"Sie beantworten eh' nichts, und ich stelle mir schon die Frage: Was für eine Funktion hat das Parlament? Hier sitzen 100 Jugendliche; Was für eine Message geben Sie eigentlich an die Öffentlichkeit mit ihrem Verhalten, ihre Aussage ist immer: 'Ich beantworte nicht.' Dafür bin ich nicht im Parlament."
Am 6. Juli 2011 zeigte sich der grüne Abgeordnete Uwe Keckeritz erbost über die Bundesregierung. Über zwei Stunden lang bemühten sich Abgeordnete der Opposition, in der parlamentarischen Fragestunde Gewissheit über den Wahrheitsgehalt von Medienberichten zu bekommen. Als erstes hatte Spiegel online berichtet:
"Mitten im arabischen Frühling will Deutschland Hightech-Waffen an ein undemokratisches Regime der Region liefern. Nach "Spiegel"-Informationen hat Saudi-Arabien Interesse an bis zu 200 "Leopard"-Kampfpanzern."
Wenige Monate zuvor hatte Saudi-Arabien der Regierung des benachbarten Bahrain geholfen, Proteste der Opposition niederzuschlagen. Für Grüne, Linke und SPD-Politiker war das ebenso Grund zur Ablehnung des Geschäfts wie die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien selbst.
Meldungen über Rüstungsexporte führen regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Bundesregierung. Das ist kein Zufall. Denn die Bedeutung solcher Exporte und die Möglichkeiten des Parlaments, Einfluss zu nehmen, klaffen weit auseinander. Die Bedeutung macht das Grundgesetz selbst klar, in Artikel 26 Absatz 2, gleich nach dem Verbot des Angriffskrieges:
"Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden."
"Man muss sich beim Grundgesetz immer klar machen, in welcher Zeit das entstanden ist: 1949, nach Ende des Zweiten Weltkrieges, ist Deutschland eine Nation, die niedergekämpft war, die in Trümmern lag. Da war es naheliegend, dass das Grundgesetz eben auch eine ganz starke Friedensorientierung nach außen signalisiert",
erläutert der Bielefelder Staatsrechtler Franz Mayer. Und strenge Regeln für den Rüstungsexport gehören dazu. Besonders streng sind sie, wenn es nicht nur um Rüstungsgüter allgemein, sondern um Kriegswaffen geht, dann greift neben dem Außenwirtschaftsgesetz auch das Kriegswaffenkontrollgesetz. Und dann ist in jedem Einzelfall die Bundesregierung gefragt. Konkret heißt das: Kommerzielle Vorhaben genehmigt das Bundeswirtschaftsministerium. Ist die Ausfuhr von besonderer Bedeutung, sei es, weil das Geschäft besonders umfangreich ist, sei es, weil es Zweifel am Empfängerland gibt oder weil es um besonders sensible Kriegswaffen geht, spricht dabei der Bundessicherheitsrat mit – ein Gremium, in dem alle zuständigen Minister sitzen, das halbe Kabinett, unter Vorsitz der Bundeskanzlerin. Und das Parlament? Das hat nicht mitzuentscheiden, so viel ist sicher. Und es wird informiert, regelmäßig mit dem Rüstungsexportbericht. Der allerdings erschien zur Zeit dieser Auseinandersetzung erst im Jahr nach den Entscheidungen. Solange blieben die Beschlüsse des Bundesicherheitsrates geheim.
"Geheim" bleibt geheim
In den vergangenen Jahren fiel Regierungssprecher Steffen Seibert die Aufgabe zu, immer wieder mit gleichen Worten offiziell nichts zu sagen: So auch an jenen 6. Juli 2011, dem Tag des Streits um die angeblichen Panzerlieferungen.
"Es gibt schlicht die Geheimhaltungsvorschriften des Bundessicherheitsrates, die sind einzuhalten, die sind nicht von dieser Bundesregierung erfunden worden, sondern die gehen zurück auf die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats und die geht, glaube ich, nach meinen Informationen, auf das Jahr 1959 zurück, so wird es gehalten, so muss es auch gehalten werden, und das ist alles, was ich Ihnen dazu sagen kann."
