Silvia Engels: Im Ringen um die griechischen Schulden reden alle Akteure ständig miteinander, doch eigentlich warten alle auf eine Bewegung der anderen Seite. Die Übergangsregierung wartet darauf, dass die griechischen Parteien den Sparplänen zustimmen, Anleger warten auf eine Einigung beim Thema Schuldenschnitt, die Regierung erwartet Bewegung von der EU-Troika und ganz Europa wartet mittlerweile darauf, dass sich überhaupt irgendetwas tut.
Vorgestern machte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy deutlich, welche nächsten Schritte sie sich zur Bewältigung der Schuldenkrise in Griechenland vorstellt.
O-Ton Angela Merkel: "Es kann keine Einigung geben, wenn die Troika-Vorschläge nicht umgesetzt werden. Sie liegen auf dem Tisch und die Zeit drängt. Und ich unterstütze, genauso wie der französische Präsident das gesagt hat, die Idee, dass man die notwendigen Zinszahlungen für die Schulden auf ein Extrakonto legt, womit gesichert ist, dass Griechenland dieses Geld dann auch beständig bereitstellt."
Engels: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und am Telefon ist nun Martin Knapp, er ist der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer. Er lebt seit Jahrzehnten in Athen, derzeit ist er allerdings in Deutschland. Guten Morgen, Herr Knapp.
Martin Knapp: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Sie haben die Bundeskanzlerin gehört. Was halten Sie von dem Vorschlag, ein Sperrkonto für Griechenland einzurichten, also doch die Souveränität zu beschneiden?
Knapp: Nun, ich nehme an, dass dieser Vorschlag auf griechischer Seite, auch in den Medien, ähnlich negativ aufgenommen wird wie der Vorschlag, einen Sparkommissar nach Griechenland zu schicken. All diese Dinge tragen sicher nicht dazu bei, die Atmosphäre zu verbessern und vor allen Dingen auch die Bereitschaft der Griechen, bei dieser ganzen Lösung des Problems mitzuarbeiten.
Engels: Also ist dieser Vorschlag auch keine gute Idee aus Ihrer Sicht?
Knapp: Es kommt darauf an. Wenn man sich da irgendwie einigen kann mit der griechischen Regierung, dass das dann ein eher technisches Problem oder eine technische Frage wird, dann mag das auch funktionieren. Aber ich bin sicher – und das ist ja auch schon an den ersten Reaktionen abzulesen -, dass das in der Öffentlichkeit sehr negativ aufgenommen wird.
Engels: Dann schauen wir auf den Stand dieser Gespräche. Diese Gespräche finden ja auf mehreren Ebenen statt. Eine Einigung zwischen den griechischen Parteien über ein neues Sparpaket ist bislang nicht zustande gekommen, die Gespräche wurden hier wieder vertagt. Dafür melden die Agenturen, eine Einigung mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt sei fast erreicht. Das haben wir schon mehrfach gehört. Glauben Sie diesmal daran?
Knapp: Nun, irgendwann wird es klappen. Ob es jetzt heute klappt oder morgen, das ist eigentlich zweitrangig. Die Frage ist, klappt es, wird die Schuldenlast etwas erleichtert oder nicht. Ich sage etwas erleichtert, denn es bleibt ja immer noch sehr, sehr viel, und wenn man es auf die private Ebene herunterbricht, ob man als Privatmensch, als Arbeitnehmer, sagen wir mal, eine Million oder zwei Millionen schuldet, ist nicht so essenziell. Tatsache ist, man schuldet mehr, als man bedienen kann.
Engels: Der Schuldenschnitt soll ja 100 Milliarden Euro umfassen, und weil Griechenland noch viel, viel mehr Schulden hat, läuft daraus die Gefahr, dass ein Neustart für Griechenland auch dann nicht möglich ist. Verstehe ich Sie da richtig?
Knapp: Richtig, denn das Entscheidende für Griechenland ist, dass die griechische Realwirtschaft gerettet wird, dass die gesunden Firmen, die Firmen, die wir als den gesunden Kern der griechischen Volkswirtschaft bezeichnen, dass die nicht jetzt von der Krise auch noch erfasst werden. Denn wenn nachher gar nichts mehr funktioniert, wer soll denn dann auf die Dauer in der Lage sein, diese Schuldenlast irgendwann mal abzutragen. Es muss ja etwas erwirtschaftet werden, und leider ist es so, dass es der griechischen Realwirtschaft, also den Unternehmen, an Liquidität fehlt und Investitionen gibt es natürlich auch keine, solange diese Diskussion anhält, ob Griechenland eventuell aus dem Euro aussteigen müsste, denn wer investiert schon irgendwo, wo er, sagen wir, Euros investiert und dann befürchten muss, irgendwann mal eine abgewertete neue Drachme zu bekommen. Das macht niemand, das macht kein Grieche, das macht auch kein Ausländer, und solange diese Diskussion anhält, ist das absolut tödlich für die griechische Volkswirtschaft.
