Die Europäische Union werde noch in dieser Woche ein deutliches Signal geben, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Es werde noch ein paar Tage dauern, weil es wichtig sei, dass die Regeln eingehalten werden und alles rechtlich einwandfrei sei. In den nächsten Tagen werde man genau studieren, welche Auswirkungen die Sanktionen genau hätten. Dann werde man auch sehen, wie die EU angemessen reagieren könne. Er sei sich sicher, dass negative Auswirkungen zunächst und am stärksten in den USA zu spüren sein werden, da dort die Preise für Stahl und Aluminium steigen würden.
Das Interview in voller Länge:
Ann-Kathrin Büüsker: Mexiko und Kanada haben gestern prompt reagiert, als klar war, dass sie ab sofort von den Strafzöllen der USA betroffen sind. Sie haben Gegenzölle angekündigt. Theoretisch gibt es dafür auch in der EU bereits Pläne. Die wurden aber gestern noch nicht ausgerollt. In jedem Fall ist man um eine gemeinsame Lösung bemüht. Das betonte gestern auch Außenminister Heiko Maas:
O-Ton Heiko Maas: "Die richtige Antwort auf "America First" ist "Europe United"."
Büüsker: Das hat bis hierhin in den Verhandlungen allerdings noch nicht so viel genützt. Warum diese Verhandlungen letztlich keinen Erfolg gebracht haben, das kann ich jetzt einen fragen, der sie maßgeblich mit geführt hat. Am Telefon ist der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier , CDU. Guten Morgen!
Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Büüsker.
Büüsker: Herr Altmaier, nun haben Sie sich in diesen Verhandlungen so intensiv engagiert. Wie frustriert sind Sie heute Morgen, dass das alles nicht geklappt hat?
Altmaier: Wir sind ja noch nicht am Ende des Weges und es ist erst der Anfang vom Lied. Was wir versucht haben war, eine vernünftige Verständigungslösung innerhalb ganz kurzer Zeit mit den USA zu erreichen. Dafür gab es auch bei einigen Politikern in den USA durchaus Interesse und Bereitschaft. Am Ende haben sich diejenigen durchgesetzt, die für einseitige harte Maßnahmen waren. Ich halte das für einen schweren Fehler. Ich halte es für eine Belastung der Weltwirtschaft. Das macht mich ärgerlich und auch besorgt. Aber wir sind erst am Anfang einer Debatte und deshalb ist noch längst nicht entschieden, wer am Ende Gewinner und Verlierer ist.
Büüsker: Hatten Sie letztlich einfach die falsche Verhandlungsstrategie?
Altmaier: Die Verhandlungsstrategie bestand darin, dass wir über Probleme, die auf beiden Seiten als vorhanden gelten, und über Zustände, die auf beiden Seiten als ungerecht empfunden werden, reden. Dafür hat die Europäische Union ein Angebot vorgelegt. Auf dieses Angebot sind die USA leider nicht mehr eingegangen. Das ist kein Grund dagegen, dass man es versucht hat, denn wenn wir es nicht versucht hätten, dann hätten wir deutsche Interessen, europäische Interessen von Anfang an preisgegeben. Jetzt sind wir in einer Situation, wo auch die Antwort der Europäischen Union und mögliche Gegenmaßnahmen der Europäischen Union für viele Bürgerinnen und Bürger leichter nachvollziehbar sind.
"Diese Entscheidung wird die Geschlossenheit der Europäischen Union stärken"
Büüsker: Lassen Sie uns gleich über die Gegenmaßnahmen sprechen. Ich würde gerne noch mal bei den Verhandlungen kurz bleiben. Wir alle kennen Donald Trump ja als knallharten Geschäftsmann, als knallharten Verhandlungspartner. Er ist ein Geschäftsmann, er ist kein Diplomat. Hätte die EU das nicht wissen müssen und mehr anbieten müssen?
Altmaier: Wir haben immer gesagt, dass wir eine Lösung auf Augenhöhe wollen. Wir haben immer gesagt, wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Und das war auch richtig. Wir haben ein Interesse an einem freien Welthandel, an einem offenen Zugang zu den Märkten. Wir wollen keinen Handelskrieg. Den wollen wir auch in Zukunft nicht. Aber wir müssen unsere eigenen Interessen gemeinsam und selbstbewusst verteidigen und vertreten. Diese Entscheidung von gestern wird die Geschlossenheit der Europäischen Union stärken und sie wird dazu beitragen, dass Europa gemeinsam eine Antwort geben wird und dass niemand uns auseinanderdividieren kann.
Büüsker: Was macht Sie da so zuversichtlich?
Altmaier: Wir hatten gestern und vorgestern in Paris im Rahmen der OECD-Jahreskonferenz sehr viele Gespräche, die zuständige Kommissarin, Cäcilia Malmström, mein französischer Kollege und auch ich selbst, nicht nur mit unseren amerikanischen Partnern und Freunden, sondern auch mit sehr vielen unserer Kollegen in den anderen EU-Ländern. Ich bin sicher, dass die Handelsminister der Europäischen Union, zu denen der deutsche Wirtschaftsminister auch gehört, in dieser Woche ein sehr deutliches Signal geben und damit der EU-Kommission die Möglichkeit zu einer starken Antwort an die USA einräumen werden.
