"Eine Kilowattstunde zu installieren, kostet 2.000 Euro – das verdienen die in 50 Jahren nicht ..."
Entwicklungshilfeminister Müller steht mit schwarzer Anzughose und weißem Hemd unter Solarkollektoren. Der Mangel an Strom - obwohl die Sonne in dieser trockenen Buschsavanne unerbittlich scheint - ist eines von zahllosen Problemen hier im Südwesten Burkina Fasos. Die Menschen haben kein Geld, nicht einmal für die einfachsten Sonnenkollektoren.
Minister Müller ist in Dano, eine von Landwirtschaft geprägte Region mitten im afrikanischen Busch. Gisbert Dreyer führt ihn über das Gelände der hiesigen Bauerngenossenschaft. Dreyer, millionenschwerer Architekt und Immobilienunternehmer aus München, hilft den Bauern in der Region mit seiner Stiftung schon seit über 20 Jahren. Probleme, Müller spricht gerne von "Herausforderungen", gibt es hier viele.
Zwei Euro Verdienst pro Tag
Der Besuchertross zieht weiter in eine Lagerhalle. Hier wird der gerade geerntete Reis gereinigt. Maschinen trennen den Reis von den Schalen. Am Ende der Halle sitzen Frauen in Arbeitsanzügen und mit Haarnetz an einem Tisch.
"Mein lieber Mann, die gesamte Ernte wird hier sortiert?"
Vor den Frauen je ein Häufchen Reis. Mit den Fingern lesen sie flink kleine Steine und anderen Unrat heraus. 40 Kilo Reis sortiert eine Frau am Tag. Der Verdienst dafür: zwei Euro. Eine Maschine könnte schneller und effektiver arbeiten, dann aber fiele dieser Arbeitsplatz weg. Innerhalb weniger Minuten lernt Müller zwei von unendlich vielen Problemen Afrikas kennen: Elektrischer Strom ist Luxus und geringe Bezahlung ist die Norm.
"Mein Marshallplan-Konzept ist nicht der Stein der Weisen. Es gibt für einen Kontinent wie Afrika nicht einen Plan. Aber das ist erstmals ein integriertes Gesamtkonzept mit neuen Ansätzen. Der Plan zeigt neue Perspektiven auf. Das können wir machen oder nicht. Uns durch Krisen treiben lassen oder vorausschauend reagieren."
Müllers Marshallplan mit Afrika soll Probleme beheben. Ein dreißigseitiges Konzeptpapier in bekannter Entwicklungszusammenarbeits-Rhetorik. Besonders sollten private Investitionen in Afrika gefördert werden, steht da zum Beispiel. Deutsche Unternehmen sollten endlich das Potenzial des Kontinents erkennen. Und besonders reformwillige Staaten sollten mehr finanzielle Unterstützung erhalten. Geld, das von reformunwilligen Ländern abgezogen würde.
Kurz nach Burkina Faso ist der Minister in der Millionenmetropole Abidjan in der Elfenbeinküste. Ally Coulibaly, der ivorische Integrationsminister, hatte Müller aufmerksam zugehört.
"Wir hören mit großer Freude von dem Marshallplan, der in Deutschland diskutiert wird. Das wäre ein gutes Mittel, um die Partnerschaft Deutschlands mit Afrika zu stärken. Besonders durch deutsche Investition in den Schlüsselbereichen – vor allem der Landwirtschaft."
Die Elfenbeinküste ist eine junge, fragile Demokratie. Etwas wohlhabender als das trockene Burkina Faso. Immerhin ist die Elfenbeinküste der weltweit größte Exporteur von Kakao. Für Müller ein Dorn im Auge, wird hauptsächlich die Rohware verschifft. Schokolade und Gewinne werden dann in Europa oder Amerika bei den Schokoladeherstellern gemacht. Wieder so ein Problem.
In Abidjan ist der Hauptsitz der Afrikanischen Entwicklungsbank. Die milliardenschwere Bank vergibt Kredite an ihre afrikanischen Mitglieder. Die Direktoren aus nahezu allen afrikanischen Ländern interessieren sich für Müllers Marshallplan. "Interessant, aber doch ein bisschen allgemein gehalten", so das einhellige Urteil nach dem Treffen. Elisha Sulai, der Entsandte aus Nigeria, vermisst mindestens zwei Punkte.
"Interessant, aber doch ein bisschen allgemein gehalten"
"Erst mal geht es mir um den Handel. Er spricht von fairem Handel. Tatsächlich wird die europäische Landwirtschaft subventioniert und auf der anderen Seite haben afrikanische Landwirtschaftsprodukte kaum Zugang nach Europa. Zweitens: Klima! Afrika kann sich nicht entwickeln ohne Grundversorgung von elektrischem Strom. Industrialisierung geht nicht ohne Energiequellen wie Kohle oder Öl. Das mag nicht die grünste Energie sein, aber die brauchen wir, um zu starten."
Zurück in Burkina Faso. In Dano. Zu der Bauerngenossenschaft gehört ein Grundschulkomplex. 700 Kinder werden in einstöckigen Ziegelsteinbauten unterrichtet. Gut 15 Millionen Euro haben die Dreyers hier über die Jahre investiert. Die Gebäude haben sie gebaut, ihr einheimisches Team leitet die Schule, die Lehrer werden vom Staat bezahlt. Einen langen Atem braucht man hier, meint Jenny Dreyer-Gsell.
"Das ist in der Verwaltung. Wir wollen jetzt anfangen, dann braucht man ein Zertifikat und da sind die Beamten sehr langsam, dann muss man sehr oft nach Ouagadougou, dann sind sie nicht da ..."
Dreyer-Gsell glaubt, dass Investitionen nur langsam fruchten und staatliche Unterstützungen aus Deutschland brauchen. Zum Beispiel verbesserte Hermesbürgschaften. Dann könne mehr angeschoben und das Potenzial für beidseitigen Gewinn genutzt werden.
"Geld kann man schon verdienen, wenn man auf die Bioproduktion geht. Beiersdorf könnte wunderbare Bioprodukte machen. Nestle mit getrockneten Zwiebeln – die suchen händeringend. Unser Interesse ist es, die deutsche Wirtschaft hierher zu kriegen. Aber das gelingt nur mit Unterstützung der deutschen Politik, in dem Rahmenbedingen geschaffen werden. Ich hoffe, das gelingt, dann schaffen wir das!"