"Keine Deals mit einem Möchtegern-Diktator" steht auf einem Transparent. Eine Gruppe von etwa hundert Demonstranten hat sich an der Humboldt-Universität versammelt. Mit dem "Möchtegern-Diktator" meint die Gruppe den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan. Gegen ihn und seine Regierung richtet sich der Protest. Aber auch gegen die deutsche Regierung, die die Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei nicht kritisiere, sagt Henning Obens, einer der Organisatoren.
"Das Schweigen der Regierung hat den Preis, dass Erdogan innenpolitisch weite Spielräume hat und dass ihm nicht mal mehr politisch die Meinung gesagt wird. Das kann nicht so weiter gehen, dass um die Flüchtlinge aus Europa rauszuhalten, dass da ein Deal mit diesem Diktator gemacht wird."
Türkischstämmige Deutsche machen sich Sorgen
Die türkische Regierung geht seit etwa einem halben Jahr militärisch gegen PKK-nahe kurdische Kämpfer im Südosten der Türkei vor. Der Kampf richtet sich aber vor allem gegen die Zivilbevölkerung, kritisieren internationale Menschenrechtsorganisationen. Seit dem letzten Herbst sind mehr als 200 Menschen getötet worden, darunter viele Kinder und Alte.
In mehreren Städten wurde eine wochenlange Ausgangssperre verhängt - Tag und Nacht. In einem Brief erklärten mehr als 1.000 Akademiker, sie würden sich nicht "an diesem Verbrechen beteiligen" und forderten die Regierung auf, Friedensverhandlungen zu führen.
Staatspräsident Erdoğan erklärte die Unterzeichner öffentlich zu Vaterlandsverrätern. Viele wurden verhaftet, ihnen drohen Jahre lange Haftstrafen. Den Aufruf hat auch die türkischstämmige deutsche Professorin Gökçe Yurdakul von der Humboldt-Universität unterzeichnet. Sie macht sich Sorgen um die Freiheit der Wissenschaft in der Türkei und um ihre Kollegen.
"Wir sehen, dass die deutsche Regierung, insbesondere Angela Merkel, hat ihre Meinung noch nicht geäußert. Wir hoffen, dass sie es noch macht. Es ist unakzeptabel, die akademische Freiheit einzuschränken und Menschenrechtsverletzungen weiter zu führen."
Auch Proteste von PKK-Anhängern
Die Demonstranten laufen von der Humboldt-Universität zum Kanzleramt. Dort treffen sie auf eine Kundgebung von mehrheitlich Kurden und türkischen Linken. Sie führen kurdische, einige auch PKK-Fahnen mit sich. Die Berliner Vertreterin der prokurdischen HDP, Mehtap Erol, erwartet von der deutschen Regierung, sich für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage einzusetzen.
"Wir wollen heute ein Ultimatum setzen, dass die Anschläge in Kurdistan endlich aufhören sollen und Frau Merkel endlich die Unterstützung an die Türkei, sprich an Erdoğan und Davutoğlu, endlich aufgeben soll."
Zur Stunde dauert die Kundgebung an. In Sichtweite steht eine kleinere Gruppe und schwenkt türkische Fahnen. Sie will die türkischen Regierungsvertreter begrüßen.