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Deutsche Hochschule für Körperkultur
Ehemaliges DDR-Prestigeobjekt im Wandel der Zeit

Die DHfK, die Hochschule des DDR-Sports, gibt es nicht mehr. Vor rund 30 Jahren wurde sie geschlossen. Dennoch ist sie den meisten Leipzigerinnen und Leipzigern nach wie vor ein Begriff - genauso wie das Gebäude, in der sie untergebracht war und in dessen Keller eine imposante Kunstsammlung lagert.

Von Jennifer Stange |
Bild mit einem Radfahrer im Kreis von Kindern mit ihren Fahrrädern
Bekanntestes Stück der Sammlung: Täve Schur, die Ikone des DDR-Radsports im Kreis von Kindern mit ihren Fahrrädern. (Deutschlandradio / Jennifer Stange)
Arnold Bartetzky ist einer der profiliertesten Kunsthistoriker und Architekturkritiker in Leipzig. Er steht an der Nordseite der ehemaligen DHfK. Der Bau will beeindrucken, sagt er: "Wegen seiner prachtvollen, in weiten Teilen an den Klassizismus anknüpfenden Architektur. Zum anderen, weil es auch im Stadtraum sehr präsent ist. Wenn man die Jahnallee hier lang fährt, dann denkt man, dass man auch auf der linken Seite so Palastanlagen sieht. Mit Balustraden sind sie bekrönt, mit Gesimsen, mit Pilastern und allen möglichen Dekor und Würdeformen, die kennzeichnend waren für die Antike."
Bartetzky steht dort, wo 1952 die Bauarbeiten begannen. Die DHfK war nationales Prestige-Projekt der DDR, der Bau sollte Bedeutung und Anerkennung des Sports durch Regierung und Volk widerspiegeln. Die gesamte, rund zehn Fussballfelder große Anlage sollte aussehen wie die frühen Bauten. In einem eher konservativen Stil, wie er sowohl das Gesicht des Stalinismus als auch des Absolutismus prägt, sagt Bartetsky.
Zeugnis der Brüche in der DDR
Weil aber Baustoffe, Geld und Facharbeiter chronisch knapp waren, zog sich der Bau mit großen Unterbrechungen bis 1987. Die realisierte Anlage unterscheidet sich deutlich von den ursprünglichen Planungen. Sie sei architektonisches Zeugnis des Wandels und der Brüche in der DDR, sagt Bartetzky mit Blick auf das ehemalige Gebäude der Sportmedizin: "Dieser Bruch, der ist hier wunderbar anschaulich. Wir haben diese Seitenflügel aus der Zeit des Sozialistischen Realismus, des klassizisierenden Monumentalismus der Stalinzeit und wir haben den mittleren Teil als einen Vertreter der DDR Moderne."
Im unscheinbaren 60er-Jahre Bau hat heute eine private Business School ihren Sitz. Der restliche überwiegende Teil des Geländes ist Campus der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Uni Leipzig. Im Zentrum die Leichtathletik-Anlage. An der nordwestlichen Seite gerahmt durch die klassizistischen Bauten. Bartetsky: "Man sieht eigentlich kaum einem der Gebäude also direkt die Sporthalle an, die da drin steckt und das ist natürlich auch Programm."
Die Turn- und Sporthallen wirken auf den ersten Blick wie imposante Ball- und Festsäle. Die größte ist bis heute die Ernst-Grube-Halle. Barocke Fensterfronten und edle Keramikkacheln an den Wänden, die auch den Wurf- und Stoßdisziplinen standhalten sollten. Auf der Rückseite eine Empfangshalle mit Freitreppen rechts und links. Von dort aus zieht sich ein endlos wirkender Flur Richtung Süden, seine Türen führen in weitere mit Pfeilern, Ornament und Malerei verzierte Fecht, Kraftsport- und Turnhallen.
Bartetzky: "Wenn man das positiv fasst, geht es darum, den Studentinnen und Studenten, den Lehrenden der Körperkultur den Eindruck zu vermitteln, sie seien die Herren im Staat. Also das ist eigentlich eine Kultur der ganz großen Wertschätzung. Gleichzeitig gab es ja auch das Konzept, Paläste für die Arbeiter. Das, was früher den Herrschenden, den Adligen, den Superreichen vorbehalten war, das machen wir jetzt möglich für die breiten Volksmassen."
Kunstsammlung weicht von offiziellen DDR-Inszenierungen ab
Der Fachbereich Sportästhetik an der DHfK sammelte auch Kunst, die in den Räumen und Fluren der Sporthochschschule ausgestellt waren. Das Fach hat die Wende nicht überlebt, die Kunst verschwand im Keller der Universität, wo die Werke bis heute lagern. Christine Hübner, Sammlungskonservatorin, öffnet erst ein Gitter und dann eine alarmgesicherte Stahltür. Dahinter trifft einen sofort der ungewohnt ernste Blick von Katharina Witt. Das Gemälde zeigt die DDR-Eiskunstlaufprinzessin und Olympiasiegerin nicht im gewohnten Glitzerkleid, sondern in einer Art grauem Arbeitsanzug.
Hübner: "Eine Heroengalerie der DDR Sporthelden, oder nur Sieger oder Leistungssportler in der Ausübung, sondern es sind eben auch ganz unterschiedliche Bilder. Wir haben die Portraits von Medaillengewinnern, aber auch nicht immer in triumphierender sondern ganz unterschiedlicher Pose. Es sind aber auch ganz viele Darstellungen, die auf Sport im Alltag zeigen."
Eine Frau präsentiert ein großes Gemälde im Keller der Universität
Christine Hübner, Sammlungskonservatorin, zeigt die Kunstsammlung DHfK (Deutschlandradio / Jennifer Stange)
Eine Turnerin im Freizeitdress, Badespaß am Strand. Oder eines der bekanntesten Stücke der Sammlung: Täve Schur, die Ikone des DDR-Radsports im Kreis von Kindern mit ihren Fahrrädern. Die Sammlung weicht deutlich ab von den offiziellen, betont uniformierten Inszenierungen des Sports in der DDR.
Bewegung kam später auch in die Architektur der DHFK, weg von der Formensprache des klassizistischen Sozialistischen Realismus. Kunsthistoriker Bartetzsky: "Überspitzt könnte man sagen, die Architektur beginnt hier ein bisschen zu tanzen, sie löst sich aus der Starre dieses konservativen, stalinischen Konservatismus und versetzt sich in Schwung."
Mit gebogenem Dach, schräger Glasfassade und offenliegenden Stahlträgern steht die taubenblaue Schwimmhalle für eine Epoche, die heute viel unbeliebter ist als ihre stalinistischen Vorgänger, nämlich die DDR-Moderne. Sie prägt den südöstlichen Campus auf eher unscheinbare Art. Ein Neubau aus der jüngeren Nach-Wendezeit, ein gedrungener Betonbunker mit Schießscharten-Fenstern, wie Bartetzky sagt, schließt die Lücke zwischen West und Nordachse des ehemaligen DHfK-Geländes.