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Deutsch-italienische Beziehungen
„Salvini verhöhnt die Kultur“

"Ich habe leider das Gefühl, Italien hat sich innerlich schon lange von Europa entfernt. Italien driftet ab", sagte Maria Gazzetti im Dlf. Die Leiterin der Casa di Goethe in Rom beklagt das Lamentieren ihrer Landsleute: Es seien immer die anderen schuld.

Maria Gazzetti im Gespräch mit Dirk Fuhrig |
Die Direktorin der Casa di Goethe, Maria Gazzetti, vor einer Kopie des Gemäldes "Goethe in der Campagna" von Johann Heinrich Tischbein; das Original des Gemäldes hängt im Frankfurter Städel.
Maria Gazzetti leitet die Casa di Goethe in Rom (imago/epd)
"Wir haben es mit einer Mehrheit zu tun in Italien, die traumwandlerisch einem Bankrott entgegen läuft", sagte Gazzetti. Die Italiener heute "wollen den starken Mann, der sie beruhigt." Die mangelnde Bereitschaft, für eigene Fehler die Verantwortung zu übernehmen, führe dazu, dass sich Italien immer mehr von Europa abwende. Die "5 Sterne"-Bewegung sei am Anfang gegen die Korruption gerichtet gewesen, mittlerweile stünden aber "Groll und Neid" im Vordergrund. Cinque Stelle und Lega beförderten eine "Mentalität der Versorgung. Diese beiden Parteien sind dabei, Italien zu einem unterentwickelten Land Europas zu machen."
Innenminister Matteo Salvini versuche, die Kulturszene "auszuhebeln": "Er verhöhnt diese linke Kultur hämisch, indem er sie als "radikal-schick" bezeichnet. Die linken Intellektuellen seien eine privilegierte Kaste, haben Häuser am Meer, führen ein Luxusleben. Die berühmten 'Salonkommunisten' - das ist ja auch eine Anomalie der italienischen Kultur. Aber daran setzt jetzt Salvini sehr stark an und macht einen offenen Kampf gegen Roberto Saviano zum Beispiel", den bekannten Schriftsteller und Mafia-Jäger.
Die Gegensätze sind stärker geworden
Maria Gazzetti wurde 1955 in der Region Latium geboren und hat in Rom und Hamburg studiert. Anderthalb Jahrzehnte lang stand sie dem Literaturhaus Frankfurt vor, danach ging sie nach München zum "Lyrik Kabinett". Seit 2013 leitet sie das von Deutschland finanzierte Goethehaus in Rom, eine Institution, die für eine ganz andere Sicht auf die deutsch-italienischen Beziehungen steht. In dem Gebäude in Roms Innenstadt, in dem sich heute die "Casa die Goethe" befindet, übernachtete Johann Wolfgang von Goethe auf seiner berühmten Italienischen Reise von 1786 bis 1788. Heute ist die einstige Herberge ein Museum, das dem Geheimrat und der deutschen Italiensehnsucht huldigt.
"Je länger ich in Italien bin, sage ich mir: Mein Gott, wie sind sie verschieden, diese beiden Länder. Die zwei Mentalitäten gehen sehr auseinander. Die Art und Weise, wie man sich bewegt, wie man spricht, kann oft missverstanden werden. Das Tempo ist auch anders. Und das hat sich in der letzten Zeit verstärkt." Zwar gebe es die deutsche Italiensehnsucht noch, aber das Interesse der Italiener an Deutschland nehme ab. "Das heißt nicht, dass man sich im kulturellen Bereich hasst. Aber diese Neugier muss immer wieder angestachelt werden."
Italiens Jugend wird kosmopolitischer
Maria Gazzetti blickt zwar eher skeptisch in die Zukunft des deutsch-italienischen Verhältnisses. Aber sie sieht auch positive Entwicklungen: "Auf der anderen Seite gab es noch nie so viele Italiener, die nach Deutschland gehen wollten, nach Berlin. Es ist nicht nur ein Ausbluten von intellektuellen Kräften seitens Italiens. Aber auf diese Weise kosmopolitisiert sich die Jugend und das Land. Ich bin nach Deutschland gegangen zu einer Zeit, da wurde ich, wenn ich im Sommer nach Italien zurückkam, immer gefragt: Oh, Du bist in Deutschland, ist es kalt dort? Wenn ich jetzt in Italien sage, ich fahre nach Deutschland oder Berlin, dann sagen sie: Oh, Du Glückliche, oh wie schön. Das ist eine interessante Form der Annäherung, und das wird Früchte tragen."
Die Kulturvermittlerin hofft, dass sich der europäische Gedanke nicht nur in wirtschaftlichen Fragen erschöpfe: "Wir müssen alle gemeinsam über Europa mehr als Kulturland sprechen. Wir müssen neu definieren, was ist Nation, was ist Heimat, was ist Sicherheit, was ist der Mensch, was ist Religion?" Hier könne auch Italien einen großen Beitrag leisten. Immerhin sei ihr Heimatland in der Vergangenheit manchmal auch ein Vorreiter gewesen, etwa bei den philosophischen Strömungen, die ein neues Menschenbild entworfen haben: "In Italien entstand die Bewegung des Humanismus. Wir müssen einen Begriff von Humanismus entwickeln."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.