Büüsker: In dieser Woche? Ich meine, es war ja absehbar, dass diese Zölle auf die Europäische Union zukommen, und die EU hat ja im Prinzip auch schon Pläne für Gegenzölle in der Schublade. Warum hat man die, wenn man so ein starkes Signal senden möchte, nicht direkt gestern aktiviert?
Altmaier: Wir haben diese Pläne bereits vor einigen Tagen aktiviert. Es gibt dafür ein vorgeschriebenes Verfahren. Sie müssen modifiziert werden bei der WTO, bei der Welthandelsorganisation. Das haben wir getan und es wird einige Tage dauern, bis dann die Europäische Union rechtlich einwandfrei die Möglichkeit hat, diese Maßnahmen zu verhängen. Welche das im Einzelnen dann aus dieser Liste sein werden, das werden wir gemeinsam diskutieren. Es war uns wichtig, dass wir die Regeln, die internationalen Regeln der Welthandelsorganisation einhalten, und dazu gehört, dass man solche Maßnahmen zuerst einmal der WTO meldet und sie dann, wenn die WTO sie anschauen und bewerten konnte, weiter betreibt.
Büüsker: Und was würden Sie persönlich als Gegenmaßnahme präferieren, die Zölle auf Harley-Davidsons?
Altmaier: Ich glaube, dass die Antwort angemessen sein muss, wie es Jean-Claude Juncker gesagt hat, und deshalb werden wir in den nächsten zwei, drei Tagen sehr genau studieren, wie sich die US-Maßnahmen auswirken, in welchem Umfang es beispielsweise Ausnahmen für deutsche und europäische Unternehmen gibt, weil deren Stahlangebote in den USA gar nicht vorhanden sind. Das alles werden wir diskutieren, zunächst untereinander. Dann wird die Kommission eine Entscheidung treffen.
Büüsker: Herr Altmaier, was halten Sie persönlich denn für einen guten Weg?
Altmaier: Ich halte es für einen guten Weg, dass wir geschlossen auftreten, dass wir in angemessener Form antworten und dass wir trotzdem dann auch immer noch den Blick darauf haben, wie kann man eine weitere Eskalation verhindern. Das ist im Interesse aller, vor allen Dingen im Interesse der Arbeitsplätze.
Büüsker: Dann würde ich jetzt wieder nachfragen, was Sie für angemessen halten. Aber Sie wollen sich da nicht festlegen?
Altmaier: Nein! Das wäre auch völlig unklug, weil diese Entscheidung nicht von Deutschland alleine getroffen wird. Die treffen wir gemeinsam mit Frankreich, gemeinsam mit unseren Freunden in Italien, in den Niederlanden, in Österreich. Deshalb wäre es falsch, dies hier bei Ihnen im Deutschlandfunk zu diskutieren, so gerne ich es auch täte.
"Negative Auswirkungen werden zunächst und am stärksten in den USA spürbar sein"
Büüsker: Schade! – Wie groß sind denn Ihre Sorgen mit Blick auf die deutsche Wirtschaft?
Altmaier: Ich glaube, dass die negativen Auswirkungen zunächst und am stärksten in den USA spürbar sein werden, weil die Preise für Stahl dort steigen werden. Zweitens haben deutsche Stahlunternehmen in vielen Bereichen eine Marktposition, die nicht so einfach zu erschüttern ist, weil vor allen Dingen auch Spezialstähle produziert werden, für die es kaum andere Angebote gibt. Und der dritte Punkt ist: Wir werden die negativen Maßnahmen, auch wenn wir sie begrenzen und beschränken, nicht völlig ausschließen können, denn niedrige Zölle, offene Märkte sind für Wirtschaftswachstum und für Arbeitsplätze allemal besser als das Gegenteil.
Büüsker: Wie groß sind Ihre Sorgen, dass dieser ganze Streit jetzt auch die Verhandlungen über das Iran-Atomabkommen beziehungsweise die US-Sanktionen, die ja in Kraft treten könnten, beeinflussen könnte?
Altmaier: Wir haben in der Tat eine ganze Reihe von offenen Punkten im Verhältnis zu den USA und den Europäern. Trotzdem sollten wir diese Punkte nicht miteinander verbinden. Alle Punkte müssen von den Zuständigen gemeinsam diskutiert und gemeinsam gelöst werden. Wir haben die Iran-Entscheidung der amerikanischen Regierung für falsch gehalten, genauso wie die Entscheidung über die Zölle. Das ändert nichts daran, dass wir in anderen Bereichen enge Partner sind und weiter zusammenarbeiten. Und für die Zukunft heißt das, wir sind im Gespräch, um die negativen Auswirkungen der Iran-Entscheidung zu relativieren und abzumildern. Da haben wir auch einiges erreicht als Europäer, dass nämlich auch Übergangsfristen verlängert wurden, was es ermöglicht, schädliche Auswirkungen auf deutsche Unternehmen zu begrenzen. Aber es wird auch in diesem Fall so sein, dass wir unterm Strich eine Situation haben, die schlechter ist als die, wenn wir multilateral, das heißt, gemeinsam mit den USA und den Vertragspartnern des Iran-Abkommens diskutiert und dann gegebenenfalls entschieden hätten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.