Am gleichen Tag kam es im Bundestag zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition, der Folgen haben sollte. Bundestagspräsident Norbert Lammert:
"Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5, Fragestunden, zur Beantwortung steht der parlamentarische Staatssekretär Hans Joachim Otto zur Verfügung."
Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium war an diesem Tag nicht zu beneiden. Katja Keul saß damals für die Grünen im Verteidigungsausschuss, heute ist sie rechtspolitische Sprecherin ihrer Partei. Sie kann sich gut erinnern:
"Herausragend war diese Fragestunde wegen der Skurrilität der Situation und der Antworten. Das war schon außerordentlich skurril und führte einfach nochmal deutlich vor Augen, dass man das so als Regierung nicht handhaben kann."
Der Staatssekretär wandelte ausführlich auf dem schmalen Grat zwischen dem, was gefragt wurde und dem, was er sagen durfte. Er sprach über notwendige politische Abwägungen bei Rüstungsgeschäften und verteidigte Saudi-Arabien allgemein als Partner im Kampf gegen den Terrorismus. Sobald es konkret wurde, hielt der Regierungsvertreter den Abgeordneten entgegen:
"Sie sprechen immer von einer "Entscheidung". Ich kann nur sagen: Von einer angeblichen Entscheidung. Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."
Der Abgeordnete Jürgen Trittin wollte wissen, ob Deutschland überhaupt Waffen in ein Spannungsgebiet wie den Persischen Golf liefern könne. Antwort:
"Ob dieses dazu führt, dass zu einem jetzigen Zeitpunkt, wenn denn eine Entscheidung jetzt überhaupt fiele, eine Exportgenehmigung möglich wäre oder nicht, das ist eine hypothetische Frage, auf die ich nicht eingehen kann."
Katja Keul versuchte es wenig später aus einem leicht veränderten Blickwinkel.
"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexporte zu innerer Repression genutzt werden."
"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich ja irgendeine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Grünen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten."
Der politische Streit bekam grundsätzlichen Charakter, als der grüne Abgeordnete Hans Christian Ströbele Fragen stellte.
"Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Antwort zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"
"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von Ihnen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbare. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe. Das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt."
So verharrten Legislative und Exekutive im Clinch. Die Grundlage für das Verfahren in Karlsruhe war gelegt.
In der mündlichen Verhandlung am 15. April dieses Jahres zog Ströbele – auch im Namen seiner Fraktionskolleginnen Claudia Roth und Katja Keul - die Entscheidungen des Bundessicherheitsrates selbst in Zweifel. Schließlich, so argumentierte er, müsse über Kriegswaffenexporte nach dem Grundgesetz die Bundesregierung entscheiden. Und der geheim tagende Bundessicherheitsrat sei nicht die Bundesregierung. Vor allem aber ging es dem Abgeordneten um die Information des Parlaments. Die ist kein Selbstzweck, erläutert der Staatsrechtsexperte Franz Mayer:
"Der Sinn solcher Informationsrechte ist natürlich immer die demokratische Funktion eines Parlamentes, Kontrolle auszuüben. Kontrolle setzt Informiertheit voraus. Es kann ja auch eine gewisse Vorwirkung eintreten: Allein durch den Umstand, dass es eben bestimmte Rechte des Parlamentes gibt, agiert die Exekutive vielleicht in diesen Bereichen schon vorsorglicher, zurückhaltender."
Nur – auch für Franz Mayer ist damit noch lange nicht gesagt, dass das auch für die Rüstungsexporte gilt. Denn er gibt zu bedenken: In der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es eine solche Vermutung für Parlamentsrechte nicht unbedingt. Schon traditionell nicht, und das nicht nur in Deutschland.
"Sobald es auswärtig wird und Verteidigungsinteressen berührt sind, da hat die Exekutive erstmal Vorrang, da gibt es eine Vermutung, dass das eine "domaine reservée" ist, wie es in Frankreich heißt, also eine Angelegenheit, in der Regierungen doch weitgehend unbehelligt von Parlamenten agieren dürfen. Das ist etwas, was das Grundgesetz so nicht negiert."
