"Der Anblick der Sadhus hat mich so beeindruckt, also das sind die Leute, die sich dem spirituellen Leben geweiht haben, und ich fand sie ungemein attraktiv. Diese Sadhus mit ihren meist orangenen Gewändern und die oft wie wilde Männer durch die Gegend zogen mit einem Trishul in der Hand und diesen Dreadlocks, nennt man das."
Vor dem Studium wollte sie die Welt sehen - und blieb bis heute in Indien. Friederike Brüning sitzt, gerader Rücken, klarer Blick, in einem Sessel ihrer Berliner Wohnung. Heute trägt die 61-Jährige selber hüftlange Dreadlocks, so wie die heiligen Männer, die sie damals als junge Frau so anziehend fand. Nach Berlin kommt sie nur einmal im Jahr. Indien ist ihr zur Heimat geworden, seitdem sie dort vor fast 40 Jahren Schülerin eines Gurus wurde.
"Ich bin einer Tradition beigetreten. Und da habe ich mir jemanden ausgesucht, von dem ich überzeugt war, dass der sich auf einer sehr hohen spirituellen Ebene befindet und habe mich diesem Menschen genähert und ihn gebeten, mir die Einweihung zu geben."
Weihe zur Asketin
In der indischen Stadt Vrindavan weihte sie ihr religiöser Lehrer mit zwei Mantren. Gewidmet Krishna, einer menschlichen Erscheinungsform des Hochgottes Vishnu. Ihre Konversion zum Hinduismus.
Friederike Brüning dreht sich auf ihrem Sessel um und deutet mit dem Arm auf ein gerahmtes Foto hinter sich. Zu sehen: ein streng schauender, magerer Mann mit Blumengirlande um den Hals.
"Dieses ist ebenfalls ein spiritueller Lehrer. Er ist derjenige, der mir später eine weitere Einweihung gegeben hat, 15 Jahre später, die man dann als Sanyas bezeichnet. Als jemand, der der Welt entsagt. Also der auf dieser Welt keine materiellen Wünsche mehr hat, der sein Leben dem Erreichen eines spirituellen Zieles widmet."
In einem speziellen Feuerzeremoniell weihte Swami Chidananda Friederike Brüning zur Sadhvi, zu einer weiblichen hinduistischen Asketin.
"Da wird dann Ghee ins Feuer geschüttet zu jedem Mantra und da wird dann symbolisch dieser Körper, in dem ich mich jetzt befinde, bestattet. Das heißt, dieser Körper ist eigentlich schon bestattet. Er kann keine Desires mehr haben, keine Wünsche. Das, was äußerlich in unseren Augen verbleibt, ist da, um der Welt zu dienen, sich auf dem eingeschlagenen Pfad weiter vorwärts zu bewegen."
"Ich lebe meine Religion , wenn ich den Kühen helfe"
Friederike Brüning oder Sudevi Dasi, wie sie sich fortan nennt, dient vor allem den Kühen, die im Hinduismus als heilig gelten. Seit 2004 führt sie südlich von Neu Delhi mit zahlreichen Mitarbeitern ein Heim für Kühe. 1800 kranke und verletzte Kühe leben dort.
Ununterbrochen schallt aus Lautsprechern ein Mantra, damit todkranke Kühe mit dem Namen Gottes im Ohr sterben.
"Das was ich tue, um ihr Leid zu lindern ist für mich worship. Ich lebe meine Religion durch diese praktische Arbeit. Im Übrigen kann man das auch in der Bhagavadgita lesen als Karmayog. Man arbeitet ohne Selbstinteresse, nur, weil man es als Pflicht empfindet oder zum Service anderer Lebewesen."
Leid lindern als religiöses Ziel - wie passt das mit ihrer Unterstützung der hindunationalistischen Regierungspartei BJP zusammen? Während deren Regierungszeit kam es zu einem Anstieg von Gewalt im Namen des Kuhschutzes. Lynchmobs gegen Menschen, die beispielsweise mit Rindfleisch handeln oder im Verdacht stehen es zu tun. Brüning erklärt die hindunationalistische Gewalt so:
"Das muss ja nicht sein. Das passiert, wenn die Leute zu fanatisch werden oder zu enthusiastisch in ihrem Idealismus. Junge Männer, die nicht in den Krieg ziehen können, die müssen irgendwas haben, wofür sie kämpfen können. Das finden Sie in allen Religionen oder politischen Richtungen."
Brüning rechtfertigt ihre Unterstützung der BJP damit, dass sie als Regierungspartei zahlreiche Schlachthöfe schließen ließ:
"Ich unterstütze das völlig. Das ist eine ausgezeichnete Sache. Wenn ich wählen könnte, würde ich sie wählen."
"Nach einer Woche vermisse ich die Kühe"
Gerade erst hat Indiens Premierminister Modi sie persönlich mit dem Padma-Shri-Preis ausgezeichnet, für ihr Engagement als Kuhschützerin.
Der indische Verdienstorden bringt ihrem Kuhasyl mehr Aufmerksamkeit. Vielleicht kann schon bald mehr Land gekauft werden. Dann könnte Brüning noch mehr Tiere in ihrem Heim versorgen. Sie hofft, dass dann immer noch Zeit für ihren asketischen Rückzug bleibt. Ein Mal im Jahr verbringt sie vier Wochen in einer Höhle im Himalaya.
"Da ist nichts. Ich nehme ein paar Nüsse mit. Da bin ich dann ganz alleine. Und das ist sehr erfreulich für mich, sehr erholsam. Und es ist wunderschön. Die Schneegipfel um sich herum."
Zeit nur für Meditation und Mantren. Bis die Kühe wieder rufen.
"Wenn ich eine Woche weg bin, fange ich an, von den Kälbern und Kühen zu träumen. Ich muss weiter machen, so lange ich noch kriechen kann."