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Deutsche Erfolgsromane als Hollywoodrenner

Das Schimpfen auf Hollywoods Filmproduktion hat in Deutschland Tradition, doch die könnte ins Wanken geraten. Denn derzeit stehen ausgerechnet deutsche Romanvorlagen bei den kalifornischen Traumfabrikanten hoch im Kurs. Jüngster Spross ist die prachtvolle Verfilmung von Cornelia Funkes Fantasy-Bestseller "Tintenherz".

Von Josef Schnelle |
    Lesen macht den ganzen Unterschied. Eine ebenso nahe liegende wie gute Idee, für Bücherwürmer. Wenn man nur genügend heftig und begeistert laut vorliest, dann werden die Figuren aus den Büchern so lebendig, als könne man sie anfassen oder wenigstens in einen Film locken, damit sie all die vorgestellten Abenteuer - umgesetzt mit den Mitteln des Kinos - erleben können. Das ist der Grundgedanke des Bestsellers "Tintenherz" von Cornelia Funke. Davon hat sie auch eine Millionenauflage verkauft und die Hollywoodfirma "New Line" überzeugt, dass da eine Serienidee am Start ist, die "Harry Potter" durchaus das Wasser reichen kann. Dem Bestseller "Tintenherz" folgten die Fortsetzungen "Tintenblut" und "Tintentod" und auch diese Bücher mit Bösewichten aus den Buchwelten und einem Vater, der mit seiner Tochter durch dick und dünn geht, könnten am Ende im Kino landen. Ian Softley hat die erste Geschichte mit großer Starbesetzung und kräftigem Hollywood-Happyend inszeniert. Dass das zusammengeht - Kinderbucherfolge und Kino - hatte Cornelia Funke schon mit ihrer Wilden-Hühner-Serie und besonders mit der von Detlev Buck verfilmten Vorlage "Hände weg von Mississippi" bewiesen. So komplett verfilmt wurde bisher kein deutscher Kinderbuchautor. Auch wenn Funke schon einige Zeit in Los Angeles lebt, war der Deal doch überraschend. Deutsche Fantasy als Exportartikel. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Natürlich lebt die "Tintenherz"-Verfilmung davon, dass nichts ausgelassen wird, weder die visuellen Schauwerte, noch die gut eingeführten Darsteller des Mainstream-Kinos wie Brendan Fraser, der sich als stets staunender Archäologe in "Die Mumie 1-3" einen Namen gemacht hat. Cornelia Funkes liebevolle Hommage an die welterschaffende Kraft des Lesens kommt zwar ein wenig zu kurz, aber wer liest denn noch von den jungen Leuten, die gerne ins Kino gehen. Für das leseunkundige Publikum ist denn auch die größte Ungereimtheit des Stoffes kein Rätsel. Man kann zwar alles bewegen und die größten Magiewunder in Gang setzen, aber im Grunde hat man keine Kontrolle über den Prozess der Fantasieproduktion.

    Man kann "Tintenherz" als eine kongeniale Verfilmung bezeichnen schließlich ist der Film in allen Phasen des Entstehungsprozesses von der Autorin begleitet worden. Der Film ist auch - was die Schauwerte und die Grundphilosophie des Stoffes angeht - durchaus als gelungen zu bezeichnen. Trotzdem bleibt ein ungutes Restgefühl. Eine filmische Hommage an das Lesen und dann Action pur. Wie soll das gehen? Softley setzt vielleicht zu sehr auf die Knalleffekte. Hingegen kann er sich auf die Vater-Tochter-Beziehung als klug konstruierte stabile emotionale Identifikationsachse verlassen. Schließlich ist das neue Interesse an deutschen Bestsellererfolgen nicht nur eine Folge des Stoffmangels durch den Drehbuchautorenstreik, sondern ein Lob der dramaturgischen Qualität der deutschen Bücher. "Tintenherz" wird sicher Fortsetzungen finden. Bernhard Schlincks "Der Vorleser" mit Kate Winslet wird dann im Januar der nächste Streich sein. Der Film ist gerade abgedreht und befindet sich auf Oscar-Kurs. Frank Schätzings Ökomelodram "Der Schwarm" geht gerade in die Produktionsvorbereitung. Deutsche Romane stehen gut im Kurs und könnten Hollywoods Sicht auf die Welt der Literatur verändern.