Archiv

Deutsche Bischofskonferenz
Bewahrer oder Reformer?

In der nächsten Woche wählt die deutsche Bischofskonferenz einen neuen Vorsitzenden. Das könnte eine Reform der Kirchenpolitik bedeuten. Der Impuls dafür kam von ganz oben - direkt aus Rom von Papst Franziskus.

Von Gudrun Sailer und Hajo Goertz |
    Papst Franziskus mit erhobener Hand beim traditionellen Segen Urbi et Orbi am ersten Weihnachtsfeiertag in Rom
    Papst Franzikus sucht "Hirten" und keine "Fürsten" (dpa / Ettore Ferrari)
    Hop oder Top - kommt er zurück oder bleibt er für immer fern? Nur diese beiden Möglichkeiten stehen offen im Fall des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Als Papst Franziskus im vergangenen Oktober entschied, dem schwer unter Druck geratenen Bischof eine Auszeit zu gewähren und gleichzeitig den Dienstantritt des bereits bestellten Generalvikars Wolfgang Rösch vorzuziehen, schuf er Raum zum Durchatmen in Limburg. Die anstehende Entscheidung wurde auf kluge und überraschende Weise aufgeschoben, nicht aber aufgehoben: Hop oder Top - das steht weit oben auf dem Aufgabenzettel. Am Zug ist der Papst. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, den manche als den nächsten Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz sehen, spricht für viele, wenn er sich wünscht,
    "Dass es eine ordentliche Sachlösung gibt, die wie wir sagen sine ira et studio, ohne Zorn und gut studiert, zeigt, worum es wirklich geht, und dass wir zum anderen auch wissen, es gibt den Segen des Papstes in einem guten Sinn, dass er die letzte Entscheidung trifft."
    Für den Beobachter präsentiert sich der Fall Limburg zunächst als eher simpler Richtungsstreit zwischen Bewahrern und Reformern der katholischen Kirche. Kurz zusammengefasst: Unter einem scheinbar konservativen Papst - Benedikt XVI. - folgte im Bistum an der Lahn auf einen aufgeschlossenen Bischof ein konservativer, eben Tebartz-van Elst. Seit einem Jahr aber weht mit Papst Franziskus, so nehmen viele es wahr, der Wind der Reform durch die hohen alten Dome der Kirche. Im allgemeinen Aufbruch wirkt ein Bischof wie Tebartz-van Elst trotz seiner Jugend für manche wie ein auszumusterndes Relikt.
    Wahr ist, dass als "konservativ" etikettierte Kirchenmänner den vorläufig geschassten Bischof in Schutz nehmen. Das gilt für Deutschland wie für den Vatikan. In Rom hat Tebartz-van Elst nicht wenige Beschützer aus der Heimat. Zu ihnen zählt Erzbischof Georg Gänswein, der Sekretär des emeritierten und Hauspräfekt des gegenwärtigen Papstes; eine Amtskonstellation, die dafür sorgt, dass Gänswein täglich mit beiden Päpsten zu tun hat und damit eine Art Bindeglied zwischen ihnen ist.
    Unterstützer und Gegner von Tebartz-van Elst
    Noch demonstrativer hinter den Limburger Bischof stellt sich Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der mächtigen vatikanischen Glaubenskongregation. Die Vorwürfe gegen Tebartz-van Elst seien eine "Erfindung von Journalisten", sagte er im Oktober vor Journalisten bei einer Messe im Vatikan. Zu seiner Erhebung in den Kardinalstand vor zwei Wochen hatte Müller dem Limburger Bischof eine Einladung geschickt. Tebartz-van Elst reiste tatsächlich von seinem Rückzugsort in Bayern an, nahm im Bischofsornat an der Zeremonie teil und feierte tags darauf Seite an Seite mit dem Kardinal im Petersdom öffentlich die Messe.
    Das durfte er, doch war es klug? Bei Radio Vatikan, das die Meldung verbreitete, gingen Protestmails ein. Bischof Overbeck formuliert vorsichtig:
    "Die meisten in der Kirchenöffentlichkeit und darüber hinaus in Deutschland sind der Überzeugung, so nehme ich es wahr, da Bischof Tebartz-van Elst eine Auszeit hat und sich entsprechend nach eigener Entscheidung ins Kloster Metten zurückgezogen hat, ist das jetzt sein Ort. Wenn das dann plötzlich anders kommuniziert wird, ist die Irritation groß …!"
