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Deutsch-südafrikanischer Filmemacher Schmitz
"Ich wollte einen Film, wo man nicht wegguckt"

Man kennt ihn als Regisseur von "Türkisch für Anfänger". Doch in dem neuen Film des in Südafrika geborenen Filmemachers Oliver Schmitz "Im Todestrakt" geht es um Mörder und seinen Gefängniswärter im Todestrakt, kurz vor dem Ende der Apartheid. Über diesen Spagat spricht er in Dlf Corso.

Oliver Schmitz im Gespräch mit Tanja Runow |
    Oliver Schmitz - Zwischen Komödie und Kritik an der Todesstrafe
    Zwischen Komödie und Todestrafen-Kritik: Regisseur und Drehbuchautor Oliver Schmitz (Imago)
    Tanja Runow: "Mapantsula", "Hijack Stories", "Geliebtes Leben". Das sind Filme, die den Regisseur und Drehbuchautor Oliver Schmitz international bekannt gemacht haben. Filme, die in seinem Geburtsland Südafrika spielen. Die sich mit der Tabuisierung von AIDS der Apartheid und ihren langwierigen Folgen zum Beispiel beschäftigen. Aber bekannt ist Oliver Schmitz, der deutsche Wurzeln hat, auch für ganz anderes: Für deutschsprachige Serienhits wie "Türkisch für Anfänger" oder "Doctor's Diary" nämlich, wo er Regie geführt hat. Jede dieser Serien mehrfach preisgekrönt. Und bis zu 70 Mal adaptiert. Aktuell ist er mit seinem Spielfilm "Shepherds and Butchers", deutscher Titel: "Im Todestrakt" auf dem Afrika Filmfestival in Köln vertreten. Guten Tag, Herr Schmitz!
    Oliver Schmitz: Guten Tag.
    Runow: Der Film - Ihr Film - hatte im letzten Jahr bei der Berlinale Premiere. Jetzt läuft er in Köln. Braucht es eigentlich ein "Berlinale Panorama" oder eben ein "Afrika Film Festival", um diesen Ihren Film "Im Todestrakt" in Deutschland zu zeigen?
    Schmitz: Also, der Film wird auf jeden Fall im deutschen Fernsehen laufen. Der WDR war ein Partner in dem Projekt. Im Kino sieht es leider nicht so gut aus, das hat mit vielem zu tun. Der Produzent hat den Film an Netflix, iTunes und andere Streamingdienste weiterverkauft.
    Runow: Großartig.
    Schmitz: Das ist natürlich alles gut für den Film, aber erschwert dann den Kinoverleih. Deswegen freue ich mich umso mehr, dass er jetzt auf dem Afrika Filmfestival in Köln läuft.
    "Es ist im Grunde die Geschichte meiner Generation"
    Runow: Der Film spielt 1987, also noch zur Zeit der Apartheid. Und es geht um einen jungen, weißen Mann, der sich vor Gericht verantworten muss, weil er sechs schwarze Footballfans, scheinbar grundlos, erschossen hat. Und dann wird klar, dass er das wohl getan hat, weil er selbst traumatisiert ist. Er hat als 17-Jähriger begonnen im Todestrakt eines Gefängnisses zu arbeiten. Diese Story beruht auf einer wahren Geschichte heißt es eingangs. Wie sind Sie auf diese Geschichte gestoßen?
    Schmitz: Die beruht auf einer oder differenzierter gesagt auf zwei Geschichten, weil den Wärter in dieser Form gibt es. Aber der reale Wärter hat diese Leute nicht umgebracht. Das ist eine Zusammenstellung von zwei Geschichten. Aber diese Traumatisierung, die da stattgefunden hat, diese Figur - ich habe den Wärter auch getroffen - und all diese Jahre später litt er noch unter psychischen Störungen aus dieser Zeit. Und ich glaube, dass wird ihn sein Leben lang noch begleiten.
    Regisseur Oliver Schmitz, Hauptdarstellerin Khomotso Manyaka und Produzent Oliver Stoltz (v.l.n.r.) bei der Premiere von "Geliebtes Leben" in Berlin
    Regisseur Oliver Schmitz, Hauptdarstellerin Khomotso Manyaka und Produzent Oliver Stoltz (v.l.n.r.) bei der Premiere von "Geliebtes Leben" in Berlin (dpa)
    Es ist im Grunde auch die Geschichte meiner Generation. Ich bin in dieser Generation in Südafrika aufgewachsen und ich bin natürlich einen ganz anderen Weg gegangen. Ich bin auch ins Militär einberufen worden und habe das Land dann verlassen. Aber es ist einfach eine Geschichte von einem jungen, weißen Südafrikaner, der das nicht gemacht hat und diese Fanatisierung, das hat mich interessiert. Ich wollte nicht von einem jungen Menschen erzählen, den man nur als böse sieht, sondern dass man versteht was überhaupt mit ihm passiert ist. Wir fangen ja alle nicht so an und manche Menschen werden so, und die Frage ist: Warum? Das war für mich von zentralem Interesse in dieser Geschichte.
    "Darf man für einen Staat töten?"
    Runow: Und gerade diese Hinrichtungsszenen sind im Film sehr detailreich geschildert. Ich fand es über Stellen sehr schwer überhaupt auszuhalten. Ihr Film ist auch ein Plädoyer gegen die Todesstrafe, oder?