Engels: Halten wir das direkt fest. Gestern hat Bundeskanzlerin Merkel noch einmal betont, sie wolle Griechenland keinesfalls aus dem Euro-Raum drängen. Nun ist auch ab und zu zu lesen, dass in Griechenland viele Menschen überhaupt schon anfangen, darüber nachzudenken, ob nicht doch eine eigene Währung mittelfristig besser wäre, weil sie diese Spardiktate aus Europa nicht mehr wollen. Ist das eine breite Stimmung in Griechenland?
Knapp: Es gibt da Umfragen, die mit Vorsicht zu genießen sind, aber denen zufolge sollen doch noch 80 Prozent der Griechen unbedingt für einen Verbleib in der Euro-Zone sein. Aber es ist richtig: Man hört immer mehr Stimmen und es wird immer mehr diskutiert, ob es nicht auch eine Alternative dazu gibt.
Engels: Dann schauen wir auf die griechischen Parteien, denn hier geht es ja auch um Sparpakete, die zusätzlich zu dem geplanten Schuldenschnitt noch beschlossen werden sollen, damit neue Hilfen von der europäischen Seite nach Griechenland fließen. Denken Sie, dass dieses Misstrauen gegenüber den Euro-Rettungsangeboten auch die Parteien so erfasst hat, dass hier vielleicht keine Einigung mehr durchzusetzen ist?
Knapp: Das wird sich zeigen. Ich nehme an, es geht ja heute weiter mit den Parteiengesprächen, man wird wohl auch da zu einer Lösung kommen, zumindest zu einer vorläufigen Regelung, denn letztlich will ja auch niemand die Verantwortung dafür übernehmen, das scheitern zu lassen.
Engels: Sie haben eben angesprochen, dass es wichtig ist, dass die Realwirtschaft in Griechenland, also die Unternehmer, wieder arbeiten können. Ist denn da das vereinbarte oder angedeutete Sparprogramm der Übergangsregierung noch sinnvoll, oder sind Sie auch im Chor derjenigen, die sagen, Griechenland wird schon kaputt gespart?
Knapp: Sicherlich wird Griechenland kaputt gespart. Auf der anderen Seite sind aber diese Reformen, die gefordert werden, auch notwendig, denn wenn es dann doch mal zu einem Aufschwung kommen sollte, dann muss dieser natürlich auch davor geschützt werden, vom alten System gewissermaßen wieder erdrückt zu werden. Also wir müssen zweigleisig fahren: Auf der einen Seite muss das System reformiert werden und auf der anderen Seite muss dafür etwas getan werden, dass die Realwirtschaft diese Operation auch überlebt, denn sonst gilt der alte Spruch, Operation gelungen, Patient tot.
Engels: Herr Knapp, Sie überblicken als Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer auch die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen. Wie steht es denn speziell mit deutschen Unternehmen? Engagiert sich da noch irgendjemand in Griechenland?
Knapp: Gut, die Unternehmen, die schon immer da sind, die sind praktisch alle noch da. Man nimmt mehr eine abwartende Haltung ein, man fährt gewissermaßen auf Sparflamme weiter und harrt der Dinge, die da kommen sollen.
Engels: Das heißt, Sie sehen noch nicht die Gefahr, dass Griechenland aufgegeben wird?
Knapp: Bisher hat kaum eine Firma gesagt, wir verlassen jetzt Griechenland. Alle sind noch da und hoffen, dass es wieder besser wird.
Engels: Ein Bankrott Griechenlands ist noch abzuwenden?
Knapp: Gut, das ist eine Frage der Diskretion. Wirtschaftswissenschaftler haben ja schon öfter betont, dass Griechenland eigentlich längst bankrott ist. Die Frage ist, wird das offiziell, wird Griechenland jetzt offiziell für bankrott erklärt oder nicht und was hat das für Folgen, und bei diesen Folgen haben hier doch die Politiker in Europa einige Angst und sie wagen diesen Schritt auch nicht zu gehen.
