"Die Deutsche Bank ist fast pleite!"
Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai dieses Jahres. Vor der Festhalle an der Messe Frankfurt sammelte ein Demonstrant für das angeblich "arme" Geldhaus: Er hatte damals nicht ahnen können, dass die Deutsche Bank im dritten Quartal einen Rekordverlust von gut sechs Milliarden Euro einfahren würde. Der Grund: Abschreibungen und Rückstellungen für Strafzahlungen aus den zahlreichen Rechtsstreitigkeiten der vergangenen Jahre. Diese sind eine Folge der vielen Fehltritte im Investmentbanking. Das größte deutsche Geldhaus ist dadurch auch im Ansehen der Bevölkerung tief gefallen.
Cryans Strategien für eine Neuaufstellung
John Cryan, der neue Mann an der Spitze der Deutschen Bank, kehrt mit eisernem Besen. Das frühere Aufsichtsratsmitglied räumt auf, was seine Vorgänger nicht geschafft haben. Morgen wird er die letzten Details seiner Strategie auf einer Pressekonferenz präsentieren, mit der sich das Geldinstitut neu aufstellen will. Die Grundzüge sind seit zehn Tagen bekannt: Das Investmentbanking wird aufgespalten, die zweite Führungsebene gestrichen, die Kontrolle über das eigentliche Geschäft wieder enger an den Vorstand gezogen.
Das ist dringend nötig: Denn Cryans Vorgänger, Anshu Jain und Co-Chef Jürgen Fitschen, hatten da versagt. Deshalb drängte Aufsichtsratschef Paul Achleitner Jain im Mai zum Rücktritt. Denn vor allem in den Verantwortungsbereich des Investmentbankers fallen die meisten der Skandale, die die Deutsche Bank in den vergangenen Jahren erschüttert haben. Von John Cryan, wie Jain ein Brite, ist seit gut drei Monaten kaum etwas zu hören. Die Öffentlichkeit kennt ihn bisher nur von wenigen Fotos: Der neue Chef der Deutschen Bank trägt eine markante Halbglatze, er hat aufmerksame, wache Augen und dunkle Augenringe. Bislang hat er sich nur in einer Telefonkonferenz geäußert. Das war Ende Juli, und Cryan kündigt an, dass er handeln wolle: Es seien nicht länger Worte, sondern Taten gefordert:
"I'm determined that we'll get this done. I fully understand that this is no longer about words, but deeds."
Cryan lebt unter der Woche im Frankfurter Westend. Anders als Jain spricht er angeblich gut deutsch. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, meint Reinhard Schmidt, Professor am House of Finance der Universität Frankfurt:
"Herr Jain ist der deutschen Bevölkerung, der deutschen Öffentlichkeit nie nahe gekommen. Die Unfähigkeit und vielleicht Unwilligkeit, mehr als drei, vier gestammelte Sätze in Deutsch zu lernen, spricht meines Erachtens für eine sehr geringe Aufgeschlossenheit gegenüber den Erwartungen anderer."
Lange Zeit die Nummer Eins in Deutschland, Europa - und der Welt
Cryan hingegen gilt als sprachbegabt, er spielt sehr gut Klavier und liebt klassische Musik. Mehr aber weiß man von dem Mann nicht, der ab kommenden Mai die größte deutsche Bank allein führen soll. Dann nämlich wird sein aktueller Partner, Jürgen Fitschen, sein Amt aufgeben. Cryan hat inzwischen drei Briefe an seine Mitarbeiter geschrieben und macht dem Vernehmen nach auch in Einzelgesprächen klare Ansagen zu seinen Vorstellungen. Er genießt auch in Finanzkreisen einen guten Ruf als Sanierer: So entrümpelte er bis 2011 als Finanzvorstand der schweizerischen Großbank UBS deren Bilanz, und etablierte neue Systeme zur Überwachung ihrer Bilanzrisiken. Die UBS konzentriert sich seither auf das Vermögensmanagement.
Nun nimmt er sich die Deutsche Bank vor. Vor 145 Jahren in Berlin gegründet, war diese lange Zeit unbestritten die Nummer Eins in Deutschland, in Europa – und eine Zeit lang auch in der Welt. Ihr Aufstieg begann Mitte der 1950er-Jahre unter Hermann Josef Abs. Dessen Selbstverständnis beschreibt Reinhard Schmidt:
"Herman Josef Abs hat sich als Vize-Bundeskanzler verstanden. Er hat für Deutschland bei der Nachverhandlung des Londoner Schuldenabkommens Bemerkenswertes geleistet."
