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Deutsch-namibisches Verhältnis
Restitutionen statt Reparationen?

Während der Kolonialzeit in Namibia haben die deutschen Besatzer Gräueltaten begangen. Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene oder Nachkommen des Völkermordes lehnt Deutschland aber ab. Deutschland gibt jetzt Objekte zurück, die aus Namibia stammen und die unrechtmäßig in die Bundesrepublik gelangten.

Von Werner Bloch |
Ein Neues Testament und eine Peitsche aus dem Besitz von Hendrik Witbooi liegen in einer Vitrine im Linden-Museum für Völkerkunde. Das Land Baden-Württemberg will die Exponate als geraubte Kulturgüter im Februar an Namibia zurückgeben. Bis zur Rückgabe werden beide Gegenstände nochmals im Lindenmuseum ausgestellt.
Ein Neues Testament und eine Peitsche aus dem Besitz von Hendrik Witbooi (picture alliance / Marijan Murat / dpa)
Der Nationalfriedhof von Namibia, ein Hügel über Windhoek. Er heißt Heroes' Acre – der Hügel der Helden. Von hier oben hat man den besten Blick auf Namibias Hauptstadt. Eine etwa sechzigjährige Frau, eine ehemalige SWAPO-Kämpferin, führt die vielen Stufen herauf, neben denen sich Reihen von Gräbern erstrecken.
Es dauert nicht lange, bis man auf Spuren der deutschen Kolonialherrschaft trifft.
"Sie sehen auf diesem Steinsarg den Kopf von Hendrik Witbooi. Der ist auch auf unseren Geldnoten zu sehen, ein Nationalheld. Witbooi gehörte zur ursprünglichen Bevölkerung Namibias. Und er hat gegen die Deutschen gekämpft. Unzählige Herero und Nama wurden damals getötet."
Rund 70.000* Herero oder Nama wurden damals in die Wüste getrieben oder in Konzentrationslager gesteckt. Viele verdursteten, andere wurden getötet – auf deutschen Befehl. Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts. Seit Jahren wartet man in Namibia auf Entschädigung. Doch die kommt nicht.
Dafür gibt Deutschland Objekte zurück, die aus Namibia stammen und die unrechtmäßig nach Deutschland gelangten, wie die berühmte Bibel und die Peitsche von Hendrik Witbooi an seine Nachfahren.
Die Grausamkeiten der Geschichte
Demnächst will Kulturstaatsministerin Grütters selbst einfliegen, um ein 500 Jahre altes Steinkreuz zurückzugeben.
Monika Grütters: "Wir machen diese Rückgaben und diese ganze Politik genau nicht für uns selbst. Wir versuchen ja, mit dem Humboldt-Forum gerade ein Signal in die andere Welt zu schicken und zu sagen: Seht her, wir möchten euch in Demut und Respekt und mindestens mal auf Augenhöhe einbeziehen in unser Denken. Helft uns dabei. Aber seht auch, mit welcher einer Achtung und Bewunderung wir vor euren Traditionen und eurer Kultur stehen."
Demut und Respekt? Davon war bisher eher weniger die Rede, wenn es um das deutsch-namibische Verhältnis ging. Die Grausamkeiten der Geschichte Namibias sind jedenfalls im Unabhängigkeitsmuseum in Windhoek zu besichtigen, einem bemerkenswert scheußlichen, teilweise golden bemaltes Hochhaus im Zentrum. Die Führerin:
"Dies ist die Zeit, als die Deutschen nach Namibia kamen. Wir zeigen hier Fotos von den Konzentrationslagern, die Deutsche errichteten. Die größten sind Lüderitz und Shark Island. Sie sehen auch Gefangene in Lüderitz, Gefangene in Konzentrationslagern, die gequält und getötet worden. Die abgetrennten Köpfe wurden an deutsche Universitäten geschickt, damit Wissenschaftler die Schädel schwarzer Menschen vermessen. Ab 2011 wurden einige dieser Schädel an die namibische Regierung zurückgeschickt."
Zur Kolonialzeit wurden aufständische Häuptlinge etwa wurden nach ihrem Tod präpariert, die Leichname in Salzfässern konserviert und wie in einer Zirkusschau in den Naturkundemuseen ausgestellt. Kann ein Museum, das so etwas tut, noch als ein normales Museum fungieren, ist das Museum nicht längst ein Tatort grausamer Verbrechen geworden? So fragen Museumsfachleute längst im südlichen Afrika.
Museen mit vielen Regeln
2011 kamen einige "Human Remains" zurück, doch glücklich war man in Namibia nicht, bemerkt die namibische Künstlerin, Kuratorin und Ethnologin Nicola Brandt auf einer Konferenz des Goethe-Instituts in Windhoek.
"Als die 'Human Remains' vor zwei Jahren zurückkamen, war es, als seien sie vom Staat gehijackt worden. Bei der Übergabezeremonie fehlte alles Persönliche, viele Gruppen der namibischen Gesellschaft waren nicht vertreten. Es gab eine formale Zeremonie in den Parlamentsgärten. Aber wahres Trauern findet nicht statt."
Überhaupt scheint die deutsch-namibische Zusammenarbeit nicht recht zu klappen. Deutsche Museen seien riesige Tanker, die sich hinter Regeln und Regularien verschließen und für einen Afrikaner völlig undurchsichtig seien, sagt Nicola Brandt, die monatelang in Hamburg geforscht hat.
Und die Chefkuratorin des Nationalmuseums von Namibia, Nzila Mubusisi, sieht im Humboldt Forum eine Black Box, an der sie nichts verstehe.
"Keine Politik der Versöhnung"
Für die Namibier selbst könnte ein neues Museum dennoch enorm wichtig sein, ein Sprecher der Oppositionspartei Popular Democratic Movement, Fred Njombe.
"In der Vergangenheit sind weiße und schwarze Namibier getrennt aufgewachsen, auch wegen der Apartheid. Es gab Mauern und Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen und ethnischen Gruppen. Jetzt in der Unabhängigkeit, wollen wir Versöhnung, aber es gibt keine Politik dafür. Es gibt nichts. Versöhnung in Namibia ist nur ein Wort."
*Hier wurde die Zahl der Opfer korrigiert.