Der CDU-Politiker Thomas de Maizière sitzt als Bundesinnenminister im Bundessicherheitsrat. Er verteidigte in Karlsruhe, dass dessen Beratungen geheim gehalten werden.
"Die interne Willensbildung der Bundesregierung – wer welches Argument vorträgt, wer welchen außenpolitischen Schaden oder Nutzen vorträgt – das ist etwas, was geschützt ist. Sonst kann eine Regierung nicht vernünftig arbeiten. Das dient der Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Und es ist vom Bundesverfassungsgericht stets anerkannt, dass es einen solchen geschützten internen Bereich der Willensbildung gibt. Und die Beratung des Bundessicherheitsrates bis zu einer positiven abschließenden Genehmigungsentscheidung sind Teil der Willensbildung und als solche geschützt."
De Maizière verteidigt deutsche Rüstungsindustrie
Was in diese Willensbildung einfließen kann, das kam in Karlsruhe breit zur Sprache. Die Existenz einer deutschen Rüstungsindustrie sei im nationalen Interesse, betonte der Bundesinnen- und frühere Verteidigungsminister de Maizière. Anderenfalls bestehe die Gefahr, dass sich Deutschland abhängig von anderen Staaten oder ausländischen Lieferanten mache. Georg Wilhelm Adamovitsch, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, nannte Zahlen. 22,6 Milliarden Euro betrage der Umsatz im Jahr.
"Die Frage, die die Bedeutung des Exportes angeht, das sind zurzeit 50 Prozent der Produkte, die in unserer Branche hergestellt werden."
Und: diese Quote werde steigen, je weniger Rüstungsgüter Deutschland und Europa selbst abnähmen. Adamowitsch warnte davor, zu früh Informationen offenzulegen. Das könne mögliche Kunden schon von der Anfrage abhalten. Welches Gewicht solche Argumente für Kriegswaffenexporte und für die Information des Parlaments haben, das blieb in Karlsruhe offen. Und auch, wann eine Information zu früh gegeben wird – oder zu spät. Denn Regierung, Opposition und Industrie vertraten unterschiedliche Ansichten, wann die eigentliche Entscheidung im Bundessicherheitsrat überhaupt fällt. Das liegt an einer Praxis, die es so nur in Deutschland gibt: Die sogenannten Voranfragen. Bietet sich die Möglichkeit größerer Kriegswaffenexporte, erläutert Jan Grebe vom Friedens- und Konfliktforschungsinstitut BICC, fragen die Unternehmen vorab beim Auswärtigen Amt nach, ob das Geschäft genehmigungsfähig ist.
"Die Bundesregierung prüft, auch anhand der Kriterien, die sie selbst sich gesetzt hat, ob ein solches Geschäft Aussicht auf Erfolg hat oder beziehungsweise, ob eine Genehmigung erteilt werden kann. Und diese dann in der Regel positiv entschiedene Voranfrage kriegt das Unternehmen. Und auf Basis dieser Voranfrage tritt das Unternehmen dann in Verhandlungen über den Abschluss eines Geschäfts mit dem Empfängerland. Wenn dann dieses Geschäft abgeschlossen ist, dann wird das Unternehmen in der Regel die wirkliche Genehmigung beantragen, die sie braucht, um diese Güter auszuführen."
Dann aber ist es – so meinen die Kläger – für die Information des Parlaments viel zu spät. Denn mit der Entscheidung über die Voranfrage würden Fakten geschaffen – möglicherweise Jahre vor der eigentlichen Exportgenehmigung. Lange diskutierten in der Verhandlung in Karlsruhe Vertreter von Bundesregierung, Opposition und Rüstungsunternehmen, welchen Charakter diese positiv beschiedenen Voranfragen haben. Sind sie rechtlich bindend? Dann wäre es wenig sinnvoll, nicht über sie zu berichten, sondern erst die viel späteren, lediglich nachvollziehenden Exportgenehmigungen an das Parlament zu melden. So argumentiert die Opposition. Sind sie nicht bindend, haben die Unternehmen wenig davon. Innenminister de Maizière vertrat für die Bundesregierung in Karlsruhe den Standpunkt, die Unternehmen könnten nicht auf die Antwort auf die Voranfrage vertrauen.
