle spielen sollte. Das fast einzige, was sich daraus ergeben hat, ist der Fernsehsender ARTE, der nun auch wenig mit privater Initiative zu tun hat, sondern eher mit Staatsfunk im wahrsten Sinne des Wortes.
Konkurrenzveranstaltung, die Energie und Kräfte bindet
Armbrüster: Ich schätze mal, da würden Ihnen jetzt einige Außenpolitiker aus beiden Ländern deutlich widersprechen, dass es da durchaus noch etwas mehr gibt an Gemeinsamkeiten und an gemeinsamen Projekten. – Sie haben gerade das Stichwort Entmachtung des Bundestages genannt. Sie haben aber auch gesagt, dieses neue Gremium wird keine Beschlüsse fassen können. Das ist ja tatsächlich der Fall. Es hat diese Autorität nicht. Was ist es nun? Ist es nun ein Konkurrent für den Bundestag, oder ist es das nicht?
Weyel: Es ist letzten Endes insofern eine Konkurrenzveranstaltung, als es Zeit, Energie und Kräfte bindet, und das vor dem Hintergrund einer Versöhnung, die eigentlich schon lange stattgefunden hat. – Ich möchte in dem Zusammenhang auch die Theorie der Nachkriegszeiten von Peter Sloterdijk erwähnen, die von 2008 stammt, wo der Begriff der Metanoia vorkommt, der Umkehr, des Gesinnungswandels. In Europa und insbesondere auch im deutsch-französischen Verhältnis kann man sich dann schon fragen, wer mehr Gesinnungswandel hinter sich gebracht hat. Während Frankreich mit seiner Interessenvertretung doch sich selbst treu geblieben ist, ist eigentlich Deutschland genau das Land, was es da am weitesten treibt bis hin zur Selbstaufgabe.
Armbrüster: Wenn ich Ihnen richtig zuhöre, Herr Weyel, drängt sich bei mir die Schlussfolgerung auf: Da gibt es tatsächlich einiges zu besprechen zwischen Deutschland und Frankreich.
Weyel: Wie gesagt, wir haben ja einen intensiven Austausch, Kulturaustausch, private Bindungen etc., und wir können da wirklich kein wirkliches Neuland betreten. Die Dinge, die man zusammen machen kann, Import/Export, Kulturaustausch, Jugendaustausch, geschehen seit ganz langen Jahren und Jahrzehnten. Das, was da als Hoffnung in den Raum gesetzt ist, militärische Zusammenarbeit insbesondere, was ja nun eine zweischneidige Sache ist, ist ja auch schon wieder konterkariert. Ich mache darauf aufmerksam, dass keine zwei Wochen nach dem Aachener Vertrag, dem Regierungsabkommen, was dem Parlamentsabkommen chronologisch vorangegangen ist, keine zwei Wochen später Frankreich es ablehnte, den Atomschirm auch über Deutschland aufzuspannen. Insofern viel Wind um was eigentlich.
Armbrüster: Die gemeinsame Verteidigungspolitik soll ja ein Thema sein bei diesen Besprechungen. Ist das dann der richtige Ort?
Weyel: Eigentlich nicht. Der richtige Ort ist eher die NATO, und da ist darauf aufmerksam zu machen, dass nun Charles de Gaulle 1967 die NATO aus Paris vertrieben hat. Sie ist dann umgezogen nach Belgien, nach Mons, und 2009 ist sie in die militärische Integration zurückgekehrt. Dass daraus großartige Projekte erwachsen sind, außer dem symbolischen Eurokorps etc., was auch noch nirgends wirklich eingesetzt wurde, obwohl es durchaus Gelegenheiten und Zwänge gegeben hätte, das widerspricht sich selbst. Wir haben diese ganzen symbolischen Akte, wir haben auch die Institutionen, aber sie werden eigentlich nicht wirklich eingesetzt, sondern nur im jeweils nationalen Interesse, und das heißt im französischen.
Armbrüster: Heute tagt in Paris zum ersten Mal die Deutsch-Französische Versammlung. Wir sprachen mit einem der Abgeordneten, der mit in dieser Versammlung sitzt: mit dem deutschen AfD-Abgeordneten Harald Weyel. Vielen Dank für Ihre Zeit!
Weyel: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.