Wo steht der gesamtdeutsche Sport 25 Jahre nach dem Mauerfall? Für Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses ist die Antwort klar: "Der gesamtdeutsche Sport steht heute genau an der Stelle, wo er im Moment hingehört."
Dabei waren die Erwartungen riesig, als im November 1989 die Mauer fällt. "Die Vereinigung ist unaufhaltsam, und sie kommt schnell. Und dann könnt ihr Deutschen euch besonders über den Sport freuen. Ihr werdet die Nummer eins werden", prophezeit ein Reporter der New York Times nur drei Tage nach dem Mauerfall im November 1989. Aus zwei erfolgreichen Sportnationen sollte im Jahr 1990 eine noch bessere werden. Fußball-Nationalmannschafts-Teamchef Franz Beckenbauer jubiliert nach dem WM-Triumph von Rom im Juli 1990, zusammen mit den hochtalentierten DDR-Profis wie Sammer und Kirsten sei man "unschlagbar". Doch so einfach wie es zunächst scheint, war es nicht.
"Ich bin der Meinung, wenn man Erfolg im Sport hatte, dann hätte man, wenn es zu einer Vereinigung kommt, die Strukturen, die vorhanden waren, so sichern müssen, dass ein gewisses Level, ein bestimmtes Niveau des Erfolgs erhalten geblieben wäre und das hat man versäumt." Ferdinand Kösters war zur Zeit der Wende Referatsleiter im bundesdeutschen Innenministerium. Vor allem im deutsch-deutschen Einigungsvertrag sieht er diese Versäumnisse. Artikel 39 ist nur sehr knapp und allgemein gehalten. "Was im Einigungsvertrag besonders herausgestellt worden war, waren - wir haben das immer so bezeichnet - diese drei Giftküchen, diese Institute aus der DDR, die Stasi- und Dopingverseucht waren, das darf man ja heute so sagen."
Westdeutsche hatten DDR-Medaillen im Blick
Bei diesen drei Instituten handelte es sich um das Dopingkontrolllabor in Kreischa, um das FES in Berlin, in dem Sportgeräte entwickelt wurden und um das Forschungsinstitut für Körperkult und Sport (FKS) in Leipzig. Das Festhalten an den Instituten lässt sich auch ganz einfach begründen, ergänzt Cordula Schubert. Sie war im letzten DDR-Kabinett von Lothar de Maiziere Sportministerin. "Dass nämlich die bundesdeutschen Funktionäre die Medaillen in den Augen hatten und natürlich hofften, dass es dabei bliebe."
Was aber nur noch für die ersten Olympischen Sommerspiele nach der Einheit, 1992 in Barcelona, galt. Einer der beide Systeme, vor wie nach der Wende miterlebt hat ist Boxer Henry Maske. Er meint, die entscheidende Frage heute, 25 Jahre danach sei, ob Deutschland immer noch ganz vorne dabei sein wolle oder eben nur dabei: "Wir wollen spitze sein. Wir wollen nicht weniger spitze sein als bei den letzten Olympischen Spielen, sondern wir wollen mehr spitze sein, um der Diskussion aus dem Weg zu gehen. Was haben wir vernachlässigt, was haben wir nicht getan, worüber haben wir beim letzten Mal diskutiert, was können wir zukünftig machen?"
Auf organisatorischer Ebene wurde die deutsch-deutsche Sporteinheit schnell gemeistert, inhaltlich und materiell gab es aber enorme Probleme. Zwei völlig unterschiedliche Systeme prallten aufeinander. Dabei ging es um Fragen der Autonomie des Sports gegenüber dem Staat und natürlich spielte auch Doping eine Rolle. Im Westen sei immer klar gewesen, dass in der DDR gedopt wurde, meint Ferdinand Kösters, auch wenn er nicht von einer flächendeckenden Anordnung durch den Staat ausging. "Leider ist das hier alles irgendwie negiert worden. Vielleicht hatte man Angst, dass das auf einen selber zurückkommt. Denn hier im Westen gab es ja auch Fälle von Doping."
Der Wettbewerb ist härter geworden
Heute, 25 Jahre nach dem Mauerfall spielt der deutsche Sport im internationalen Vergleich immer noch eine starke Rolle, aber längst nicht die, die ihm vorhergesagt wurde in der Wendezeit. Das liegt, meint Politikerin Dagmar Freitag aus dem Sportausschuss vor allem an neuen internationalen Gegebenheiten: "Sie haben heute nicht nur mehr Disziplinen, Sie haben heute auch mehr Länder, die am internationalen Wettbewerb teilnehmen. Und wenn Sie schauen, dass wir heute Medaillengewinner aus Katar oder anderen Staaten haben, da war vor 25 Jahren noch nicht die Rede von."
Im deutschen Sport spielt die Frage nach einer ausreichenden Förderung von Sportlern im Leistungs- wie im Breitensport eine entscheidende Rolle. Es geht wie immer ums Geld. Ein Staatssport wie in der DDR sei keine Lösung, meint die Politikerin, dennoch sagt sie: "Wir müssen die Wege, die die Gelder von Bundesseite nehmen in den Fokus nehmen. Wir müssen im Zweifel die Frage diskutieren: 'Brauchen wir mehr Geld?'"
Klare Sache meint Christoph Niessen, der Vorsitzende des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen: "Ist doch einfacher als das kleine Einmaleins. Es gibt drei Bestandteile: Ich habe eine steigende globale Konkurrenz mit steigenden Investitionen. Und ich habe ein stagnierendes bis schrumpfendes deutsches Budget. Und ich habe einen Erfolgsanspruch X. Und wenn ich dieses X halten will: Das funktioniert nicht, diese drei Dinge passen nicht übereinander."
25 Jahre nach dem Mauerfall kämpft der deutsche Sport vor allem an diesen Fragen der Sportförderung, besonders im Leistungssport. Die 1989 von vielen eröffnete Rechnung DDR-Medaillen plus BRD-Medaillen ist aus vielen Gründen nicht aufgegangen. Für eine erfolgreiche Zukunft gilt aber für Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, genau dasselbe wie für alle anderen Bereiche in der Gesellschaft 25 Jahre nach dem Mauerfall: "Der Blick zurück ist eigentlich der Falsche, wir müssen gemeinsam nach vorn schauen."