Als es dann endlich klappt, sind auch ein paar Minuten Verspätung egal: "You had a good trip to Düsseldorf?” - "Yes, thank you …”
Norbert Walter-Borjans, grauer Anzug, rosa-gestreifte Krawatte, steht am Flughafen Düsseldorf, Ebene 0, Ankunft 1. Er empfängt eine Gruppe griechische Steuerbeamte, inklusive einer politischen Delegation. Bis zur Ankunft musste der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen fast eine halbe Stunde warten. Immer wieder wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Nicht aus Sorge – am ersten Ferien-Sonntag in NRW ist es schlicht heiß: "We give our best to give you the temperatures …”
Auf Englisch greift Walter-Borjans im ersten Small-Talk diese Temperaturen auf: Man wolle den Griechen ein gewohntes Umfeld schaffen. "Ich will einmal kurz versuchen, Sie auch in Ihrer Sprache zu begrüßen, ob mir das gelingt, weiß ich nicht: Karlos, irtate …" Walter-Borjans Mitarbeiter haben ihm ein paar Sätze notiert.
So mancher Urlaubsheimkehrer bleibt im Ankunftsbereich des Flughafens zwischen Autoverleih und Bäcker stehen, um sich den griechisch sprechenden Finanzminister anzuhören und die Aufstellung fürs Gruppenfoto anzuschauen.
Im Jahr 2012 – beim Antrittsbesuch des damaligen griechischen Generalkonsuls beim Finanzminister – entstand die Idee eines Austausches. Es folgten Lippenbekenntnisse, aber keine Taten. Doch Ende 2015 übermittelte NRW der griechischen Regierung unter Alexis Tsipras 10.000 Namen von potenziellen Steuersündern: eine Frucht der Schweizer Steuer-CDs. Es soll um ein Volumen von vier Milliarden Schweizer Franken gehen, etwa 3,6 Milliarden Euro, Geld für die griechische Staatskasse. Im Januar flog Walter-Borjans dann selbst nach Athen. Nun also der Gegenbesuch: "Vielen Dank, wir hören jetzt das Statement von dem stellvertretenden Finanzminister Tryfon Alexiadis."
Eine Woche deutsche Schulung für 25 Steuerbeamte
Die griechischen Steuerbehörden stehen unter Druck, die griechischen Zeitungen berichten, dass es kaum gelingt, das Steueraufkommen zu erhöhen. Die Hilfe aus Nordrhein-Westfalen wird gern angenommen, heißt es auf der Pressekonferenz im Flughafenhotel: "Mein erster Schritt war die Nutzung der Borjans-Liste, welche von der griechischen Regierung mit einer hohen Priorität versehen wurde."
Die 25 griechischen Steuerbeamten, die unter anderem die Liste abarbeiten sollen, sind da schon nach Bonn-Bad Godesberg gefahren, in die Fortbildungsakademie der Finanzverwaltung NRW. Auf dem Stundenplan stehen Schulungsthemen wie Aufbau der Finanzverwaltung, Risikomanagement, aber auch die Stichworte Einkommensmillionäre und Vermögensabschöpfung. Konstandina Kalafataki ist gelernte Steuerprüferin und war in einem Finanzamt in Athen tätig. Nun berät die 32-Jährige den griechischen Vize-Finanzminister. Am Telefon berichtet sie vom gemeinsamen EM-Finale-Schauen in Bad Godesberg und schildert ihre Erwartungen an das Programm. Sie hoffe, dass das Programm die Effektivität der griechischen Steuerbehörden steigern könne, Steuerhinterziehung weiter, besser bekämpft werden könne.
Eher allgemeingültige, fast schon diplomatische Sätze. Wie effektiv jeweils eine Woche deutsche Schulung für 25 Steuerbeamtinnen und -beamte sein kann, bleibt unklar. Sicher ist dagegen das mediale Interesse: "Dass es solche Veranstaltungen gibt, ist erst einmal gut." Marcus Optendrenk ist der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in NRW. "Natürlich bekommen die Griechen, wenn sie hier Schulungen bekommen, Know-how. Natürlich bekommen sie auch Informationen, was sie tun könnten, aber das ist in sehr kleinen Dosen. Das Grundsatz-Problem der griechischen Steuerverwaltung lösen wir damit leider nicht, und deshalb befürchte ich, dass das wieder eine ziemliche Show-Veranstaltung wird. Dass es eher um die Bilder, und dass es weniger um die Inhalte geht."
"Es ist Sache des Partners, mit der Hilfe etwas anzufangen"
Für Optendrenk ist Walter-Borjans, einst Regierungssprecher unter Johannes Rau, jemand, der den öffentlichkeitswirksamen Auftritt liebt. Ist das Ganze nur ein PR-Gag? Reine Symbolpolitik, nur ein Zeichen? Walter-Borjans selbst nickt: "Ja, das ist es. Es ist das Zeichen, dass wir gewillt sind, zusammenzuarbeiten und weiterzukommen. Und das zweite ist, dass wir eben nur kleine Schritte gehen können. Und dass wir das tun. Dass wir mit 25 anfangen und dass wir die nächsten 25 schon in der nächsten Woche da haben werden."
Diesen 50 ersten Beamten, so Walter-Borjans, sollen gerne weitere folgen – auch mit anderen Ländern, die Daten der sogenannten "Borjans-Liste" bekommen haben. Kritik aus Reihen der Landes-Opposition, aber auch alte Zitate der Bundes-SPD, wonach die Regierungspartei Syriza eine – Zitat – "Schutzmacht von Steuerkriminellen" sei, kennt der Minister: "Aber es ist am Ende dann auch immer die Sache des Partners, mit der Hilfe, die wir anbieten, etwas anzufangen."
Seine Steuersünder-Liste hat aus NRWs Finanzminister einen Prominenten in Griechenland gemacht. Stolz auf die Borjans-Liste? "Es ist einfach ein Stück schönes Symbol dafür, dass die Zusammenarbeit sich lohnt und dass sie immer irgendwo mit Gesichtern verbunden ist, das ist, glaube ich, in unserer heutigen Welt üblich. Es ehrt einen auch ein bisschen."
NRWs Finanzminister lächelt. Er selbst ist ab dieser Woche übrigens im Urlaub: nicht in Griechenland, sondern in Norwegen.