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Deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen
"Russland ist ein wichtiger Markt"

Exporte nach Russland gestalteten sich wegen der Sanktionen oft schwierig, sagte Volker Treier, Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, im Dlf. Durch deutsche Unternehmen seien in Russland aber 270.000 Arbeitsplätze entstanden, was auch zu einer Stabilisierung der politischen Verhältnisse beitragen könne.

Volker Treier mit Birgid Becker |
    Volker Treier vom Deutschen vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag spricht im Rahmen des Deutsch-Russischen Wirtschaftsdialogs in Berlin; Aufnahme vom November 2015
    Volkswirt Volker Treier: "Wir hatten vor Jahren eigentlich von einem Modernisierungskurs des Landes geträumt." (picture alliance / dpa)
    Birgid Becker: Er wolle nicht ewig im Kreml bleiben, hat Putin zwischenzeitlich gesagt. Aber die kommenden sechs Jahre wird er im Amt sein. Und was hat das an ökonomischen Perspektiven? Darüber möchte ich mit dem Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, mit Volker Treier sprechen. Hallo!
    Volker Treier: Hallo, Frau Becker.
    Becker: Herr Treier, selten nach dem Kalten Krieg waren die Beziehungen zu Russland so schlecht wie in der Phase seit dem Jahr 2014, von der Annexion der Krim bis heute, bis zu den Spannungen nach dem Giftanschlag auf den Doppelagenten Skripal. Und trotzdem: Wenn man prominente Wirtschaftsvertreter hört wie etwa den Chef des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, trotzdem wünschen sich Wirtschaftsvertreter wohl nichts so sehr wie eine Rückkehr zur Normalität, zu einer Normalität ohne Sanktionen. Ist denn Russland wirklich so wichtig?
    Rohstofflieferant und Teil der Eurasischen Wirtschaftsunion
    Treier: Russland ist ein wichtiger Markt, zweifelsohne, mit über 140 Millionen Einwohnern. Wir hatten vor Jahren eigentlich von einem Modernisierungskurs des Landes geträumt. Da wird immer noch dran gearbeitet, auch wenn es erhebliche Rückschläge gab. Aber auch darüber hinaus ist Russland mit seiner Teilnahme in der Eurasischen Wirtschaftsunion wichtig. Und wenn wir uns vor Augen halten, dass China eine alte Seidenstraße wieder neu beleben will, dann geht das auch nicht ohne Russland. Russland ist ein wichtiger Markt und natürlich zweifelsohne auch für uns in der Industrie in Europa ein Rohstofflieferant.
    Becker: Vor einer Woche hat gleichwohl die EU die Sanktionen gegen Russland verlängert, noch einmal um sechs Monate. Man hat aber bei diesen Sanktionen doch den Eindruck, dass da eher Personen oder Organisationen betroffen sind, weniger die Wirtschaftsbeziehungen. Ist das so?
    Treier: Nein. Neben den Personenlisten ist auch ein ganzer Sektor betroffen, und das ist der Finanzsektor. Es gestaltet sich schwierig, Geschäfte mit Russland und russischen Partnern finanziell abzubilden. Das ist der stärkste Sand, der da im Getriebe eingestreut wurde. Und auch nicht zu vergessen die sogenannten Dual-Use-Verordnungen, also Warenlieferungen nach Russland, die sowohl im zivilen Zweck angesiedelt sind, - Maschinen zum Beispiel oder Maschinenteile, die einen zivilen Zweck, aber auch einen militärischen Teil haben könnten -, verursachen bei uns hier viel Bürokratie und verhindern auch, dass die Exporte stark ansteigen, beziehungsweise sind eine Teilursache dafür, dass die Exporte nach Russland seit dem Verhängen der Sanktionen deutlich abgesunken sind, auch wenn sie sich zuletzt wieder erholt haben.
    Becker: Nun hat ja Putin, wenn man ihn betrachtet, wirtschaftlich gar nicht die beste Bilanz aufzuweisen. Die Lage ist nicht mehr so belastet wie zu Zeiten der Rezession der Jahre 2015 und 2016. Aber umgekehrt gefragt: Leidet denn Russland unter den Sanktionen, oder kann man das ganz gut wegstecken?
    Treier: Es hat den Anschein, als ob Russland es zunehmend wegsteckt. Es ist schon fast sprichwörtlich, dass es heißt, dass die russische Bevölkerung auch zu leiden imstande ist. Und auch Warenlieferungen aus der Europäischen Union haben zu einem zwischenzeitlichen Wohlstandsniveau geführt. Diese Warenlieferungen sind in den Jahren 2014, 2015 und 2016 eingebrochen durch die Sanktionen, aber auch durch Gegensanktionen, durch Retrusionen seitens Russlands, nämlich auf Lieferungen von Agrar- und Lebensmittelprodukten aus der Europäischen Union hinaus. In der Zwischenzeit hat sich in diesem Sektor, im Lebensmittelbereich aber Russland auch berappelt und hat eine eigene Industrie aufgebaut und hat das an der Stelle gut weggesteckt.
    Das Wohlstandsniveau insgesamt ist aber zurückgefallen durch diese schwachen Jahre. Da gab es auch einen Wachstumseinbruch. Jetzt hat man sich aber seit 2017 insbesondere wieder berappelt. Das Wirtschaftswachstum ist zurückgekehrt und insofern werden Arbeitsplätze und Einkommenszuwächse wieder zu verzeichnen sein. Auch in diesem Jahr gehen alle davon aus, dass Russland zwischen anderthalb und zwei Prozent wieder wachsen wird.
    "Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass wir die Beziehungen erhalten"
    Becker: Kurz zum Schluss noch. Die Spannungen haben ganz frisch eine neue Fassette bekommen. Gerhard Schröder sei der wichtigste Lobbyist für Putin auf der ganzen Welt - das hat der Außenminister der Ukraine gesagt, auch wieder Sanktionen ins Spiel gebracht. Die Antwort aus Berlin ist auch da. Wie stellt sich die Wirtschaft zur Causa Schröder?
    Treier: Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass wir die Beziehungen erhalten, die Beziehungen, die uns politisch erlaubt sind. Das ist im Übrigen auch von der politischen Seite gewünscht, dass jenseits der Sanktionen die Wirtschaft alles dafür tut, dass wir normale Verhältnisse bewahren oder aufbauen. Weil nichts stirbt später als die Hoffnung, und dass auch ein Wandel, auch ein politischer Wandel durch diesen Handel und die Wirtschaftsbeziehungen passiert. Deutsche Unternehmen tragen dazu bei, dass in Russland Arbeitsplätze entstanden sind. Das sind 270.000 und allein die verhindern doch, dass wir politisch möglicherweise noch in einem schlechteren Fahrwasser sind.
    Becker: Danke! – Volker Treier war das, der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.