"Ich weiß von ganz vielen Voranfragen, wo sich die Lage geändert hat, und dann haben wir gesagt: Nein, es gibt keine Zustimmung zu diesem Exportantrag. - Deswegen: – In der Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch sonst muss die interne Willensbildung der Bundesregierung geschützt bleiben, auch vor sonst berechtigten Fragen der Abgeordneten."
Tatsächlich gibt es diese Fälle immer wieder – eben wenn sich die Lage geändert hat. Das kann die Menschenrechtssituation im Empfängerland sein oder die außenpolitische Lage. Aber wenn nicht? Dann kenne er keinen Fall, in dem von der Vorentscheidung abgewichen worden sei, sagte Hans Christoph Atzpodien, Vorstandsmitglied bei Thyssen Krupp. Und auch der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie liefert den Klägern Argumente: Auf seiner Homepage schreibt er, die Antwort auf Voranfragen sei verbindlich. In der Verhandlung in Karlsruhe wurden denn auch mehrere Verfassungsrichter in diesem Punkt ungeduldig. Was denn eine solche Voranfrage für einen Sinn haben solle, wenn sich das Unternehmen nicht darauf verlassen könne, wollte etwa Gertrude Lübbe-Wolff wissen. Mit dieser Frage dürfte sich auch das morgige Urteil befassen. Denn an ihr entscheidet sich, welchen Sinn die Information des Parlaments konkret beim Kriegswaffenexport hat, erläutert der Rechtswissenschaftler Franz Mayer. Denn informiert wird der Bundestag ja in jedem Fall – wenn auch möglicherweise Jahre später:
"Das ist aber eben auch das Problem. Dass dieses Zeitversetzte ja dann eigentlich nur noch eine Zurkenntnisnahme ermöglicht. Das bedeutet dann vielleicht schon, dass man dann als Wähler seine Wahlentscheidung beispielsweise schon an einem solchen Vorgang orientieren kann. Aber die unmittelbare Einwirkung auf das Geschehen, die im demokratischen Verfassungsstaat ja durchaus auch im Parlament möglich sein soll, gegenüber der Exekutive, die ist dann nicht möglich."
Allerdings: Wie immer die Verfassungsrichter entscheiden – so spät wie im Ausgangsfall aus dem Juli 2011 wird das Parlament ohnehin nicht mehr informiert.
"Gößere Tranzparenz" wurde schon lange versprochen
Nach der Bundestagswahl wurde mit Bildung der Großen Koalition klar: In den Bereich Rüstungsexporte würde mit einer SPD, die in den Oppositionsjahren diesbezüglich keine Gelegenheit zur Kritik ausgelassen hatte, schnell Bewegung kommen. Es begann schon damit, dass der Komplex in den Koalitionsverhandlungen nicht von den Wirtschaftspolitikern ausgehandelt wurde, sondern von Thomas de Maizière und Frank Walter Steinmeier im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik. Dort, wo Entscheidungen über Rüstungsexporte eigentlich auch hingehören, wie Sigmar Gabriel nicht müde wird, zu betonen. Eigentlich? Fest steht: Noch ist das Wirtschaftsministerium und damit Sigmar Gabriel zuständig für die Ausfuhren von Panzern, U-Booten, Kleinwaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Völlig unabhängig von der, zu diesem Zeitpunkt, längst aktuellen Verfassungsklage wurde im Koalitionsvertrag größere Transparenz bei Rüstungsgeschäften versprochen. In einer Grundsatzrede als Gast der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sagte der Wirtschaftsminister:
"Der verschämte Umgang mit diesen existentiellen Fragen ist, wie ich finde, einer reifen Demokratie und einer aufgeklärten Gesellschaft nicht würdig. Man muss nicht gleich Habermas zitieren, um eine ganz einfacher Maxime festzuhalten: Wir sollten als Demokratinnen und Demokraten niemals den Begründungsaufwand scheuen, den eine öffentliche Debatte verlangt."
