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Deutsche Bank
"Cryan war die richtige Wahl"

Der Rücktritt der Deutsche-Bank-Chefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain sei nicht überraschend, aber schneller als erwartet passiert, sagte der Bankenexperte Martin Hellmich im DLF. Der neue Vorstandsvorsitzende John Cryan werde die bisherige Strategie weiterführen. Er habe im Gegensatz zu den Vorgängern aber keine belastete Vergangenheit.

Martin Hellmich im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    John Cryan, ab dem 1. Juli Co-Vorsitzender der Deutschen Bank, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2011.
    John Cryan, ab dem 1. Juli Co-Vorsitzender der Deutschen Bank, auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2011. (AFP / Sebastian Derungs)
    Hellmich ist Professor an der Frankfurt School of Finance and Management. Er betonte, die Deutsche Bank habe durchaus Potenzial und auch die Strategie des Hauses als solche stehe nun nicht zur Disposition. Der Rücktritt von Jürgen Fitschen und Anshu Jain habe nicht so viel mit ihrer Arbeit als Vorstandsvorsitzende in den vergangenen drei Jahren zu tun. In der Zeit hätten sie keine konkreten Fehler begangen. "Im Wesentlichen ist es in der Tat die Problematik der Vergangenheitsbewältigung", sagte Hellmich. Mit John Cryan habe die Bank die Chance, einen Neuanfang zu machen. "Er war die richtige Wahl."
    Cryan soll zum 1. Juli 2015 Anshu Jain in der Doppelspitze ersetzen. Jürgen Fitschen bleibt noch bis zur Hauptversammlung im Mai 2016 Co-Chef, danach soll Cryan alleiniger Vorstandschef der Bank werden.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Die Deutsche Bank ist vorübergehend kopflos. Die beiden Vorstandschef Jain und Fitschen werden sich aus der Führung der Bank zurückziehen. Der Brite John Cryan soll nun erst Co-Pilot neben Fitschen und dann alleiniger Vorstandschef werden. Die Ankündigung löste auf dem Aktienmarkt einen Kurssprung aus.
    Am Telefon ist Professor Martin Hellmich, Bankenfachmann an der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag.
    Martin Hellmich: Guten Tag.
    Heinemann: Hat Sie die Meldung gestern überrascht?
    Hellmich: Die Meldung gestern vom Zeitpunkt hat mich in der Tat überrascht. Es ging jetzt schneller als gedacht. Dennoch war es klar, dass nach der Hauptversammlung hier irgendwelche Aktionen folgen müssen, und es hat sich auch angedeutet in den letzten Wochen, dass es möglicherweise nicht mehr das gegenwärtige Führungsduo sein wird. Allerdings diese jetzt sehr schnelle Reaktion, die kam doch überraschend.
    Heinemann: Beide sind ja gerade erst als Chefs der Deutschen Bank bestätigt worden. Gab es da Absprachen für dieses Szenario?
    Hellmich: Das glaube ich wiederum nicht. Ich glaube, dass die Hauptversammlung, der Verlauf der Hauptversammlung mit diesem am Schluss dramatisch schlechten Ergebnis, wo es um die Entlastung des Führungsduos ging, das kam, glaube ich, überraschend, und darauf aufbauend wurde dann jetzt entsprechend reagiert.
    Heinemann: Aber beide waren reif für den Rücktritt?
    Hellmich: Ja, in jedem Fall nach diesem Ergebnis war klar, dass die beiden auf jeden Fall massiv unter Druck stehen würden. Ich glaube, dann auch Reaktionen von der Arbeitnehmervertreterseite gegenüber Herrn Jain haben dann den Ausschlag gegeben.
    Heinemann: Welche Reaktionen?
    Hellmich: Die Arbeitnehmervertreter haben ja dann in Form von Flugblättern Herrn Jain angegriffen und auch ihn direkt zum Rücktritt aufgefordert, und das ist natürlich dann ein sehr schwieriger Punkt, wenn in der Bank so etwas passiert.
    Heinemann: Woran sind Jain und Fitschen gescheitert?
