"Der Nächste bitte, bitte etwas weiter vortreten."
Ein Ausbilder der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" richtet eine Sprühpistole auf einen Menschen im gelben Ganzkörper-Schutzanzug. Geübt wird, wie man nach einem Einsatz am Krankenbett von Ebola-Patienten in Westafrika den Anzug dekontaminiert: Mithilfe eines Desinfektionsmittels, das sorgfältig auf das Plastik gespritzt wird, werden mögliche Ebola-Viren abgewaschen.
"Wir wurden jetzt für den Einsatz in Westafrika noch mal extrem gut geschult, es waren zwei Tage in Würzburg. Es war sehr effektiv. Die Referenten kamen aus Westafrika, arbeiten dort für 'Ärzte ohne Grenzen' und wir konnten dort sozusagen Sicherheit aus erster Hand erleben."
Mario Di Gennaro ist 42 Jahre alt, ein Kerl wie ein Baum. Kräftig, mit Vollbart und klarem, ruhigen Blick. Begriffe wie "Leichtsinn" oder "Unbedachtheit" schießen einem nicht durch den Kopf, wenn man ihn anschaut und ihm zuhört:
"Ich bin sicherlich nicht lebensmüde. Und wenn man sich die Situation in Westafrika anguckt: Wir hatten immer wieder Ebola-Ausbrüche in den letzten Jahren, die aber räumlich begrenzt waren. Das, was da unten im Moment passiert, ist außerordentlich. Und das ist einfach mein Wunsch, meinen Beitrag zu leisten, um als kleines Rad im Getriebe in der richtigen Richtung drehend, das Ganze einzudämmen."
"Da gab es erst mal runde Augen"
Seit drei Jahrzehnten engagiert sich der in Frankfurt am Main geborene Mario Di Gennaro beim Deutschen Roten Kreuz, für das er inzwischen hauptamtlich arbeitet. Auf seiner Visitenkarte steht: Katastrophenschutz-Beauftragter des DRK-Landesverbands Hessen. Doch statt mit Rheinhochwasser oder mit Bränden im hessischen Staatsforst nimmt es der Familienvater bald mit Ebola auf, und zwar dort, wo das Virus am meisten wütet: In Sierra Leone oder Liberia. Wann genau er seinen Einsatzbefehl bekommen wird, ist noch nicht klar. Doch es wird bald sein, das hat er seinen beiden Kindern gesagt, die 13 und 15 Jahre alt sind:
"Ich bin geschieden, ich habe zwei Kinder. Die habe ich eigentlich, bevor ich mich freiwillig gemeldet habe, sozusagen gefragt und denen erklärt, was ich vorhabe. Da gab es erst mal runde Augen. Ich habe es ihnen sachlich erklärt, ich habe erklärt, was ich an Fachwissen habe und an Ausbildung habe und dass ich vorhabe, wiederzukommen."
Angst - die darf er eigentlich nicht verspüren. Das weiß der erfahrene Rot-Kreuz-Mann. Angst schadet der Konzentration, die er für den Umgang mit den Ebola-Patienten braucht. Jede Handbewegung im gelben Schutzanzug muss mit Bedacht geschehen. Der Abstand zum Erkrankten muss eingehalten werden, allein das Auskleiden des Anzugs braucht 10 bis 15 Minuten Zeit, weil selbst dabei jeder Handgriff wohl überlegt sein muss. All das hat Mario Di Gennaro jetzt beim Lehrgang in Würzburg trainiert:
"Angst wäre ein Faktor, wenn ich den von Anfang an verspürt hätte oder jetzt auch noch verspüren würde, dann würde ich dem Einsatz nicht mehr zur Verfügung stehen oder hätte mich nicht gemeldet. Es bleibt ein mulmiges Gefühl zurück. Man kann durch die Trainings, durch die Ausbildung, durch das Wissen, das man sich aneignet, sicher das Risiko gegen Null drücken. Aber Null ist natürlich nicht möglich."
Die Rest-Angst bleibt
Doch man glaubt Mario Di Gennaro, dass er alles tun wird, um durch äußert aufmerksames Handeln das Risiko für sich so klein zu halten wie nur möglich. Vielleicht hilft ein bisschen Rest-Angst dann doch, immer aufmerksam zu bleiben:
"Für mich dient dieses mulmige Gefühl, diese Restunsicherheit einfach dazu zu sagen: Pass auf, pass auf, pass auf! Achte die Schutzmaßnahmen, mache langsam. All die Dinge, die notwendig sind, um gesund wieder aus dem Einsatz zurückzukommen."
Und falls er sich doch ansteckt? Falls doch etwas schief gehen sollte? Wird er aus Afrika nach Frankfurt ausgeflogen? Und falls ja von wem? Darauf hat der Freiwillige noch keine Antwort. Dass die Bundeswehr Probleme mit dem Zustand ihrer Transportflugzeuge hat, weiß Mario Di Gennaro selbstverständlich. Er vertraut jedoch dem Roten Kreuz, dass im Ernstfall eine Lösung gefunden wird:
"Wir haben gesagt bekommen, dass der Bundesverband an einer Lösung arbeitet. Man hat gesehen, dass bisher die Krankheitsfälle alle ausgeflogen wurden, und mehr kann ich dazu nicht sagen."
Es fehlen geeignete freiwillige Helfer
Mario Di Gennaro war schon einmal in Westafrika, in Nigeria. Es nervt ihn ein wenig, dass in den letzten Wochen mehr und mehr über eine Ebola-Gefahr für Deutschland gesprochen wird und dabei die Not der Menschen in Westafrika aus seiner Sicht ein wenig zu sehr aus dem Blickfeld gerät. Er will dort helfen. Und er fordert ohne Scheu andere auf, seinem Beispiel zu folgen.
"Der Nächste bitte, bitte etwas weiter vortreten."
Noch fehlen nämlich freiwillige Helfer, die medizinisch vorgebildet sind und gut Englisch sprechen. Wann der Frankfurter zu seinem vierwöchigen Ebola-Hilfsdienst aufbrechen wird, weiß er noch nicht:
"Es war für mich schon ein bisschen erschreckend, so im Vorfeld nach der ganzen Berichterstattung, da gab es immer wieder in den sozialen Medien so Reaktionen, die ich gelesen habe: Warum kümmern wir uns um Westafrika, kümmern wir uns doch einfach mal um Sicherheit in Deutschland. Das ist für mich erschreckend und ich würde da wirklich gerne mal an die Humanität appellieren der Bundesbürger und sagen: Uns geht es gut, aber warum soll es den anderen schlechter gehen?"