Denn Abs handelte 1953 aus, dass die Bundesrepublik nur die Hälfte der Schulden des Dritten Reiches übernehmen musste. Damit wurde die Bundesrepublik wieder kreditfähig – eine Voraussetzung für ihren wirtschaftlichen Aufstieg. Ein ähnliches Selbstverständnis zeichnete einige seiner Nachfolger aus, vor allem Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher von 1985 bis zu seiner Ermordung durch die RAF Ende November 1989. Herrhausen sagt man nach, er sei sich der Macht der Banken bewusst gewesen, aber auch der Verantwortung, die damit einhergeht. So sagte er in einem Fernsehinterview sechs Wochen vor seinem Tod:
"Wir müssen uns jeden Tag fragen, ob die Entscheidungen, die wir treffen, Verantwortungsbewusstsein widerspiegeln, das heißt, dem Interesse der 'Res Publica', der Gemeinheit, ebenso dienen wie dem Interesse unserer Kunden, unserer Mitarbeiter und unserer Aktionäre."
Der Aufbau zur Investmentbank
Dieses Selbstverständnis prägte viele Vorstandssprecher bis in die jüngere Zeit - bis hin zu Josef Ackermann. Ihr Rat wurde von der Politik gesucht – etwa bei der Euro-Schuldenkrise. Die Bank spielte eine zentrale Rolle in der deutschen Wirtschaft, sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gerne als "Deutschland AG" bezeichnet, als ein Netzwerk gegenseitiger Unternehmensverflechtungen, in deren Zentrum vor allem der Versicherungskonzern Allianz und eben die Deutsche Bank standen.
Doch das rein deutsche Geschäft war dem Geldinstitut bald nicht mehr genug, es warf wegen der starken Konkurrenz im Heimatmarkt durch andere Banken zu wenig ab, erklärt Thomas Mayer, ehemals Chefvolkswirt der Bank:
"Also musste man in ein neues Geschäftsfeld hineingehen. Man musste in das Investmentbankgeschäft hineingehen, und man musste sich internationalisieren. Das war die Antwort, die Alfred Herrhausen auf die Herausforderung gegeben hat, die sich im deutschen Markt stellte."
So erwarb die Deutsche Bank Ende 1989 die britische Investmentbank Morgan Grenfell und zehn Jahre später die amerikanische Bankers Trust Company. Der Aufbau einer Investmentbank begann. Gleichzeitig führte die Deutsche Bank das klassische Privatkundengeschäft weiter. Ihre Rolle als Hausbank vieler bedeutender deutscher Unternehmen allerdings konnte sie damit nicht mehr erfüllen, erklärt Reinhard Schmidt vom House of Finance:
"Die Rolle einer Investmentbank ist, Unternehmen bei bestimmten Vorgängen, bestimmten Transaktionen Unterstützung zu bieten. Und das ist unvereinbar mit dem Hausbankensystem. Weil, wer die Hausbank des einen ist, kann schlecht die Investmentbank des anderen sein. Und insofern war es konsequent, dass man sich von diesen Hausbank-Beziehungen weitgehend gelöst hat. Manifestiert ist das am besten darin, dass die Deutsche Bank inzwischen kaum mehr Aufsichtsratsmandate hat und kaum mehr Unternehmensbeteiligungen."
Milliardengewinne durch Investmentgeschäfte
Das wiederum erleichterte das Geschäft der Investmentbanker, denn die mussten auf die Befindlichkeiten der früheren Stammkunden keine Rücksicht mehr nehmen. Das taten sie ohnehin kaum. Denn sie brachten der Bank in guten Zeiten hohe Milliardengewinne ein, entsprechend selbstbewusst agierten sie.
