Archiv

Deutsche Investoren in Indien
Schwieriger Standort mit großem Potenzial

Sprachbarrieren, Kulturunterschiede und eine ausufernde Bürokratie: Für neue Investoren gilt Indien als ein besonders schwieriges Land. Trotzdem sind bereits 1.800 deutsche Unternehmen in Indien aktiv – einem Markt mit bald 1,3 Milliarden Menschen, in dem enormes Potenzial steckt.

Von Jürgen Webermann |
    Eine stark befahrene Schnellstraße in Neu Delhi in Indien führt an einer Fabrik mit rauchendem Schlot vorbei. Das Bild ist blaustichig, der Himmel grau. Das Foto wurde wohl von einer Brücke aus aufgenommen.
    Die indische Wirtschaft wächst derzeit konstant. 2015 hat die indische Regierung ein sogenanntes Schnellverfahren für deutsche Firmen in Aussicht gestellt, die im Land investieren wollen. (EPA)
    Oliver Lüdtke muss erst einmal durchatmen. Er sitzt in einem Hotel am Flughafen von Neu-Delhi. Der Vorstand des Bio-Kraftstoff-Herstellers Verbio aus Sachsen ist gerade zurück aus dem Bundesstaat Punjab. Dort plant Verbio eine Fabrik für Bio-Gas:
    "Ich hätte gedacht, dass wir vielleicht schon mal ein Grundstück kaufen. Aber eins lernt man in Indien: Das dauert immer länger als gedacht. Also, es ist schon so ein bisschen… es ist nicht ganz einfach."
    Die Idee Lüdtkes, die ist dagegen einfach: Er will den Bauern im Punjab, einer Kornkammer Indiens, überschüssiges Stroh abkaufen und es zu Biogas verarbeiten. Die Landwirte verbrennen das Stroh derzeit, das verpestet sogar noch in der weit entfernten Hauptstadt Delhi die Luft. Und für Biogas gibt es auch im energiehungrigen Indien eine rege Nachfrage:
    "Natürlich versprechen wir uns davon, hier ein Geschäftsfeld aufzubauen. Indien ist natürlich ein Wachstumsmarkt. Das ist natürlich toll. Auch wenn Sie noch keine riesigen Kundenbeziehungen haben, kommen Sie hier noch rein."
    Komplizierte Abrechnungen und Verträge
    Indien gilt aber auch als eines der Länder, die besonders schwierig sind für neue Investoren wie Lüdtke. Jede Abrechnung, jeder Vertrag, jedes Gespräch kann kompliziert werden. Es gibt Sprachbarrieren und Kulturbarrieren, dazu klagen die meisten Unternehmen in Indien immer noch über eine aus ihrer Sicht maximale Bürokratie.
    "Als Mittelständler ist man da überfordert. In Leipzig ist die Zentrale, da sitzen 40 Leute, und die haben alle was zu tun. Da ist keiner, der Zeit hat, nach Indien zu fahren."
    Aber Lüdtke bekommt Hilfe – die indische Botschaft in Berlin hat dafür eigens das Programm "Make in India Mittelstand" aufgelegt. Sie stellt Berater, die durch den Dschungel aus Behörden, Lizenzen, Regelungen in Indien helfen. Zusätzlich hat die indische Regierung 2015 ein sogenanntes Schnellverfahren für deutsche Firmen in Aussicht gestellt – weniger Behördengänge, weniger Genehmigungen, das ist das Ziel. Allerdings gibt es noch keine offiziellen Daten darüber, ob das Verfahren auch erfolgreich umgesetzt wurde.
    "Indiens Markt erfordert Flexibilität"
    Derzeit sind 1.800 deutsche Unternehmen in Indien aktiv – einem Markt mit bald 1,3 Milliarden Menschen, in dem enormes Potenzial steckt: Rund 300 Millionen Menschen besitzen Smartphones, das dürfte in etwa auch die Zahl derjenigen sein, die genug Geld zum Konsumieren haben. Jeden Monat werden es mehr.
    Wilfried Aulbur kennt sich in Indien aus wie nur wenige andere deutsche Manager. Aulbur hat einst die Niederlassung von Mercedes-Benz geleitet und ist jetzt bei der Unternehmensberatung Roland Berger in Indien. Er hat ein Buch geschrieben, das sich in Indien gut verkauft: "Riding the Tiger" heißt es. Aulbur beschreibt darin, wie Firmen in Indien erfolgreich sein können:
    "Man muss hier verstehen, dass Indien ein Markt ist, der zweimal den Aufwand erfordert, um das gleiche Ergebnis zu erzielen, auch ein Markt ist, der Flexibilität erfordert. Ich brauche da manchmal ein bisschen Gelassenheit. Und man muss Leidenschaft haben, um hier erfolgreich Geschäfte aufzubauen."
    "Indiens Markt auch als deutsches Unternehmen nicht vernachlässigen"
    Die indische Wirtschaft wächst derzeit konstant um etwa sieben Prozent. Allerdings sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen: 90 Prozent der Menschen arbeiten unter der Hand, die Datenlage, aus der das Wachstum berechnet wird, ist dünn. Aber Modi, der seit drei Jahren im Amt ist, hat für Aufbruchsstimmung gesorgt. Modi arbeitet daran, Indiens Image im Ausland aufzubessern. Er drängt auf Wirtschaftsreformen. Viele Bundesstaaten wetteiferten geradezu um Investoren, sagt Aulbur:
    "Es wird viel in die Infrastruktur investiert, es geht um Häfen, es geht um Straßen, und ich denke, dass mit der großen Menge an Konsumenten Indien ein Markt ist, den man nicht vernachlässigen kann, auch als deutsches Unternehmen."
    Oliver Lüdtke, der im Punjab eine Bio-Treibstoff-Fabrik aufbauen will, staunt jedoch immer noch über diesen so ganz anderen Standort. Dabei ist der Manager aus Sachsen längst in der indischen Realität angekommen:
    "Ich wäre schon froh, wenn wir Ende nächsten Jahres eine Anlage stehen hätten, das wäre schon toll. Aber es kann auch ein Jahr länger dauern. Ohne Vertrag machen wir nichts, das alleine kann schon bewirken, dass man da ein paar Monate länger braucht. Aber wir kriegen das hin, sonst würde ich ja nicht hier sein."
    Geduld und Optimismus – Lüdtke hat sich ganz offenbar zwei urindische Tugenden angeeignet.