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Deutsche Mondmission
Besuch des Apollo-Mondautos

Was ist eigentlich aus den Autos auf dem Mond geworden? Das möchte das deutsche Unternehmen PTS herausfinden. Sie soll auf der erdzugewandten Seite landen und die Überreste von Apollo 17 untersuchen. Universitäten und Raumfahrtbehörden können die Sonde anschließend für weitere Versuchen mieten.

Von Guido Meyer | 18.12.2019
Der US-amerikanische NASA-Astronaut Eugene Cernan, Kommandant der Apollo 17, spaziert am 13. Dezember 1972 auf dem Mond herum. Im Hintergrund ist die US-Flagge zu sehen und eine Antenne.
Die Überreste von Apollo 17 stehen in der Nähe des Mond-Äquators (imago stock&people / Zuma Press)
Apollo 17 startete im Dezember 1972 zurück zur Erde - "Wir sind auf dem Weg, Houston!" Und ihr Auto – das haben die Astronauten im Tal Taurus–Littrow geparkt, ungefähr auf Höhe des Mond-Äquators. Gesagt, getan. Das Unternehmen PTS – Planetary Transportation Systems – aus Berlin entwickelt derzeit eine Sonde, die dort oben nachschauen soll:
"Dort steht seit über 40 Jahren das Mondfahrzeug herum. Und eine der spannenden Fragen, die wir erkunden wollen, ist zum Beispiel, was ist eigentlich mit dem in 40 Jahren auf der Mondoberfläche geschehen? Ist das von Mikrometeoriten total zerschossen? Hat die Strahlung die verschiedenen Materialien zersetzt? Das ist etwas, was wir mit unserer Kamera, die wir am Rover haben, untersuchen können."
Materialforschung auf Abstand
Karsten Becker ist einer von fast 70 PTS-Ingenieuren aus Berlin. Was seine Arbeit einfacher macht: Der Mond hat keine Atmosphäre. Somit kann dort oben nichts verrotten, rosten oder schimmeln. Dennoch: Noch nie ist jemand zurückgekehrt zu den drei Mondautos der 70er-Jahre. Die deutsche Mondsonde wird also eine Premiere. Aber: Es wird Materialforschung auf Abstand werden. Denn die Raumfahrtwracks auf dem Mond haben heute Museumscharakter. Deswegen hat die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Vorschriften erlassen, wie nah sich andere Sonden ihrem Schrott nähern dürfen.
"Es gibt einen 200-Meter-Umfang um die Landestelle von Apollo, wo man nicht reinfahren darf. Und zusätzlich gibt es noch ein Zwei-Kilometer-Sperrgebiet, wo man nicht reinfliegen darf. Das heißt, wenn wir zu Apollo 17 hinfliegen wollen, müssen wir südlich davon vorbeifliegen und da dann halt so zwei bis drei Kilometer entfernt landen."
Nach derzeitigem Planungsstand soll die deutsche Mondmission aus einer Landesonde und gleich zwei Rovern bestehen. Sie sollen möglichst nahe an die Apollo-17-Landestätte und an das amerikanische Mondauto heranfahren. Das Modell zumindest ist schon fertig:
"Wir stehen hier vor unsere Landefähre. Die heißt ALINA. Das ist ein kreisrundes Landegerät. Das hat einen Durchmesser von ungefähr zweieinhalb Meter, wenn die Beine eingefahren sind. Ungefähr zwei Meter auch hoch, wenn es hier auf dem Boden steht. Auf der Unterseite sieht man die Triebwerke. Da haben wir acht Stücke davon, die dafür sorgen, dass man sanft auf der Mondoberfläche sich absetzen kann."
Denn das ist leichter gesagt als getan. Israel und Indien hätten erst vor wenigen Monaten erfahren müssen, wie schwer es ist, auf dem Mond zu landen, ergänzt Robert Böhme, der Gründer von PTS:
"Gerade dieses Jahr war, was die Mondraumfahrt angeht, kein gutes Jahr, mit zwei gescheiterten Missionen. Und die sind beide Male fehlgeschlagen wenige Meter über dem Boden. Da haben wir noch nicht einmal davon geredet, dass die aufgesetzt sind. Wir hatten nicht, dass da einer gelandet ist, und da ist das Bein abgebrochen, und der ist umgekippt. Die Dinger sind mit einer sehr hohen Geschwindigkeit seitlich in den Boden eingeschlagen. Da müssen wir jetzt natürlich beweisen, dass das schaffbar ist."
Landung auf der erdzugewandten Seite
Da kommt es PTS gerade recht, dass die Überreste von Apollo 17 auf der erdzugewandten Seite des Mondes stehen, und dazu noch in der Nähe des Äquators. Klar, die erdabgewandte, die sogenannte "dunkle" Seite des Mondes, wäre interessanter – oder einer der Pole mit seinem Wassereis. Aber das wäre für den ersten Landeversuch dann vielleicht doch zu ehrgeizig:
"Wenn man sich einmal den Südpol vorstellt: Da hast du relativ kleine Gebiete, wo du eine ebene Fläche hast, das heißt, du musst ziemlich genau auf dem Punkt landen können und nicht irgendwo ein paar Meter weiter daneben, sonst bleibt da das Raumschiff nicht richtig stehen oder du bist auf einmal in einer Schattenregion. Und wenn du keine Sonne hast, hast du keinen Strom und so weiter. Wenn man sagt: Was ist die idiotensicherste Variante? Sag ich einmal so, dann ist es schon am einfachsten, diese Richtung von Apollo 17 zu wählen."
Und der Raumfahrtfriedhof von Apollo 17 soll erst der Anfang sein. Universitäten oder Raumfahrtbehörden sollen Landesonden vom Typ ALINA künftig mieten, sie mit verschiedenen Versuchen bestücken, mit bis zu 300 Kilogramm Nutzlast. Die Abkürzung ALINA steht dabei für Autonomous LandIng and NAvigation Module, für ein autonomes Lande- und Navigationsmodul also:
"Faktisch gesehen sind das zum Großteil Experimente - das stimmt. Aber was wichtig ist, was man sich vor Augen führen muss: Was wir machen, ist ja Logistik. Also, im Endeffekt kann es uns egal sein. Wenn jemand seinen Kühlschrank hochschicken will, dann schicken wir auch den Kühlschrank hoch."
2021 sollte eigentlich der Starttermin für die erste deutsche ALINA-Mission zum Mond sein. Doch der Konkurs der PT-Scientists, ihr Aufkauf durch das Unternehmen Zeitfracht und die Namensänderung in PTS forderte seinen zeitlichen Tribut. Die Mission dürfte sich um mindestens ein Jahr verschieben. Macht aber nichts – 2022 würde ALINA gerade recht zum 50. Jahrestag der bislang letzten bemannten Mondlandung dorthin zurückkehren. In diesem Sinne:
"Wir wünschen Euch viel Glück!"