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Deutsch-israelische Beziehungen
Keine selbstverständliche Freundschaft

Für viele Israelis war es früher undenkbar, Kontakte ausgerechnet mit dem Land zu pflegen, das den Holocaust zu verantworten hatte. Der Widerstand war groß, als die Deutschland und Israel vor 50 Jahren diplomatische Beziehungen aufnahmen. Dass heute von einer deutsch-israelischen Freundschaft die Rede sein kann, ist einzelnen Menschen zu verdanken, die den gegenseitigen Kontakt suchten, darunter viele Christen aus Deutschland.

Von Igal Avidan |
    Fähnchen von Israel und Deutschland am 14.03.2015 auf der Buchmesse Leipzig (Sachsen). Ein Messeschwerpunkt ist das diesjährige Jubiläum: 50 Jahre deutsch-israelische diplomatische Beziehungen
    Nach der Shoah waren es vor allem Einzelpersonen, die auf Israel zugingen. (picture-alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Am 28. Oktober 1959 betritt ein junger Deutscher durch das Mandelbaum-Tor den jüdischen Teil des geteilten Jerusalem. Seine dreimonatige Reise aus Deutschland durch die Türkei, Syrien, Libanon und Jordanien ist zu Ende. An jenem Freitagnachmittag kommt Michael Krupp ausgerechnet nach Mea Shearim, ins ultraorthodoxe Viertel von Jerusalem. Weil unmittelbar vor dem Shabbat keine Wechselstube mehr offen ist, gibt ihm eine Frau, die Jiddisch spricht, etwas Geld, damit er mit dem letzten Bus ins Stadtzentrum fahren kann. Michael Krupp in seinen Erinnerungen:
    "Wie groß war meine Verwunderung über die Freundlichkeit dieser Frau einem Deutschen gegenüber, sicher der erste, dem sie nach dem Krieg begegnete."
    Michael Krupp war der Sohn des Dekans der Bekennenden Kirche in Elbing, Ostpreußen. Sein Vater war wegen seiner Kritik an der Judenverfolgung für mehrere Monate inhaftiert worden. Als Achtjähriger erlebte Michael die Vertreibung und kurz danach das Sterben seiner beiden Schwestern an den Strapazen dieser Flucht. Trost fand der Junge in der hebräischen Bibel. Michael Krupp ging als Freiwilliger in einen Kibbuz – und zwar nach Tirat Zwi.
    "In diesem Kibbuz lebten Deutsche und Polen. Mit den Deutschen sprach ich Deutsch, aber in der Öffentlichkeit wollte man diese Sprache nicht hören, also sprachen wir Deutsch nur in den Wohnungen. Mit den Polen war es schwer zu kommunizieren, vor allem mit den Holocaust-Überlebenden. Schließlich entschied man im Kibbuz, keine weiteren Deutschen aufzunehmen, weil die Einwohner das nicht verkraften konnten. Das konnte ich sehr gut verstehen. Die plötzliche Begegnung mit jemandem, der sie an diese schreckliche Vergangenheit erinnerte, war ein Schock für jeden Israeli."
    Denn der 21 Jahre alte Michael Krupp war genauso alt wie jene Nazis in Uniform, die nach der Shoah viele Israelis um den Schlaf brachten.
    "Einmal fuhr ich mit dem Sammeltaxi von Jerusalem nach Tel-Aviv. Ein Fahrgast erfuhr während der Fahrt, dass ich Deutscher bin und sagte, er möchte aussteigen, da er mit einem Deutschen zusammen nicht weiterfahren wolle. Aber stattdessen bin ich ausgestiegen - mitten im nirgendwo."
    Später heirate Krupp eine Jüdin und wurde Pastor in Jerusalem.
    Der Theologe, Politikwissenschaftler und Publizist Martin Kloke schreibt seit Jahren über das Verhältnis deutscher Christen zu Israel.
    "Nach der Shoah, nach der NS-Katastrophe, waren es vor allem engagierte Christen aus den Kirchen, die schon sehr früh versucht haben, ich denke nur an Erich Lüth in Hamburg, Journalist und protestantischer Christ, der mit einer sogenannten 'Friedensbitte an Israel' herangetreten ist, einem offenen Brief, und dort Forderungen gestellt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland auf Israel zugehen sollte. Das waren vor allem Einzelpersonen, aber durchaus keine randständigen Leute."