    Die Informationen und Einschätzungen, die im Vatikan bis jetzt über die Causa Limburg vorliegen, kommen indes nicht nur aus dem konservativen Lager.
    "Der Heilige Vater ist über die Lage in der Diözese Limburg..."
    23. Oktober: Vatikansprecher Pater Federico Lombardi verliest eine Erklärung. Papst Franziskus sei umfassend und objektiv über die Lage in der Diözese Limburg informiert worden. Und auf dieser Grundlage halte der Vatikan es für angemessen Tebartz-van Elst zu suspendieren, bis die Untersuchungsergebnisse vorliegen.
    "…eine Zeit außerhalb der Diözese zu gewähren."
    Zuvor hatte Papst Franziskus einen erfahrenen Vatikan-Diplomaten an die Lahn entsandt. Kardinal Giovanni Lajolo, er war früher Nuntius - das heißt päpstlicher Botschafter - in Deutschland, war bereits emeritiert, und Emeriti werden im Vatikan für heikle Missionen besonders gerne herangezogen. Lajolo, ein unbestechlich wirkender, nüchterner und diskreter Mann, erstattete dem Papst aus erster Hand Bericht über die Fakten und die gefühlte Lage in Limburg. Auch der derzeitige Nuntius in Berlin hat die Zentrale in Rom wohl mit Dutzenden Berichten aus Limburg versorgt.
    Auf der anderen Seite kamen praktisch im Zweiwochentakt aus Deutschland Bischöfe und Kardinäle aller Couleur nach Rom – konservative wie fortschrittliche. Die wenigsten reisten wegen Limburg an, doch kam die Causa bei der Kurie, der Verwaltung der Weltkirche, regelmäßig auf den Tisch. Einige wenige deutsche Kirchenmänner haben sogar, selbst wenn sie nicht wie Müller und Gänswein ein Amt im Vatikan bekleiden, direkten Zugang zum Papst. Zu ihnen gehört der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx. Er sitzt als einziger europäischer Kardinal in der achtköpfigen Kommission, die den Papst bei der von ihm geplanten Kurienreform berät.
    Marx sagte bereits vor Monaten, er halte eine Abberufung des Limburger Bischofs für vernünftig. Derselben Ansicht ist der Mainzer Kardinal Karl Lehmann. Er kam Mitte Januar zum Gespräch mit Papst Franziskus nach Rom. Lehmann sagte dem Pontifex unumwunden, Limburg brauche eine rasche Lösung.
    "Auf jeden Fall darf es nicht mehr solange gehen, weil die Limburger auch physisch und nervlich schon sehr verwundet sind. Ich habe dem Papst auch klar gesagt, dass ich Sorge habe, wenn wir das nicht bald klären, dass die Aufbruchsstimmung, die der Papst hervorgerufen hat, so auch wieder in Spannung und Widerspruch zurückversetzt werden kann. Ich habe den Eindruck, das sieht er sehr klar."
    Papst Franziskus sucht "volksnahe Hirten"
    Die Causa Limburg brennt der Kirche in Deutschland auf den Nägeln. Doch im großen Ganzen der Weltkirche ist das, was auf dem Domberg zu Limburg geschieht, von nachgeordneter Bedeutung. Gut 5.000 Bischöfe gibt es in der katholischen Kirche.
    Nun hat aber Papst Franziskus gerade mit den Bischöfen Großes vor. Er setzt viel Vertrauen in das Wissen und die Erfahrung der Bischöfe in allen Teilen der Welt, sucht ihren Rat und will ihnen in bestimmten Gebieten ihres Amtes mehr Selbstständigkeit einräumen. Und er hat, weitgehend unbemerkt, bereits zweimal darüber gesprochen, wie aus seiner Sicht der ideale Bischof aussieht. Das erste Mal vor seinen päpstlichen Diplomaten, die aus allen Ländern angereist waren, mit denen der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen unterhält. Das zweite Mal vor seiner Bischofskongregation. Diese beiden Instanzen sind jene, die in der katholischen Kirche die Bischofsernennungen vorbereiten beziehungsweise - im Fall von Schwierigkeiten mit Bischöfen - Lösungen erarbeiten. Papst Franziskus
    "Ihr sollt darauf achten, dass die Kandidaten für das Bischofsamt volksnahe Hirten sind. Das ist das erste Kriterium: Hirten, die den Menschen nahe sind. … Hirten! Wir brauchen sie! Sie sollen Väter und Brüder sein, sie sollen sanftmütig, geduldig und barmherzig sein; sie sollen die Armut lieben, die innere Armut als Freiheit für den Herrn und auch die äußere Armut als Einfachheit und Schlichtheit des Lebens. Sie sollen keine Mentalität von 'Fürsten' haben."
