Der polnische Regierungsbezirk Westpommern hat ein Büro in Brüssel. Bisher diente es vor allem dazu, die Werbetrommel für den Tourismus an der polnischen Ostsee zu rühren. Seit wenigen Wochen ist das anders: Im Büro trifft sich eine Gruppe mit Regionalpolitikern aus elf Ländern. Sie berät das Projekt der Gaspipeline Nordstream II. Initiiert hat sie der Leiter des polnischen Bezirks Olgierd Geblewicz:
"In meiner Region weckt das Projekt die größten Emotionen. Wir sind beunruhigt, weil die Umweltrisiken nicht geklärt sind. Das gilt auch für die Gefahr, die von Munition ausgeht, die im Zweiten Weltkrieg im Meer versenkt wurde. Die Fischer fürchten, dass sie weniger Fische fangen. Und schon Nord Stream I hat die Entwicklungsmöglichkeiten des Hafens in Swinoujscie beschränkt, wenn dort einmal große Tanker anlegen sollen."
Belastung für deutsch-polnische Beziehungen
Geblewicz gehört der Oppositions-Partei "Bürgerplattform" an, aber in dieser Frage liegt er auf einer Linie mit der Regierung in Warschau. Die hat sich zum Ziel gesetzt, die Pipeline zu verhindern. Deutschland habe sich mit Russland über die polnischen Köpfe hinweg auf das Projekt verständigt, so der Vorwurf, den Staatssekretär Piotr Naimski erhebt: "Man muss daran erinnern, dass Russland den Rohstoffexport als außenpolitisches Mittel nutzt. Es will die Abnehmerländer von sich abhängig machen und sie isolieren."
Über die Ostsee-Pipeline fließt das Gas direkt von Russland nach Deutschland. Die Gasverbindungen über Land werden weitgehend überflüssig. Die Transitländer Polen, Weißrussland und die Ukraine wären Moskau dann ausgeliefert, fürchtet man in Warschau. Sie müssten alle russischen Liefer-Bedingungen akzeptieren, weil sie ihr Druckmittel gegenüber Moskau verlieren: im Zweifelsfall den Transit zu stoppen.
Pipeline als Bedrohung für den Staatshaushalt
Polen spricht hier nicht nur für sich, sondern auch für das Nachbarland Ukraine. Die Regierung in Kiew schmerzt besonders der Verlust an Transitgebühren. Der Abgeordnete Pawlo Rizanenko von der Partei des ukrainischen Präsidenten:
"Die Ukraine würde durch Nord Stream II jährlich 1,5 Milliarden US-Dollar an Einnahmen verlieren. Ich kann hier Deutschland nicht verstehen. Einerseits unterstützt es die Östliche Partnerschaft der EU, wir bekommen technische Unterstützung im Wert von 35 Millionen Euro. Aber gleichzeitig übt Deutschland Druck auf Dänemark und Schweden aus, also Anrainerstaaten der Ostsee-Pipeline, damit die dem Projekt keine Steine in den Weg legen."
Wesentlich milder urteilen Kiew und Warschau über die EU-Kommission. Denn die steht dem Projekt heute deutlich kritischer gegenüber als noch vor Monaten. Die Kommission bemüht sich, Einfluss auf die neue Pipeline zu bekommen. Sie will Nord Stream II den Regeln des EU-Binnenmarkts unterwerfen - und dafür sogar das EU-Recht ändern. Das würde die Kalkulation der Investoren gewaltig durcheinander bringen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel stellte sich deshalb strikt gegen den Plan der Kommission.
Der Streit zwischen Polen und Deutschland tobt auch auf der untersten Ebene. Der internationalen Gruppe, die der Bezirkschef von Westpommern gegründet hat, sind nämlich auch Vertreter deutscher Bundesländer beigetreten. Olgierd Geblewicz: "Nach dem ersten Treffen scheint mir, dass einige Teilnehmer nicht ganz den Sinn der Gruppe verstanden haben. Der Vertreter von Mecklenburg-Vorpommern hat das als Super-Investition dargestellt, die nur noch Vorteile bringe. Aber wir sind ja keine Nord Stream-Unterstützergruppe! Wir wollen, dass unsere Bedenken analysiert werden."
Die Nord Stream AG, die bereits Röhren für die Pipeline fertigen lässt, gibt sich gelassen: Letztendlich werde es der EU nicht gelingen, das Projekt zu torpedieren, heißt es dort. Es bringe der EU nicht nur mehr Energiesicherheit; der Bau schaffe in den kommenden fünf Jahren auch über 30.000 Arbeitsplätze.