    Ab 1957 entstanden an zehn Universitäten in der Bundesrepublik und in West-Berlin deutsch-israelische Studiengruppen, die vom Berliner Theologen Helmut Gollwitzer initiiert wurden.
    "Es waren deutsche Studenten, die sich für Israel interessierten und die angefangen haben nach Israel zu reisen, in Kibbutzim, und die sich für die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen eingesetzt haben, die fasziniert waren von der sozialistischen Version des Zionismus, die damals in Israel noch dominant war, und sozusagen Israel als eine Art Modellstaat sahen - im Gegensatz zum reaktionären, restaurativen Adenauer-Staat."
    Reinhold Robbe war bis zum 15. November 2015 Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Der Ostfriese kam 1970 als Fünfzehnjähriger zum ersten Mal nach Israel – mit einer christlichen Jugend-Gruppe.
    "Und das hat die Basis gelegt für meine Israel-Begeisterung. Erstens ist man zunächst einmal oder war ich damals als junger Kerl unglaublich berührt, dass da jemand vor mir stand, der sich selber als Holocaust-Überlebenden vorstellte, aber dann mit bayerischem Akzent oder mit schwäbischem Akzent. Einer war dabei, der Plattdeutsch sprach - unglaublich! Aber da ist es mir bewusst geworden, wie nah mir diese Menschen sind, obwohl ich sie zum ersten Mal kennen gelernt hatte."
    1978 wurde auch das Programm "Studium in Israel" vom gleichnamigen evangelischen Verein begründet, das Folgen hatte. Rund 700 überwiegend deutsche Theologiestudenten verbrachten seitdem ein Jahr an der Hebräischen Universität in Jerusalem. An diesem Programm nahm auch Pfarrerin Ulrike Theurer teil.
    "Es war mir wichtig, die jüdischen Wurzeln kennen zu lernen. Das Studium der Judaistik hat mir geholfen, das Neue Testament, meine Religion, besser zu verstehen."
    Seit ihrem Theologiestudium in Israel bereiste Ulrike Theurer das Land immer wieder und knüpfte dort enge Freundschaften. Als Oberstudienrätin initiierte sie eine Schul-Kooperation mit einem israelischen Gymnasium. Der Beitrag von christlich motivierten Privatpersonen zu den deutsch-israelischen Beziehungen steht im Kontrast zum Verhältnis der Kirchen in Deutschland zu Israel. Kirchenkenner Martin Kloke kritisiert:
    "... dass es trotz dieser einzeln engagierten Christen in den kirchlichen Einrichtungen, in der Mainstream-Kirche genauso wie in der säkularen deutschen Gesellschaft, nach wie vor über die Jahre bis heute auch Kräfte sind, die ein mindestens gestörtes Verhältnis zu Israel haben, aus welchen Gründen auch immer".
    Hierzu zählt Kloke besonders die deutsche Sektion der katholischen Organisation Pax Christi, die mit Aktionen zum Boykott von Produkten aufruft, die aus den von Israel besetzten Gebieten stammen und die an der Free-Gaza-Bewegung teilnimmt.
    Die Theologin Ulrike Theurer richtet ihren Blick hingegen nach Jerusalem und versucht, der Welle des Terrors und der Gegengewalt einen Vorschlag entgegenzusetzen:
    "Erst mal wurde ich sagen: Alle sollten sich entspannen, ja? Einmal tief durchatmen und sich kurz klarmachen, was eigentlich die Motivation ihres Handelns ist: Was möchten Juden, die über den Tempelberg spazieren und was möchten Muslime, die laut rufen: ‚Allah hu akbar, Allah hu akbar', wenn Juden darüber spazieren? Um was geht es? Es sind Ängste. Und wenn versucht wird, den Kern der Religiosität in den Blick zu nehmen, dann sind diese Ängste nicht mehr nötig. Dann gelingt es in dem anderen das Ebenbild Gottes zu sehen."