    Die Bischofskongregation ist das wahrscheinlich verschwiegenste Ministerium der gesamten Kurie. Der Papst betrachtet es als zentrales Instrument seines Dienstes. Im Dezember hat er die Behörde neu aufgestellt. Das dreiköpfige Leitungsteam blieb im Amt: der Präfekt, Kardinal Marc Ouellet aus Kanada, der Sekretär und der Untersekretär. Letzterer ist der Trierer Priester Udo Breitbach, der seit mehr als zwei Jahrzehnten in dieser Vatikan-Behörde wirkt; einen besseren Überblick über gute und schlechte Bischöfe im deutschen Sprachraum als Breitbach hat in Rom niemand. Unter den neu ernannten Mitgliedern der Bischofskongregation ist der Bischof von Münster, Felix Genn.
    Hingegen hat der Papst mehrere als konservativ geltende Mitglieder der Bischofskongregation nicht in der Behörde belassen, darunter aus Altersgründen die deutschen Kardinäle Joachim Meisner und Paul Josef Cordes, wobei der praktisch gleich alte Kardinal Lajolo bleiben durfte. Allerdings: Welche persönliche Ausrichtung jemand hat, der Bischöfe auswählt, darf keine Rolle spielen. Das hat Papst Franziskus in der vergangenen Woche seinen Mitarbeitern in der Bischofskongregation eingeschärft.
    "Wir müssen uns erheben über unsere eventuellen Vorlieben, Sympathien, Zugehörigkeiten oder Neigungen und in die Breite des Horizontes Gottes eintreten … Wir brauchen als Bischöfe keine Männer, die Angst vor der Tiefe haben, sondern Hirten, die begabt sind, offen zu reden."
    Bischöfe, die nicht die Gesinnung von Fürsten haben, und die begabt sind, offen zu reden: auf wie viele Bischöfe Deutschlands trifft das eigentlich zu? Diese breit gestellte Frage wird in Kürze in sehr verengter Form zur Entscheidung gelangen, wenn Franziskus dem Bistum Limburg und Bischof Tebartz-van Elst die Zukunft weist. Der Papst trifft seine Entscheidung allein, doch vielfältig beraten. Eine Frage von links oder rechts ist Limburg aus seiner Sicht gewiss nicht. Verhandelt werden keine Glaubensthemen, auch die Sache mit dem Geld ist nur der Anlass, nicht der Grund der Krise.
    Causa Limburg: Zerstörtes Vertrauen und Führungsschwäche
    Was im Vatikan aber beunruhigt, ist das Limburger Leitmotiv: zerstörtes Vertrauen und Führungsschwäche. Es geht also um das Profil des Bischofs. Selbst wenn der Prüfbericht ihm keine große Schuld attestieren sollte: Könnte Tebartz-van Elst so ohne Weiteres zurück nach Limburg? Bischof Overbeck ist skeptisch wie viele andere:
    "Es ist wichtig, dass man das Bischofsamt, das kann ich von mir selber sagen, so ausübt, dass es getragen wird vom Vertrauen der Gläubigen. Diese Frage muss sich sowohl der Bischof stellen als auch das Bistum als auch der Papst."
    Welchen Einfluss Stimmen aus Deutschland auf die Entscheidung in Rom haben, wird sich allerdings erst dann zeigen, wenn das Votum von Papst Franziskus bekannt wird. Hop oder top.
    Ganz unabhängig vom Fall Limburg stehen in der deutschen katholischen Kirche wichtige Personalentscheidungen an. In der kommenden Woche versammeln sich die deutschen Bischöfe in Münster, um einen neuen Vorsitzenden ihrer Konferenz zu wählen. Gleichzeitig sind seit eineinhalb Jahren die Bistümer Erfurt und Passau ohne Bischof, in Köln ist eben die Ära des konservativen Kardinals Joachim Meisner zu Ende gegangen. Absehbar ist auch die Suche nach einem Nachfolger für den gesundheitlich angeschlagenen Kardinal Karl Lehmann in Mainz. Und daher könnte sich zumindest für die deutsche katholische Kirche ein Generationenwechsel oder vielleicht sogar eine Richtungsänderung ergeben.