Die Mitarbeiter dieser neuen Investmentsparte kamen weitgehend von außen, so wird 1996 eigens ein Team der amerikanischen Investmentbank Merrill Lynch abgeworben – darunter Anshu Jain. Dieses Team sollte zunächst die zugekauften Investmentbank Morgan Grenfell, später auch Bankers Trust, in die Deutsche Bank integrieren. Das aber ist gründlich misslungen, kritisiert Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzgesellschaft für Wertpapierbesitz:
"Da hat man dann aus meiner Sicht fehlerhaft dahingegangen, den Mitarbeitern von Bankers Trust überlassen, ihre eigenen Standards zu setzen, und da darf ich mich natürlich nicht wundern, wenn ich den Bock zum Gärtner mache, dass alle anderen Schafe es ihm gleichtun und den Garten kahlfressen."
Managementfehler diagnostiziert auch Thomas Mayer, der bis Mitte 2012 – als Anshu Jain und Jürgen Fitschen die Leitung der Bank von Josef Ackermann übernahmen - der Deutschen Bank angehörte:
"Sie hatten ein sehr heterogenes Umfeld. Es war schwierig, in diesem Umfeld eine einheitliche Risikokultur zu schaffen, die Leute hatten unterschiedliche Vorstellungen. Die Managementstruktur in der Deutschen Bank war nicht gut genug, diese unterschiedlichen Mentalitäten gut genug zu managen, dass sich da nicht Verhaltensweisen einschleichen konnten, die der Bank dann großen Schaden zugefügt haben."
Horrormeldungen im Investmentbereich
Die Investmentbanker hätten sich nie in den Konzern integriert, meint Mayer, der zehn Jahre lang in leitenden Positionen für die Deutsche Bank gearbeitet hat. Anshu Jain und seine Mitarbeiter machten für die Deutsche Bank jahrelang hohen Profit, ihre Macht im Haus wuchs. Die Folge: Der Aufsichtsrat kam bei der Ackermann-Nachfolge am Chef der Investmentsparte nicht mehr vorbei: Jain wurde im Juni 2012 zum neuen Vorstandssprecher berufen. An seiner Seite Jürgen Fitschen als Vertreter des "klassischen" Bankgeschäfts. Er sollte wohl auch die Sorgen lindern, dass sich das Geldinstitut zur reinen Investmentbank wandeln könnte. Denn schon damals zeichnete sich ab, was die Mitarbeiter von Jains Investmentsparte verursacht haben. Reinhard Schmidt von der Universität Frankfurt:
"Das, was dann im Rahmen des Investmentbanking stattgefunden hat, also die unendlich vielen Vorgänge, die zu Verurteilung, Strafzahlung aller möglichen Art im In- und Ausland geführt haben, sozusagen das tägliche Eintrudeln von Horrormeldungen, das hat das Ansehen der Deutschen Bank massiv geschädigt."
Jain und Fitschen versprachen daraufhin öffentlich einen "Kulturwandel", um künftigen Schäden dieser Art vorzubeugen und den Ruf der Bank wiederherzustellen. Doch zu diesem Zeitpunkt rächte sich bereits, dass man die Investmentbanker so lange gewähren ließ, meint Thomas Mayer:
"Man muss natürlich auch hinterfragen, ob die Deutsche Bank hier intern die Rechtsrisiken genauso gut gemanagt hat wie die Marktrisiken. Da wurde man eingeholt, da erwischte es einen auf einer Seite, auf die man nicht vorbereitet war, mit der man nicht gerechnet hatte."
Verwicklung in 7.000 Rechtsstreitigkeiten
Bis heute wird die Deutsche Bank von Horrormeldungen überrascht. Erst in dieser Woche ist publik geworden, dass es bei der russischen Tochter der Deutschen Bank um mehr als um mögliche Geldwäsche gehen könnte. Das Moskauer Büro soll gegen Sanktionen verstoßen haben, die der Westen wegen des Ukraine-Konflikts gegen Russland verhängt hat. Angeblich soll die Banktochter Geschäfte mit Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin gemacht haben. Das prüfen das Justizministerium der USA und die Finanzbehörde von New York, die in der Sache schon länger ermitteln. Bei Sanktionsverstößen aber kennen die amerikanischen Justizbehörden keinen Spaß: Wie schon in vergleichbaren Fällen könnten deshalb hohe Strafzahlungen drohen.