Engels: Sie wagen den Schritt nicht zu gehen - vielen Dank. Das war Martin Knapp, er ist der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer in Athen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Vorgestern machte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy deutlich, welche nächsten Schritte sie sich zur Bewältigung der Schuldenkrise in Griechenland vorstellt.
O-Ton Angela Merkel: "Es kann keine Einigung geben, wenn die Troika-Vorschläge nicht umgesetzt werden. Sie liegen auf dem Tisch und die Zeit drängt. Und ich unterstütze, genauso wie der französische Präsident das gesagt hat, die Idee, dass man die notwendigen Zinszahlungen für die Schulden auf ein Extrakonto legt, womit gesichert ist, dass Griechenland dieses Geld dann auch beständig bereitstellt."
Engels: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und am Telefon ist nun Martin Knapp, er ist der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer. Er lebt seit Jahrzehnten in Athen, derzeit ist er allerdings in Deutschland. Guten Morgen, Herr Knapp.
Martin Knapp: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Sie haben die Bundeskanzlerin gehört. Was halten Sie von dem Vorschlag, ein Sperrkonto für Griechenland einzurichten, also doch die Souveränität zu beschneiden?
Knapp: Nun, ich nehme an, dass dieser Vorschlag auf griechischer Seite, auch in den Medien, ähnlich negativ aufgenommen wird wie der Vorschlag, einen Sparkommissar nach Griechenland zu schicken. All diese Dinge tragen sicher nicht dazu bei, die Atmosphäre zu verbessern und vor allen Dingen auch die Bereitschaft der Griechen, bei dieser ganzen Lösung des Problems mitzuarbeiten.
Engels: Also ist dieser Vorschlag auch keine gute Idee aus Ihrer Sicht?
Knapp: Es kommt darauf an. Wenn man sich da irgendwie einigen kann mit der griechischen Regierung, dass das dann ein eher technisches Problem oder eine technische Frage wird, dann mag das auch funktionieren. Aber ich bin sicher – und das ist ja auch schon an den ersten Reaktionen abzulesen -, dass das in der Öffentlichkeit sehr negativ aufgenommen wird.
Engels: Dann schauen wir auf den Stand dieser Gespräche. Diese Gespräche finden ja auf mehreren Ebenen statt. Eine Einigung zwischen den griechischen Parteien über ein neues Sparpaket ist bislang nicht zustande gekommen, die Gespräche wurden hier wieder vertagt. Dafür melden die Agenturen, eine Einigung mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt sei fast erreicht. Das haben wir schon mehrfach gehört. Glauben Sie diesmal daran?
Knapp: Nun, irgendwann wird es klappen. Ob es jetzt heute klappt oder morgen, das ist eigentlich zweitrangig. Die Frage ist, klappt es, wird die Schuldenlast etwas erleichtert oder nicht. Ich sage etwas erleichtert, denn es bleibt ja immer noch sehr, sehr viel, und wenn man es auf die private Ebene herunterbricht, ob man als Privatmensch, als Arbeitnehmer, sagen wir mal, eine Million oder zwei Millionen schuldet, ist nicht so essenziell. Tatsache ist, man schuldet mehr, als man bedienen kann.
Engels: Der Schuldenschnitt soll ja 100 Milliarden Euro umfassen, und weil Griechenland noch viel, viel mehr Schulden hat, läuft daraus die Gefahr, dass ein Neustart für Griechenland auch dann nicht möglich ist. Verstehe ich Sie da richtig?
Knapp: Richtig, denn das Entscheidende für Griechenland ist, dass die griechische Realwirtschaft gerettet wird, dass die gesunden Firmen, die Firmen, die wir als den gesunden Kern der griechischen Volkswirtschaft bezeichnen, dass die nicht jetzt von der Krise auch noch erfasst werden. Denn wenn nachher gar nichts mehr funktioniert, wer soll denn dann auf die Dauer in der Lage sein, diese Schuldenlast irgendwann mal abzutragen. Es muss ja etwas erwirtschaftet werden, und leider ist es so, dass es der griechischen Realwirtschaft, also den Unternehmen, an Liquidität fehlt und Investitionen gibt es natürlich auch keine, solange diese Diskussion anhält, ob Griechenland eventuell aus dem Euro aussteigen müsste, denn wer investiert schon irgendwo, wo er, sagen wir, Euros investiert und dann befürchten muss, irgendwann mal eine abgewertete neue Drachme zu bekommen. Das macht niemand, das macht kein Grieche, das macht auch kein Ausländer, und solange diese Diskussion anhält, ist das absolut tödlich für die griechische Volkswirtschaft.