    Schmitz: Auf jeden Fall. Ich habe damals - als das noch alles aktuell war Ende der 80er-Jahre - jemanden mehrmals im Todestrakt besucht und eine andere Geschichte recherchiert. Das hat mich so mitgenommen, diese ganze Erfahrung, das Erlebnis, was da passiert, diese Massenmaschinerie des Tötens. Es hat auch Empörung gegeben. Ich habe mich damals auch beteiligt an einer Kampagne gegen die Todesstrafe insbesondere in Südafrika, und am Ende der Apartheid 1990 wurde die eingestellt und 1995 komplett abgeschafft.
    Aber die Grundfragen - darf man töten? Darf man für einen Staat töten? Was passiert mit einem Menschen, wenn er einen anderen Menschen tötet? - sind immer aktuell, ob in einer Kriegssituation oder in der Situation der Todesstrafe, wenn man im Namen des Staates jemanden tötet. Also von daher ist diese Frage, glaube ich, sehr universell. Ich weiß, der Film ist sehr hart, und es war auch eine schwere Entscheidung, aber ich wollte unbedingt einen Film machen wo man nicht wegguckt. Natürlich kann man weggucken von der Leinwand, aber dass ich als Regisseur, als Filmemacher nicht weggucke von dem Geschehen, um klar zu machen, wie grausam und brutal es eigentlich ist.
    Wir haben noch länger mit Oliver Schmitz gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Runow: Sie sind selbst zwischen Südafrika und Deutschland mehrmals hin und her gezogen. Ich habe schon eingangs erwähnt, dass Sie deutsche Wurzeln haben, in Südafrika geboren sind, leben mittlerweile vorwiegend in Berlin, wenn ich das richtig weiß.
    Schmitz: Das ist richtig.
    Runow: Aber die Stoffe für Ihre großen Spielfilme kommen nach wie vor aus Südafrika, oder?
    Schmitz: Richtig, ich bin in Südafrika geboren und aufgewachsen. Ich reise immer wieder hin, um Freunde und Familie zu sehen und auch Filme zu machen. Aber überwiegend bin ich jetzt in Berlin und wie Sie zu recht gesagt haben, mache ich auch Geschichten zum Lachen und habe viel für das deutsche Fernsehen gemacht.
    Runow: Genau, "Türkisch für Anfänger".
    Schmitz: Das ist der Gegenpol meiner Existenz.
    "Es sind extreme Welten, aber für mich ist das kein Konflikt"
    Runow: Das wäre jetzt meine nächste Frage. Was für zwei Seelen schlagen da in ihrer Brust? Geht das eine nur mit dem anderen zusammen. Ist das eine die Pflicht, das andere die Kür?
    Schmitz: Ich bin ehrlich gesagt 2001 ein bisschen durch Zufall in der Komödie gelandet. Ich kam und wollte was machen und musste arbeiten, und mir wurde eine Komödie angeboten. Ich habe gedacht: Na gut, es ist mal was anderes. Ich habe viel Spaß gehabt, und es ist sehr gut gelaufen. Und dadurch habe ich viele Angebote gekriegt und da habe ich gemerkt, dass es mir sehr viel Spaß macht.
    Also, für mich ist es kein Konflikt, so wie ich auf der einen Seite sehr ernste Filme mache und auf der anderen Seite Filme über die Seite des Lebens, wo man viel lachen kann. Die Komödie hat ja auch mit der Tragödie einigermaßen zu tun. Es sind schon extreme Welten zwischen "Türkisch für Anfänger" und "Shepherds and Butchers". Vielleicht ist das paradox, aber für mich ist das kein Konflikt. Ich werde manchmal gefragt, wie ich es mache, diese zwei Welten zu vereinen, aber ich denke Lachen ist sehr wichtig im Leben, und ich suche mir sicherlich Themen im Kino aus, die mir wichtig sind und wo ich hoffe, dass es einen Nachhall gibt, wenn ich so eine Geschichte erzähle. Aber für meinen Alltag lache ich gerne und freue mich, dass ich diese Möglichkeiten alle habe.
    "Ich habe auch vor, Kino in Deutschland zu machen"
    Runow: Wir erreichen Sie auch gerade am Telefon, weil Sie nämlich schon wieder drehen. Wobei stören wir Sie denn?
    Schmitz: Ich bin gerade in Usedom und drehe den Usedom-Krimi mit Katrin Sass und wir sind fast am Ende des Drehs. Das spielt auf der Grenze zwischen Polen und Deutschland, und die Geschichten spielen immer über diese Grenze hinaus und das macht das spannend, finde ich. Das ist das zweite Mal, dass ich den Usedom-Krimi mache. Ich habe aber auch vor, Kino in Deutschland zu machen. Ich bin auch gerade dabei mit jungen Kollegen aus England eine Firma zu gründen. Und diese Zwei-Welten-Komödie, Ernst, Kino, Fernsehen, versuche ich gerade zu verbinden. Mal gucken, ob das geht, ob ich diese Welten homogen zusammenkriege in ein Projekt.
    Runow: Der Drehbuchautor und Regisseur Oliver Schmitz war das im Corsogespräch. Noch mal herzlichen Dank an der Stelle.
    Schmitz: Ja, dankeschön.
    Runow: Und der Film von Oliver Schmitz, "Im Todestrakt", wird nächste Woche beim 15. Afrika Filmfestival in Köln zu sehen sein. Es gibt dort natürlich auch noch jede Menge anderer Entdeckungen zu machen. Das Festival hat gestern begonnen und läuft noch bis zum 1. Oktober.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.