Der jüngste Fall, der die Deutsche Bank viel Geld kosten kann. 2,3 Milliarden Euro hat sie schon bezahlt, weil sie sich mit anderen Großbanken bei der Festlegung des Libor, eines der wichtigsten Referenzzinsätze unter Banken, abgesprochen hat. Das deutsche Institut soll zudem Devisenkurse manipuliert haben. Wie hoch die Strafzahlungen dafür sein werden, steht noch nicht fest. Die Generalsstaatsanwaltschaft Frankfurt hat einige Bankmitarbeiter wegen bandenmäßiger Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem Handel von Luftverschmutzungsrechten angeklagt.
In 7.000 Rechtsstreitigkeiten war und ist die Deutsche Bank verwickelt. Einer der unangenehmsten: Der Fall Kirch, ausgelöst durch eine Interviewäußerung des damaligen Vorstandssprechers Rolf-Ernst Breuer im Februar 2002:
"Was alles man darüber lesen und hören kann ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen."
Die Fehltritte der Deutsche-Bank-Chefs
Die Mediengruppe von Leo Kirch stellte kurz nach diesem Interview Insolvenzantrag, Kirch machte dafür Breuer mit verantwortlich, eine jahrelange Auseinandersetzung folgte, die zivilrechtliche Auseinandersetzung um Schadenersatz wurde 2012 mit einem Vergleich und einer Zahlung von 925 Millionen Euro beigelegt. Die strafrechtliche Auseinandersetzung wegen möglichem Prozessbetrug in diesem Fall dauert noch an.
Breuers unglückliche Interview-Äußerung ist jedoch nur ein Fehltritt in einer ganzen Serie von Fehltritten, die den Deutsche-Bank-Chefs im Laufe der Jahre unterlaufen sind: Hilmar Kopper, Breuers Vorgänger, bezeichnete die Schadenssumme, die durch die Pleite des Baulöwen Jürgen Schneider bei Handwerkern entstanden war, als Kleingeld, als Peanuts:
"Es handelt sich auch nicht um viel Geld. Wir schätzen, dass bei allen drei Projekten ein Betrag dabei zur Debatte steht, der ganz deutlich unter 50 Millionen Mark liegt. Wir reden hier eigentlich von Peanuts."
"Peanuts" wurde 1994 zum "Unwort des Jahres" gekürt – als Beispiel dafür, wie abgehoben die Deutsche Bank agiert, wie wenig Verständnis sie für die Nöte der kleinen Leute hat. Zum Sinnbild dieser Arroganz der Macht aber wurde das Victory-Zeichen von Josef Ackermann im Mannesmann-Prozess. Der Deutsche Bank-Chef wollte Michael Jackson nachahmen, der tags zuvor die Hand zum Victory-Zeichen erhoben hatte, als er ein Gerichtsgebäude in den USA betrat. Ackermann entschuldigte sich später dafür:
"Wenn jemand dadurch in seiner Ehre getroffen ist oder das Gefühl hat, ich respektiere die deutsche Gerichtsbarkeit nicht, dann tut mir es leid, das war nie beabsichtigt und war absolut, absoluter Quatsch."
Der Plan: Aufspaltung des Investmentbankings
Doch der Schaden war angerichtet. Die Reputation nicht nur von Ackermann, auch die seiner Bank war schwer beschädigt. Der Schweizer steuerte die Bank zwar noch etwas um: Er kaufte die Postbank, um im Privatkundengeschäft besser aufgestellt zu sein. Mittlerweile jedoch wendet sich die Deutsche Bank wieder vom Massengeschäft ab, seit dem Frühjahr ist klar: Die Postbank wird abgestoßen – im nächsten Jahr soll sie an die Börse gehen. Ein Milliardenverlust.
Ebenso wie Bankers Trust, die Investmentbank, die Ende der neunziger Jahre zugekauft wurde: Deren Firmenwert hat Vorstandsprecher John Cryan inzwischen vollständig abgeschrieben. Es sind harte Maßnahmen, die der neue Mann an der Spitze des größten deutschen Geldinstituts ergreift.
Am 8. Oktober kündigt der Brite den Rekordverlust von sechs Milliarden Euro für das dritte Quartal an. Der Grund: Neben der Abschreibung von Bankers Trust und Wertkorrekturen bei der Postbank werden weitere 1,2 Milliarden Euro für Rechtsrisiken zurückgelegt.