    Die Sorge um weitere Kirchenaustritten in Deutschland
    Veränderungen, in welcher Weise auch immer, könnten von Nutzen sein. Denn in den vergangenen Jahren sind stetig Gläubige aus der katholischen Kirche ausgetreten. Zuletzt war der Fall Tebartz-van Elst der Auslöser, davor der Missbrauchsskandal. Und die Tatsache, dass viele Gläubige einen zu großen Graben zwischen der Lehre der katholischen Kirche und ihrer Lebenswelt sehen. Das ergab erst kürzlich eine vom Papst initiierte weltweite Umfrage unter Katholiken zu Ehe, Familie und Sexualität. Der neue Wind, den Papst Franziskus durch die alten Kirchenschiffe wehen lässt, kann diesem Gesamtbild noch nicht viel entgegen setzen.
    "Die deutsche Kirche steht im Moment ziemlich desolat da."
    Beurteilt Annegret Laakmann die aktuelle Situation; sie gehört zur Bundesleitung der Bewegung "Wir sind Kirche"; seit nun zwei Jahrzehnten kritisiert die Initiative von Gläubigen den Kurs der Bischöfe.
    "Wenn man sieht, dass die Frage um Limburg noch zu klären ist, dass es etliche Bistümer auch zu besetzen gibt und dass die Deutsche Bischofskonferenz gleichzeitig einen neuen Vorsitzenden wählen muss, wo man dann nicht genau weiß, zu welchem Lager er zugerechnet werden wird. Oder ob er wirklich einer ist, der die Lager innerhalb der Bischofskonferenz auch versöhnen kann."
    Wie bereits erwähnt, müssen Nachfolger für mindestens drei Bistümer gefunden werden. Die ausstehenden Entscheidungen sind wohl in Rom wegen des Rücktritts von Papst Benedikt vor einem Jahr liegen geblieben, doch in der kirchlichen Öffentlichkeit wird bereits darüber spekuliert, ob der Priestermangel inzwischen auf der Ebene der Bischofskonferenz angekommen sei, es also an qualifiziertem Führungsnachwuchs fehle. Gleichzeitig streiten einige Bischöfe öffentlich über den künftigen Kurs der deutschen Kirche.
    "Ich glaube, es gibt einen versteckten Richtungswechsel oder einen Wechsel in eine versteckte Richtung."
    Meint Annegret Laakmann von 'Wir sind Kirche'.
    "Ich war sehr überrascht nach der Wahl von Franziskus, … wie mutig auf einmal viele Bischöfe waren. Dass auch einmal viele Bischöfe sich ganz anders äußern als noch vor zwei, drei Jahren. Es sind viele Bischöfe, die ganz andere Töne anschlagen, als wenn sie auf einmal befreit wären."
    So betonte etwa der Trierer Bischof Stephan Ackermann jüngst, die Kirche müsse ihre Sexualmoral überdenken. Hintergrund war die bereits angesprochene Umfrage. Allerdings wurde Ackermann prompt von mehreren Kollegen öffentlich zurückgepfiffen; die konservativen Oberhirten versuchen, ihre theologischen Pfründe – bislang unter vatikanischer Patenschaft – zu behaupten.
    Zunehmende Polarisierung in der Bischofskonferenz
    Mit der zunehmenden Polarisierung in der Bischofskonferenz wartet auf den künftigen Vorsitzenden eine gehörige Integrations-Aufgabe. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, ZdK, die offizielle Vertretung der Laien, sieht der Kür eines Nachfolgers von Robert Zollitsch mit verhaltenem Optimismus entgegen:
    "Das Zentralkomitee und ich auch persönlich erhoffen sich eigentlich, dass manche positiven Tendenzen, die jetzt gerade sich in den letzten Jahren entwickelt haben, von dem neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz kräftig unterstützt werden."
