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Deutsch-iranische Wirtschaftsbeziehungen
"Wir erwarten keinen nennenswerten Rückgang"

Die Deutsch-Iranische Handelskammer rechnet angesichts der US-Sanktionen nur mit geringen Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen. Geschäftsführer Michael Tockuss sagte im Dlf, dass zwar Großkonzerne mit Beziehungen in den USA ihre Aktivitäten im Iran beendeten, viele mittelständische Unternehmen würden jedoch weiter Handel betreiben.

Michael Tockuss im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Zwei Männer kontrollieren arbeiten an einer Turbinenlaeufer Montage
    Handelsexperte Michael Tockuss : "Circa ein Drittel der Exporte von Deutschland nach Iran sind Maschinen und Anlagen" (dpa/ Jürgen Lösel)
    Christoph Heinemann: Vor dieser Sendung haben wir Michael Tockuss erreicht. Er ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Hamburg. Ich habe ihn gefragt, was die US-Sanktionen für die deutsch-iranischen Handelsbeziehungen bedeuten.
    Michael Tockuss: Die US-Sanktionen, die heute in Kraft treten, treffen aus deutscher Sicht insbesondere den Stahlexport nach Iran. Deutschland exportiert circa 30.000 Tonnen Stahl pro Jahr im Iran, und das ist ein Bereich, der davon direkt betroffen wird. Im Importbereich trifft es natürlich ganz traditionelle Produkte, die der Iran exportiert, nämlich Pistazien und Teppiche.
    Mittelständische Unternehmen setzen Iran-Exporte fort
    Heinemann: Kann man es deutschen Unternehmen verdenken, wenn sie das USA-Geschäft dem Handel mit dem Iran vorziehen?
    Tockuss: Ich glaube, das ist eine zwar im Augenblick häufig diskutierte Alternative, aber eine falsche Alternative. Was wir wahrnehmen, ist, dass Großunternehmen, wie heute auch verkündet, zum Beispiel Mercedes, ihre Aktivitäten im Iran auf Eis legen. Das sind Unternehmen, die über eigene Niederlassungen in den USA verfügen, die zum Teil an der Börse gelistet sind in den USA. Das ist der Teil an Unternehmen, die wir verlieren werden. Auf der anderen Seite stehen dem eine große Zahl an mittelständischen Unternehmen entgegen, die wir seit Monaten beraten und wo wir wissen, dass sie mit ihren Iran-Exporten weitermachen werden.
    Heinemann: Aber die werden doch auch von möglichen Drohungen der USA betroffen sein.
    Tockuss: Theoretisch schon. Es ist nur die Frage, inwieweit das praktisch irgendwelche Auswirkungen hat. Wir haben circa 5.000 bis 7.000 Unternehmen hier in Deutschland, die regelmäßig mit dem Iran Handel treiben. Und wir haben die Erfahrungen aus den Jahren 2012 bis 2015. Damals gab es Sanktionen der Vereinten Nationen, es gab Sanktionen der USA, und es gab Sanktionen der EU. Auch in dieser Zeit waren die mittelständischen Unternehmen die Unternehmen, die den deutsch-iranischen Handelsverkehr aufrechterhalten haben, und wir haben in dieser Zeit immerhin Waren und Dienstleistungen für rund zwei Milliarden exportiert.
    Bundesregierung erweckt einen hilflosen Eindruck
    Heinemann: Welche Wirtschaftsbereiche betrifft das?
    Tockuss: Das betrifft in erster Linie traditionell den deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Circa ein Drittel der Exporte von Deutschland nach Iran sind Maschinen und Anlagen. Und diese Unternehmen sind eben häufig mittelständisch geprägt.
    Heinemann: Das heißt, da erwarten Sie keinen nennenswerten Rückgang?
    Tockuss: Da erwarten wir keinen nennenswerten Rückgang. Der reine Handel ist auch nicht das, was uns Sorgen macht. Was enttäuschend ist, dass das gesamte Projektgeschäft, die Weiterentwicklung dieser Wirtschaftsbeziehungen, Kooperationen mit iranischen Unternehmen sicherlich nicht weitergeführt werden.
    Heinemann: Was müsste erfüllt sein oder unter welchen Voraussetzungen könnten diese Geschäfte weitergeführt werden?
    Tockuss: Diese Geschäfte könnten weitergeführt werden, wenn die Bundesregierung nicht einen so hilflosen Eindruck erwecken würde. Wir haben jetzt seit Tagen das Thema Iran in den Medien. Ich höre keine Äußerung unseres Bundeswirtschaftsministers, ich höre keine Äußerung unseres Außenministers dazu. Es wäre schon mal sehr hilfreich, hier ein klares Statement zu geben. Was Unternehmen praktisch erwarten, ist, dass die strukturellen Probleme angegangen werden, die es den Firmen ermöglicht, ihre Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Und da ist als allererstes zu nennen die Finanzabwicklung. Aktuell haben wir kein Problem, Gelder von iranischen Firmen hier nach Europa zu bekommen. Wir kriegen das hier über iranische Banken in Europa. Das Problem ist, dass sich hier viele deutsche Banken zurückziehen und nicht mehr bereit sind, solche Gelder anzunehmen. Und das ist im Augenblick das Hauptproblem, das Unternehmen vor sich haben, die ihren Iran-Handel weiter führen wollen.
    Iran: "Ein verlässlicher Handelspartner"
    Heinemann: Aber das sind Privatbanken. Was kann denn da die Politik ausrichten?