Des Weiteren kündigt der neue Vorstandssprecher an, dass die Investmentsparte aufgespalten wird. Was bedeutet: Das riskante Handelsgeschäft wird abgetrennt von dem Bereich, der Dienstleistungen für Unternehmenskunden anbietet. Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, erklärt:
"Das Investmentbanking soll nicht in erster Linie kurzfristig Geld für die Bank erwirtschaften, sondern es soll vor allem zunächst mit der Perspektive der Leistung für den Kunden betrieben werden. Also nicht nach dem Motto, wenn der Kunde so einen Unsinn haben will, dann verkaufen wir es ihm, wenn wir damit Geld verdienen, verkaufen wir es ihm sogar gerne, sondern nach dem Motto: Unternehmen brauchen Kapitalmarktkontakt, sie brauchen einen Berater, einen Begleiter, der ihnen die notwendigen Dinge vermittelt, und das kann die Deutsche Bank in besonders guter Weise sein. Das ist so das, was man da verkaufen will."
Kostenspar-Modell: Boni kürzen und Filialen schließen
Doch kommerziell erfolgreich ist die Bank damit noch nicht, ist sich Philipp Häßler, Analyst der equinet-Bank, sicher:
"Ansonsten ist auch klar, dass alte Probleme bestehen bleiben – Thema Rechtsrisiken, vergleichsweise schwache Kapitalausstattung, das verschwindet natürlich über Nacht nicht. Und klar ist auch: Es ist ja ein umfangreiches Kostensenkungsprogramm angedacht, das wird Restrukturierungsaufwand erfordern, und das wird auch die Ergebnisse belasten."
Zur Kostensenkung verschiebt die Bank nicht nur die Auszahlung der Boni, sie denkt offenbar auch über deren Kürzung nach. Kosten sollen auch gespart werden, in dem man 200 der derzeit gut 700 Filialen schließt und tausende Arbeitsplätze abbaut. Das Privatkundengeschäft wird neu aufgestellt, die Bank will sich wieder auf die vermögenderen Kunden konzentrieren.
Klare Ansagen macht John Cryan auch nach innen: Er streicht die zweite Führungsebene, formiert den Vorstand um, holt neue, unbelastete Manager in die Chefetage. Die Vertrauten seines Vorgängers Anshu Jain müssen gehen. Nur ein Außenstehender wie Cryan kann so rabiat vorgehen, sagt Reinhard Schmidt, Professor an der Universität Frankfurt:
"Er muss nicht wie ein alter Räuberhauptmann auf seine Kumpanen Rücksicht nehmen."
Es werden in den nächsten Monaten wohl noch mehr Verantwortliche gehen müssen, vermutet Bankenexperte Burghof:
"Am Ende kann man Menschen nicht mehr ändern. Die werden viele Grundparameter ihres Verhaltens nicht mehr ändern, bloß weil die Unternehmensleitung das so fordert. Heißt auch: Man wird dann Personalentscheidungen treffen müssen."
Kulturwandel in Richtung sozialer Verantwortung
Den Rest der Deutschen Bank-Mannschaft aber muss Cryan auf gemeinsame Werte trimmen, sagt der frühere leitende Mitarbeiter Thomas Mayer:
"Was jetzt für die neue Führung als Herausforderung ganz oben steht, ist eben die Mitnahme der Mitarbeiter und die Entwicklung einer gemeinsamen Kultur und die Ausrichtung auf gemeinsame Werte. Das hat leider in der Zeit nach Ackermann bis zu Cryan nicht so richtig geklappt."
Ein Kulturwandel in Richtung sozialer Verantwortung, auf ein ethisches Verhalten. Denn in einer sozialen Marktwirtschaft sollte eine Bank nicht nur den eigenen Wohlstand mehren, sondern auch der Gesellschaft dienen. Dessen war sich der frühere Vorstandssprecher Alfred Herrhausen durchaus bewusst. Er sagte es 1989 nur mit anderen Worten:
"Wenn man sich bemüht, das zu sagen, was man denkt, und wenn man sich bemüht, das zu tun, was man sagt und dann auch das zu sein, was man tut, dann, glaube ich, hat man eine Chance, glaubwürdig zu werden. Und dann müsste damit, mit dieser Glaubwürdigkeit, auch das Misstrauen in das, was man sagt, verschwinden. Das ist ein Prozess, den können sie nicht von Sonntag auf Montag erledigen, das ist ein langfristiges Bemühen, und diesem Bemühen müssen wir uns alle unterziehen."