Christos Katsioulis ist einer der deutschen Experten in Griechenland, auf die beide Länder hören können: Er hat griechische Wurzeln, kennt die deutsche Sicht aufs Krisenland genauso gut wie das Innenleben der Krise. Als Beobachter und politischer Forscher beschäftigt sich der Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Athen mit der Frage, warum 315 Milliarden Euro Schulden einem Land fast jede Aussicht auf Besserung nehmen:
"Solange dieser Schuldenberg über Griechenland hängt und solange bestimmte Reformen, wie beispielsweise im Renten- oder Steuersystem, ungelöst bleiben, stehen wir weiter vor der Frage, wie Griechenland jemals wieder auf Wachstumskurs kommen kann."
Kritik an Griechenland stimmt nicht mehr
Die Wirtschaft braucht dafür Impulse von mutigen Unternehmern in anderen EU-Ländern. Brücken bauen zwischen Deutschland und Griechenland - auch eine der Aufgaben des Stiftungsmanns im wohlhabenden Athener Stadtteil Kolonaki. Genauso wichtig, so Katsioulis, aber sei zu erklären, dass die Kritik am angeblich so verschwendungssüchtigen griechischen Volk schon lange nicht mehr stimmt:
"Griechenland nimmt im Moment mehr ein, als es ausgibt. Und da stellt sich diese Regierung aus meiner Sicht auch zu Recht hin und sagt: Wir können den Leuten nicht so viel mehr abpressen, um den Schuldenberg zu bedienen, weil wir sonst unsere Wirtschaft nie in die Lage versetzen zu wachsen."
Unternehmer nicht mutig
Warum aber tun sich auch deutsche Unternehmer immer noch schwer damit, mutig einen neuen Schritt nach Griechenland wagen. Das liegt, sagt Katsoulis, an Griechenlands Strukturen, an einem System, das immer noch krankt:
"Wir haben ein extrem belastendes Steuersystem und wir haben vor allem eine bürokratische Struktur, die es nicht leicht macht, ein Unternehmen zu gründen und viel schwerer macht, ein Unternehmen zu schließen. Das sind die strukturellen Bedingungen, die man auch politisch verändern kann."
Katsioulis beobachtet in Griechenland zwei gefährliche Entwicklungen: Zum einen eine Regierung, die beim Reformieren schwächelt, ein funktionierendes Renten- und Sozialsystem nicht aufgebaut hat. Und so sei auch der einstige Hoffnungsträger Tsipras für vieler seiner Wähler eine riesige Enttäuschung geworden:
"Was Tsipras angerichtet hat mit seiner Regierung ist, dass er im Grunde genommen noch einen größeren Teil der Bevölkerung entfremdet hat vom politischen System. Und das ist das aus meiner Sicht viel gefährlicher als der Umstand, dass viele Menschen mit ihm selbst unzufrieden sind."
"Es gibt keine Sozialhilfe in Griechenland"
Die griechische Regierung muss, so fordert das der Leiter der deutschen SPD-nahen Stiftung in Athen, die soziale Frage konsequenter angehen.
"Es gibt keine Sozialhilfe in Griechenland, es gibt kein Arbeitslosengeld in Griechenland, das heißt, es sind vor allem Arbeitslose, Langzeitarbeitslose, die davon betroffen sind, Familien. Das heißt, wir haben auch ein großes Problem im Bereich der Kinderarmut. Und da ist aus meiner Sicht ein Manko seitens dieser linken griechischen Regierung, die es noch nicht geschafft hat, ein flächendeckendes System einzuführen, mit dem diese Familien unterstützt werden."
Das Geld, das ein besseres Sozialsystem für Griechenland kosten würde, meint Katsioulis auf der anderen Seite, ist immer noch in alten Strukturen begraben, die stärker reformiert werden müssten. Und Geld kann auch aus den Bereichen kommen, wo Griechenlands Wirtschaft wächst: im Tourismus und im Transportwesen.
"Der Logistikknotenpunkt, sprich die Schnittstelle, die Griechenland mit seinen Häfen in einer geografisch idealen Position bieten kann, die kann man stärker ausbauen und das geschieht auch schon, zum Beispiel im Hafen von Piräus. Das kann man aber am Hafen von Thessaloniki, der der Zugang zum gesamten Balkan ist, noch stärker ausbauen.
Doch auch Hoffnung also, dass Griechenland trotz Schuldenberg und schwerer wirtschaftlicher Sorgen die wichtigen Stellschrauben für eine bessere Zukunft noch findet.