    Die Vizepräsidentin des ZdK, die CDU-Bundestagsabgeordnete Claudia Lücking-Michel, konkretisiert die Erwartungen an den neuen Vorsitzenden:
    "Drei sehr konkrete Anliegen, die würde ich so benennen: Zum einen, wir warten seit anderthalb Jahren auf Ergebnisse in der Frage der wieder verheirateten Geschiedenen; da erwarte ich, dass es weitergeht. Wir brauchen sofort einen Stopp bei der Politik hin zu Mega-Gemeinde, das heißt im Klartext wir brauchen ein neues Verständnis von Gemeindeleitung. Und wir brauchen klare, erkennbare Antworten für die Frauen-Frage."
    Rückenwind für diese Anliegen, die das ZdK etwas weniger forsch formuliert als die Bewegung "Wir sind Kirche", komme nun ausgerechnet von Rom:
    "Ich bin da ganz hoffnungsfroh und sehr optimistisch. Man merkt ja, wie der Papst Franziskus mit seinem Lebensstil, mit seinen Signalen, wie er Kirche führt, wirklich Diskussionsprozesse lostritt und auch hier, vor Ort bei uns in der deutschen Kirche manches gut eingespielte Verhalten sich jetzt erledigt hat. So darf man nicht mehr weitermachen."
    Deutliche Kritik an deutschen Bischöfen
    Tatsächlich widerspricht das vielfach kritisierte herrschaftliche Gebaren einiger Bischöfe dem Leitwort des Papstes von der Kirche der Armen. Dabei geht es um praktische Fragen. Aber es geht noch grundsätzlicher darum, wie Papst Franziskus die Kirche überhaupt verstanden wissen will. Hans Waldenfels, Theologieprofessor an der Universität Bonn:
    "Es ist das Konzilsbild der Kirche, und hier spricht er jetzt nicht vom Leib Christi – vom Leib Christi spricht er auch –, aber er spricht zunächst einmal vom Volk Gottes. Das Subjekt, das entscheidende Subjekt der Kirche ist das Volk."
    Waldenfels ist Jesuit und hat sich intensiv mit der Theologie seines Ordensbruders Papst Franziskus beschäftigt:
    "Er spricht im Grunde genommen von einer Kirche, die von unten sich neu aufbaut. Und er betont nachdrücklich die Bedeutung der Pfarrei."
    Das versteht Waldenfels als eine deutliche Kritik am bisherigen Kurs der deutschen Bischöfe. Den begründen sie mit dem tatsächlichen Priestermangel und den angeblichen Finanznöten. Verfahren wird nach der Devise: Wo ist noch ein Priester, um den herum wir die Gemeinden gruppieren können.
    "Die Signale von Papst Franziskus sind eindeutig, er setzt auf eine Kirche bei den Menschen, an den Rändern und ihm ist vollkommen klar, dafür braucht er jeden Mann und jede Frau guten Willens."
    Erklärt Lücking-Michel für das ZdK
    "Das Signal ist hoffentlich bald: Wir brauchen funktionierende pastorale soziale Kleinräume, und an der Spitze können auch Laien, auch ehrenamtlich, Verantwortung übernehmen."
    Annegret Laakmann von "Wir sind Kirche" beruft sich auf den heiligen Ambrosius, Bischof von Mailand im 4. Jahrhundert, wenn sie im Blick auf die anstehenden Personalentscheidungen fordert
    "Im Grunde genommen muss eigentlich der, der für alle da sein soll, der allen vorstehen soll, auch von allen gewählt werden, zumindest müsste man für den Anfang versuchen,... einen Weg zu finden, wo wenigstens die Gremien, die in der katholischen Kirche gewählt sind, auch den Bischof mitwählen können."
    Das würde eine Reform des Kirchenrechts erfordern. Immerhin hat das Kölner Domkapitel, das den neuen Erzbischof wählen wird, für die Nachfolge von Kardinal Meisner ein Anhörungsverfahren auch für Laienvertreter angekündigt. Ob dessen Ergebnis dann auch öffentlich gemacht wird, steht freilich dahin.
    Insgesamt ist aber in der deutschen Kirchenleitung durch die kritischen Signale, die ausgerechnet der Papst von der Spitze her aussendet, einiges in Bewegung und offen zur Sprache gekommen. Die Wahl des künftigen Vorsitzenden der Bischofskonferenz wird erkennen lassen, ob und wie die deutsche Kirchenleitung die neuen Impulse aus dem Vatikan aufnimmt.