Ein hoher Anspruch, den Gabriel da im Namen seiner Regierung formuliert. Und es gibt Verbesserungen, konzedieren selbst Oppositionspolitiker. So wird das Parlament nach Entscheidungen im Bundessicherheitsrat jetzt umgehend über abschließende Genehmigungen informiert, darüber hinaus werden in einem jährlichen Zwischenbericht im Herbst Ausfuhrentscheidungen der ersten sechs Monate eines laufenden Jahres bekannt gegeben. Vergangene Woche wurde ein solcher Bericht erstmals vorgelegt. Es sind bescheidene Fortschritte, so meinen Kritiker. Für mehr Transparenz bleibt noch immer viel Raum. Der gesamte Bereich der sogenannten Voranfragen, in denen die Industrie Chancen für den Export auslotet, bleibt im Dunklen. Abgelehnte Genehmigungen werden auch weiterhin verschwiegen behandelt. In Sachen Transparenz üben wir noch, sagt selbst der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. Sein Parteivorsitzender, Sigmar Gabriel, ist dennoch überzeugt:
"Die heimliche Verabredung, einen kritischen Rüstungsexport auch im Interesse der heimischen Industrie oder im Interesse guter wirtschaftlicher Beziehungen zum Empfängerland zu genehmigen, weil die Öffentlichkeit davon nur rudimentär Kenntnis erhalten wird, trägt nicht mehr."
Spätestens jetzt ruft die Opposition: Einspruch. Denn noch immer klaffen erhebliche Lücken im Berichtswesen der Bundesregierung. Katja Keul, eine der Klägerinnen in Karlsruhe, nennt ein Beispiel:
"Wir haben jetzt gerade erst kürzlich herausgefunden, dass in diesen Berichten, auch im neuen Zwischenbericht, ganz bestimmte, sehr sensible Geschäfte gar nicht aufgeführt sind wie zum Beispiel die Kampfpanzer für Katar, die im Mai 2013 genehmigt worden sind, werden uns nicht mitgeteilt, obwohl das abschließende Genehmigungen sind, das ist ein Deal im letzten Jahr gewesen von 1,8 Milliarden, der würde den ganzen Bericht sprengen, der taucht hier einfach nicht auf."
Warum nicht? Nun, das Bundeswirtschaftsministerium verweist darauf, dass so ein Kampfpanzer selbst nach positiv beantworteter Voranfrage nicht eine, sondern zwei Genehmigungen benötigt. Die nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, die ist erfolgt und ganz am Ende des jahrelangen Beschaffungsvorgangs die Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz. Erst dann könne der Export auch öffentlich ausgewiesen werden, heißt es. Also, Jahre nachdem sich die öffentliche Empörung gelegt hat, Jahre, nach denen die politische Verantwortung oft genug schon wieder in ganz anderen Händen liegt. Aus Sicht von Rüstungsexportkritikern ist jedoch die erste Genehmigung relevant. Sie ist die Grundlage für das Geschäft und die Herstellung des Rüstungsguts. Sie ist die Konsequenz der politischen Abwägung, hier sehen sich Parlamentarier, aber auch zivilgesellschaftliche Gruppen, die Kirchen etwa, mit in der Verantwortung.
An genau diesem Punkt wäre die Diskussion notwendig. Aber genau an diesem Punkt bleibt die "reife Demokratie", um die Begriffe Sigmar Gabriels aufzunehmen, den "Begründungsaufwand" für eine "öffentliche Debatte" schuldig. Eine eklatante Schwäche, gibt SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich zu:
"Das ist in der Tat so, und ich sag ja auch nicht, dass es hier keinen Nachbesserungsbedarf gibt, und ich finde, das ist ein offener Prozess, der unter Umständen auch durch das Urteil am Dienstag vielleicht sogar früher beeinflusst wird als die Diskussion jetzt erlaubt."