Engels: Halten wir das direkt fest. Gestern hat Bundeskanzlerin Merkel noch einmal betont, sie wolle Griechenland keinesfalls aus dem Euro-Raum drängen. Nun ist auch ab und zu zu lesen, dass in Griechenland viele Menschen überhaupt schon anfangen, darüber nachzudenken, ob nicht doch eine eigene Währung mittelfristig besser wäre, weil sie diese Spardiktate aus Europa nicht mehr wollen. Ist das eine breite Stimmung in Griechenland?
Knapp: Es gibt da Umfragen, die mit Vorsicht zu genießen sind, aber denen zufolge sollen doch noch 80 Prozent der Griechen unbedingt für einen Verbleib in der Euro-Zone sein. Aber es ist richtig: Man hört immer mehr Stimmen und es wird immer mehr diskutiert, ob es nicht auch eine Alternative dazu gibt.
Engels: Dann schauen wir auf die griechischen Parteien, denn hier geht es ja auch um Sparpakete, die zusätzlich zu dem geplanten Schuldenschnitt noch beschlossen werden sollen, damit neue Hilfen von der europäischen Seite nach Griechenland fließen. Denken Sie, dass dieses Misstrauen gegenüber den Euro-Rettungsangeboten auch die Parteien so erfasst hat, dass hier vielleicht keine Einigung mehr durchzusetzen ist?
Knapp: Das wird sich zeigen. Ich nehme an, es geht ja heute weiter mit den Parteiengesprächen, man wird wohl auch da zu einer Lösung kommen, zumindest zu einer vorläufigen Regelung, denn letztlich will ja auch niemand die Verantwortung dafür übernehmen, das scheitern zu lassen.
Engels: Sie haben eben angesprochen, dass es wichtig ist, dass die Realwirtschaft in Griechenland, also die Unternehmer, wieder arbeiten können. Ist denn da das vereinbarte oder angedeutete Sparprogramm der Übergangsregierung noch sinnvoll, oder sind Sie auch im Chor derjenigen, die sagen, Griechenland wird schon kaputt gespart?
Knapp: Sicherlich wird Griechenland kaputt gespart. Auf der anderen Seite sind aber diese Reformen, die gefordert werden, auch notwendig, denn wenn es dann doch mal zu einem Aufschwung kommen sollte, dann muss dieser natürlich auch davor geschützt werden, vom alten System gewissermaßen wieder erdrückt zu werden. Also wir müssen zweigleisig fahren: Auf der einen Seite muss das System reformiert werden und auf der anderen Seite muss dafür etwas getan werden, dass die Realwirtschaft diese Operation auch überlebt, denn sonst gilt der alte Spruch, Operation gelungen, Patient tot.
Engels: Herr Knapp, Sie überblicken als Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer auch die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen. Wie steht es denn speziell mit deutschen Unternehmen? Engagiert sich da noch irgendjemand in Griechenland?
Knapp: Gut, die Unternehmen, die schon immer da sind, die sind praktisch alle noch da. Man nimmt mehr eine abwartende Haltung ein, man fährt gewissermaßen auf Sparflamme weiter und harrt der Dinge, die da kommen sollen.
Engels: Das heißt, Sie sehen noch nicht die Gefahr, dass Griechenland aufgegeben wird?
Knapp: Bisher hat kaum eine Firma gesagt, wir verlassen jetzt Griechenland. Alle sind noch da und hoffen, dass es wieder besser wird.
Engels: Ein Bankrott Griechenlands ist noch abzuwenden?
Knapp: Gut, das ist eine Frage der Diskretion. Wirtschaftswissenschaftler haben ja schon öfter betont, dass Griechenland eigentlich längst bankrott ist. Die Frage ist, wird das offiziell, wird Griechenland jetzt offiziell für bankrott erklärt oder nicht und was hat das für Folgen, und bei diesen Folgen haben hier doch die Politiker in Europa einige Angst und sie wagen diesen Schritt auch nicht zu gehen.
Engels: Sie wagen den Schritt nicht zu gehen - vielen Dank. Das war Martin Knapp, er ist der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer in Athen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.