    Tockuss: Es sind Privatbanken, es sind aber auch zum Teil öffentlich-rechtliche Institute, und es gab ja durchaus Lösungsansätze. Man kam auf die Idee, die Europäische Investitionsbank mit zu involvieren. Ein gangbarer Weg wäre, Zahlungen über die Deutsche Bundesbank abzuwickeln. Alles Punkte, die in der Vergangenheit durchaus diskutiert worden sind, die aber leider bisher nicht praxisrelevant sind. Und nur das ist entscheidend für unsere Unternehmen. Politische Statements, dass man den Iran unterstützen möchte, dass man die Wirtschaftsbeziehungen weiter führen möchte, das ist alles gut und schön. Nur es kommt an praktischen Konsequenzen für die Unternehmen im Augenblick leider nichts an.
    Heinemann: Ist der Iran denn ein verlässlicher Handelspartner?
    Tockuss: Der Iran ist seit über hundert Jahren ein extrem verlässlicher Handelspartner.
    Heinemann: Auch unter dem jetzigen Regime?
    Tockuss: Auch unter dem jetzigen Regime. Wir haben keinerlei Zahlungsausfälle, wir können uns auf die Zusagen der Iraner verlassen. Die Wirtschaft hat doch gerade etwas Stabilisierendes und auch durchaus eine Brückenfunktion, wenn es politisch schwierig wird.
    Heinemann: Sie sprachen eben von den Schwierigkeiten mit den Banken. Wenn Sie jetzt mal den Hut sozusagen wechseln, würden Sie als Chef einer international tätigen Bank solche Geschäfte finanzieren, wohl wissend, dass Sie in den USA Ärger bekommen können?
    Tockuss: Ich habe Verständnis für die ganz großen Institute, die ja auch unabhängig von den aktuellen Sanktionen oder der Rede von Herrn Trump am 8. Mai auch in den letzten Jahren Iran-Aktivitäten nicht begleitet haben. Nur, wir haben 1.100 rechtlich eigenständige Volksbanken, und wir haben 480 Sparkassen. Und da wäre es doch erstaunlich, wenn es nicht gelingen könnte, einige davon weiter an Bord zu halten. Das passiert auch. Das passiert aber in Gesprächen zwischen Banken. Die Politik befördert diese Gespräche im Augenblick nicht.
    Heinemann: Und diese Politik haben Sie kritisiert. Gleichzeitig hat aber das Bundeswirtschaftsministerium angekündigt, dass Export- und Investitionsgarantien weiterhin zur Verfügung stehen. Halten Sie diese Zusage für wichtig?
    Tockuss: Diese Zusage gibt es seit dem Atomabkommen 2016. Nach den mir vorliegenden Unterlagen ist die Anzahl an Einzelfällen, die dort tatsächlich genehmigt worden ist, extrem gering. Wir reden hier noch nicht mal von 20 Fällen. Diese Versicherungen helfen auch nur, wenn Sie auf der anderen Seite eine Bank haben, die bereit ist, das Geschäft zu finanzieren. Und da liegt genau das Problem. Das Problem liegt nicht darin, ein Risiko abzusichern, sondern eine Bank zu finden, die zum Beispiel ein Projekt im Bereich erneuerbarer Energien, 20, 30, 40 Millionen Euro im Iran zu finanzieren. Wenn ich diese Bank habe, dann kann ich auch zu Euler-Hermes nach Hamburg gehen und das im Auftrag des Bundes dort versichern lassen.
    "Unternehmen, die in US-Eigentümerschaft sind, müssen sehr vorsichtig sein"
    Heinemann: Das heißt, Exportkreditgarantien ohne die Banken sind vergebene Liebesmüh?
    Tockuss: Das ist weiße Salbe. Genauso wie dieses Blocking-Statut, das jetzt von der EU kommt. Das ist auch wieder ein gutes politisches Signal, das ist fein. Nur, wenn Sie in die Regularien reinschauen, ein deutsches Unternehmen müsste einen geschlossenen Vertrag haben und vor einem Gericht nachweisen, dass dieser geschlossene Vertrag aufgrund der US-Sanktionen nicht zustande gekommen ist, mal völlig offen noch, wie man dann die Firma entschädigen möchte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Bundesregierung bereit ist, US-Eigentum hier in Deutschland oder in Europa beschlagnahmen zu lassen. Also Sie sehen schon an dieser Beschreibung, das ist eher eine politische Aussage als eine praktische.
    Heinemann: Und mit diesem Blocking Statut, das Sie angesprochen haben, möchte die Europäische Union Mitgliedsstaaten verbieten, sich an die US-Sanktionen zu halten. Sie haben das jetzt gerade relativiert. Was raten Sie deutschen Unternehmen?
    Tockuss: Im Grunde arbeiten ganz viele deutsche Unternehmen an diesem Thema schon seit dem 8. Mai, als Herr Trump seine Rede gehalten hat. Und die Unternehmen teilen sich im Grunde in zwei unterschiedlich große Gruppen. Es sind die Großunternehmen, die einen direkten USA-Bezug haben, das heißt, Unternehmen, die in US-Eigentümerschaft sind, die über große eigene Niederlassungen in den USA verfügen oder die gar börsennotiert sind. Diese Unternehmen müssen sehr vorsichtig sein, weil die USA einen direkten Zugriff auf sie haben. Dem steht aber eine deutlich größere Gruppe an Unternehmen entgegen, die maximal Handelsgeschäft mit den USA haben. Und die waren auch in der Vergangenheit eigentlich das Rückgrat der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen und haben in ähnlichen Situationen auch die Beziehungen weiter gepflegt.
    Heinemann: Herr Tockuss, ich bedanke mich herzlich für das Gespräch!
    Tockuss: Ich danke Ihnen recht herzlich!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.