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Deutsche Einheit
Gauck zieht Parallelen zur Integration von Flüchtlingen

Bundespräsident Joachim Gauck hat den deutschen Einigungsprozess mit der Integration von Flüchtlingen heutzutage verglichen. "Wie 1990 erwartet uns eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird, sagte er beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt am Main.

    Bundespräsident Joachim Gauck steht hinter einem Sprecherpult und hält eine Rede. Im Hintergrund ist die Standarte des Bundespräsidenten zu sehen.
    Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Rede zum Festakt zu 25 Jahren Deutsche Einheit (picture alliance / dpa / POOL REUTERS / Ralph Orlowski)
    Anders als damals aber "soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte". Die im Grundgesetz festgeschriebenen Werte stünden dabei nicht zur Disposition. "Toleranz für Intoleranz wird es bei uns nicht geben", sagte Gauck und rief die etwa 1.300 Gäste auf: "Nutzen wir die Erinnerung als Brücke, sie verbindet uns mit einem Erfahrungsschatz, der uns gerade jetzt bestärken kann."
    Zudem mahnte er zu Geduld und Zuversicht. "Auch 1990 gab es die berechtigte Frage: Sind wir der Herausforderung gewachsen?", sagte Gauck. "Trotzdem haben Millionen Menschen die Herausforderung der Einheit angenommen." Die heute Neuankommenden müssten sich an ein Land gewöhnen, in dem Vertrautes verloren gehe - und an eine Gesellschaftsordnung, "die sie nicht selten in Konflikt mit ihren traditionellen Normen bringt". Dies brauche Zeit. "Lassen Sie aus Kontroversen keine Feindschaft entstehen", sagte der Bundespräsident. Dabei könne Zuversicht aus der jüngeren deutschen Geschichte gezogen werden, sagte Gauck mit Blick auf die Wiedervereinigung vor 25 Jahren: "Wir haben nicht nur davon geträumt, unsere Leben selbstbestimmt gestalten zu können, wir haben es getan!"
    Den Empfang der Flüchtlinge in Deutschland in diesem Sommer sei ein "starkes Signal gegen Fremdenfeindlichkeit, Ressentiments, Hassreden und Gewalt". Von freiwilligen Helfern wie Behördenmitarbeitern werde Außerordentliches geleistet. "Darauf kann dieses Land zu Recht stolz sein und sich freuen", sagte der Bundespräsident. "Ich sage heute: Danke Deutschland." Doch spüre wohl fast jeder "Angst vor der Größe der Aufgabe". "Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich", sagte er. Man tue derzeit sehr viel, um die augenblickliche Notlage zu lindern. In Zukunft müsse man aber weiter diskutieren, wie man den weiteren Zustrom an Menschen steuern, wie man Integration verbessern wolle.
    Wieder gibt es keinen Masterplan
    Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, als aktueller Bundesratspräsident Gastgeber des Festakts, nannte die aktuelle Lage eine "Ausnahmesituation, die uns noch lange beschäftigen und unser Land verändern wird". Es sei "eine Herausforderung, die uns fordert, aber wenn wir es klug anstellen, nicht überfordert." Wie vor 25 Jahren gebe es keinen Masterplan - aber die Erfahrung der Einheit zeig, dass Deutschland die Herausforderung bewältigen könne. Bundespräsident Gauck forderte von der Europäischen Union eine abgestimmten Asylpolitik. Es könne "keine Lösung in der Flüchtlingsfrage geben - es sei denn, sie ist europäisch". Man werde die Zahl an Flüchtlingen nicht reduzieren können, wenn man nicht die Lage der Menschen in ihren Herkunftsländern verbessere, wenn man Fluchtursachen bekämpfe - gleichzeitig aber auch die Sicherung der europäischen Grenzen verstärke.
    Schon am Freitag hatten in Frankfurt zum Auftakt des dreitägigen Bürgerfestes unter dem Motto "Grenzen überwinden" Zehntausende Besucher in der weitgehend abgesperrten Innenstadt gefeiert. Nach Angaben der hessischen Staatskanzlei waren etwa 350.000 Menschen auf dem Bürgerfest unterwegs. Bei einer Demonstration gegen die Einheitsfeier zogen am Abend laut Polizei rund 1.000 Menschen durch die Stadt. Zwischenfälle gab es nicht. Insgesamt werden rund eine Million Besucher zu dem Bürgerfest erwartet.
    (swe/fwa)