    Hellmich: Zunächst ist es so das allgemeine Umfeld von Banken. Generell sind Banken momentan auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell, und das trifft auch für die Deutsche Bank entsprechend zu. Das heißt, das schwierige Umfeld allein war es nicht. Auch andere Banken sind in einem schwierigen Umfeld, auch andere Banken in Europa haben mit großen Strafzahlungen zu kämpfen. Die Deutsche Bank als Haus hat auch Potenzial. Auch die Möglichkeit, diese jetzt festgelegte Strategie erfolgreich umzusetzen, ist gegeben. Im Wesentlichen ist es in der Tat die Problematik der Vergangenheitsbewältigung und natürlich die Tatsache, dass Herr Jain vor allem in seiner früheren Rolle als Chef des Investmentbankings mit diesen Vergangenheitsproblematiken besonders in Verbindung gebracht wurde.
    Jain ist besonders belastet
    Heinemann: War Jain ein Missgriff?
    Hellmich: Jain war als solcher wahrscheinlich kein Missgriff und es ist ja auch nicht so, dass Herr Jain alles falsch gemacht hat in den letzten drei Jahren. Im Gegenteil: Die Deutsche Bank hatte durchaus auch einiges an Fortschritten erzielt. Die Problematik ist, dass Herr Jain persönlich mit diesen ganzen Strafzahlungen, die die Deutsche Bank hat tätigen müssen, mit den hohen Aufarbeitungskosten der Vergangenheit persönlich in Verbindung gebracht wurde, und insofern ist er besonders belastet.
    Heinemann: Haben beide konkret Fehler gemacht?
    Hellmich: Konkret Fehler in den letzten drei Jahren sicher nicht. Die Fehler, die möglicherweise Herr Fitschen begangen hat, das wird sich dann entsprechend vor dem Landgericht München zeigen. Ob Herr Jain persönlich von den ganzen Verfehlungen der Investmentbanker, im Spezifischen beispielsweise die Geschichte um die Manipulation der Libor-Raten, ob er davon persönlich gewusst hat und in Verbindung gestanden hat, das kann man nicht wissen. Tatsache ist, dass er allerdings in seiner damaligen Führungsfunktion formal die Verantwortung dafür hatte, und das war sein eigentlicher Fehler.
    Heinemann: Professor Hellmich, was kann John Cryan?
    Hellmich: Er wird im Prinzip jetzt die Strategie, die die Bank eingeschlagen hat, nämlich die Reduzierung der Aktivitäten der Bank im Privatkunden-Geschäft, das wieder deutlich gestiegene Gewicht des Investmentbankings, das wird er umsetzen müssen. Es ist ja auch klar, die Strategie als solche steht nicht zur Disposition. Von seinem Hintergrund hat er in jedem Fall die Kompetenzen dafür, das zu können. Insofern hat die Bank jetzt die Chance, mit diesem Neuanfang in dieser neuen Strategie erfolgreich zu sein. Er ist insofern auch unbelastet, was die vergangenen Skandale der Bank angeht, und besitzt auch die Kompetenz. Das zeigt auch die Reaktion der Aktienmärkte, dass man hier diesem Neuanfang sehr hoffnungsvoll entgegensieht.
    Heinemann: Was kann John Cryan nicht?
    Hellmich: Was er nicht kann? Ich glaube nicht, dass man ihm attestieren kann, dass er möglicherweise in gewissen Punkten erfolglos sein wird. Was für ihn schwierig sein wird ist, auch in der deutschen Öffentlichkeit anzukommen. Es wird für ihn wahrscheinlich schwierig sein, hier das notwendige Vertrauen zu bekommen, weil ihm ja auch dieser Background Investmentbanking möglicherweise negativ angelastet wird.
    Auf der anderen Seite ist es natürlich so: Die Deutsche Bank hat ja jetzt beschlossen, diesen Weg zu gehen, ihre Stärken im Investmentbanking - da ist die Bank immerhin als eine von den Top fünf Banken der Welt gelistet - auszubauen, und aus diesem Grunde war er die richtige Wahl.
    Bank muss weiterhin im Privatkundensegment aktiv sein
    Heinemann: Der künftige Weg, von Jain und Fitschen noch vorgezeichnet, ist ja doch der des Gemischtwarenladens: Investmentbanking haben Sie genannt, aber auch ein Geldhaus weiterhin mit Privatkunden, wenngleich geschrumpft, Stichwort Postbank und anderes. Ist das ein vernünftiger Weg, im Grunde doch alle Gebiete wieder bedienen zu wollen?
    Hellmich: Es ist insofern ein vernünftiger Weg. Punkt eins ist, man legt ein stärkeres Gewicht wieder in Zukunft auf das Thema Investmentbanking, und das ist im Prinzip deswegen, weil die Bank ihre Stärken ausnutzen muss, und die Bank ist nun mal dort besonders gut aufgestellt. Sie ist dort eine der Top fünf Banken dieser Welt. Sie ist besonders stark im Handelsgeschäft, und insofern ist das sicher eine Entscheidung mit starken Argumenten dafür.
    Auf der anderen Seite muss die Bank weiterhin im Privatkundengeschäft aktiv sein: Auf der einen Seite, weil die Bank natürlich auch ihre strategische Verwurzelung hier im deutschen Sprachraum braucht, zum anderen aber auch rein aus regulatorischen Gründen. Ohne Privatkundengeschäft hat die Bank auch nicht mehr die ganzen Kundeneinlagen zur Verfügung, die für die Refinanzierung der Bank und ihre Aktivitäten wichtig sind. Insofern ist es aus diesem Grund schon sehr, sehr wichtig, diesen Privatkundenarm nicht aufzugeben.
    Heinemann: Auch ohne Postbank?
    Hellmich: Auch ohne Postbank. Es ist so: Als die Postbank damals übernommen wurde, hat man sich natürlich deutlich mehr Synergieeffekte erhofft. Man hat damals natürlich umso mehr - - Man hatte ja in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass Banken ohne Privatkundengeschäft nur eingeschränkte Refinanzierungsmöglichkeiten haben. Man hat gehofft natürlich, dass mit der Postbank dieser Arm deutlich gestärkt wird. Aus regulatorischen Gründen haben sich nicht alle Synergieeffekte entsprechend heben lassen und aus diesem Grunde hat man sich jetzt davon wieder getrennt. Das heißt aber nicht, dass die Aufgabe des Privatkundengeschäfts als solche ein intelligenter Weg wäre. Das Privatkundengeschäft wird auch für die Deutsche Bank eine große und wichtige Rolle in der Zukunft spielen.
    Heinemann: Die "Neue Züricher Zeitung" kommentiert heute: "Aufräumen muss ein Neuer, einer, der sowohl innerhalb der Bank wie auch außerhalb bei Aktionären und in der Öffentlichkeit glaubwürdig für frischen Wind sorgen kann. Cryan erfüllt dieses Kriterium zumindest insofern, als er nicht dem Investmentbanking-Sumpf der Deutschen Bank entstammt." Wie sumpfig ist John Cryans künftiges Betätigungsfeld?
    Hellmich: Ich würde es nicht als sumpfig bezeichnen. Auch wenn es die Öffentlichkeit anders sieht, die Bank hat einiges getan, um mit diesen vergangenen Geschichten im Investmentbanking entsprechend aufzuräumen. Die Deutsche Bank hat sehr viel investiert, all diese rechtlichen Fälle aus dem Weg zu räumen. Es war mehr der Punkt, dass es diese Trennung nicht gegeben hat zwischen Jains damaliger Rolle und Jains heutiger Rolle. Und das Gute ist, dass der neue Vorstandsvorsitzende genau diese Verbindung zu den alten Geschichten der Bank nicht hat, aber zu gleicher Zeit über die Kompetenz verfügt, eine Bank mit einem besonderen Schwerpunkt im Investmentbanking, wie es die Deutsche Bank eben ist, auch strategisch in der Zukunft in die richtige Richtung zu führen. Deswegen geht es nicht um die Frage, wie sumpfig ist das, sondern es geht um die Frage, wie kann die Bank ihre Stärken ausnutzen und welchen Weg muss die Bank gehen, damit sie weiterhin auch in der Zukunft im Investmentbanking eine der fünf stärksten Banken dieser Welt ist, und dafür hat der neue Vorstandsvorsitzende sicher die Kompetenz, das zu tun.
    Heinemann: Professor Martin Hellmich, Bankenfachmann an der Frankfurt School of Finance and Management. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Hellmich: Sehr gerne. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.