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Deutsche Umwelthilfe
"Frau Merkel tritt leider sehr einseitig als Autokanzlerin auf "

Die Einführung einer Kaufprämie für Elektroautos sei eine wirklich unsinnige Förderung, sagte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, im DLF. Damit mache die Bundesregierung der Automobilindustrie falsche Zugeständnisse. Als richtigen Ansatz bezeichnete Resch ein Anreizsystem für "ökologisch korrekte Fahrzeuge". Die Flut an SUVs auf den Straßen müsse beendet werden.

Jürgen Resch im Gespräch mit Dirk Müller |
    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe
    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (imago stock&people / Jürgen Heinrich)
    Dirk Müller: Der Autogipfel im Kanzleramt, die viel diskutierte umstrittene Kaufprämie, 5000 Euro für Elektroautos - unser Thema jetzt mit Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Guten Abend!
    Jürgen Resch: Einen schönen guten Abend.
    Müller: Herr Resch, nehmen Sie die 5000 Euro mit?
    Resch: Nein, ganz sicher nicht, denn das ist wirklich eine unsinnige Förderung und ich verstehe es auch nicht. Drei Tage, nachdem die Autokonzerne enttarnt wurden als Unternehmen, die in wirklich breitem Umfang schmutzige Fahrzeuge auf die Straße bringen, die nach Meinung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages allesamt betrügerisch unterwegs sind und zu 70 Prozent in der Spitze die Abgasreinigung einfach abschalten und für 10.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich sind durch Stickstoff-Dioxid, das eingeatmet wird, die Autokonzerne sollen jetzt erneut Steuermilliarden bekommen? Das ist einfach absurd und ich glaube auch nicht, dass das die Elektromobilität fördern würde.
    Wir haben andere Bereiche der Elektromobilität, wo Deutschland wirklich was machen muss. Schauen wir uns mal das Bahnnetz an. Von den 19.000 Kilometern sind ganze 60 Prozent elektrifiziert. Die Schweiz hat 100 Prozent seit 2004 ihres Bahnnetzes elektrisch gemacht. Das heißt, wenn wir wirklich was für Elektromobilität und damit für den Klimaschutz unternehmen wollen, sollten wir bei der Bahn was unternehmen und bei den Autos einfach Anreize schaffen insgesamt für effiziente und saubere Autos und das finanzieren über ein Umlagesystem, das heißt eine Höherbelastung von Fahrzeugen, die Spritschlucker sind, die schmutzig unterwegs sind.
    Müller: Herr Resch, jetzt haben wir ganz viel schon aufgemacht an Details. Wir waren noch einmal bei dieser Kaufprämie. Sie sagen, die 5000 würden Sie nicht annehmen, weil es gibt andere Investitionsmöglichkeiten. Dann haben Sie gesagt, gerade das in der Situation jetzt. Für Sie ist das also, um da noch mal nachzufragen, ganz klar: Die Automobilindustrie ist ein Haufen von Betrügern?
    Resch: Im Bereich Abgasreinigung ganz eindeutig ja.
    "Bundesregierung macht falsche Zugeständnisse"
    Müller: So gut wie alle?
    Resch: So gut wie alle und wir denken auch, dass BMW, die jetzt freigesprochen worden sind von den Werten, die am Freitag veröffentlicht wurden, auch sehr auffällige Werte haben. Wir wissen ja, dass die amerikanischen Behörden am Freitag Untersuchungen, und zwar sehr offizielle Untersuchungen bei Daimler jetzt auch eingeleitet haben. Nicht die deutsche Bundesregierung; nein, die amerikanischen Behörden tragen auch hier wiederum zur Aufklärung mit bei. Und umgekehrt: Die Bundesregierung macht der Automobilindustrie im Grunde genommen falsche Zugeständnisse, indem dieses betrügerische Verhalten, denn kein Autofahrer wusste ja, dass ihm bei 17 Grad und niedrigeren Außentemperaturen die Abgasreinigung abgestellt wird, man hilft denen auch noch, dass das für legal erklärt wird, und man möchte jetzt neue Technologien auch noch finanziell fördern. Wir sollten nicht vergessen, dass auch bestimmte Elektroautos gerade eingestellt wurden von der deutschen Autoindustrie. Der Smart zum Beispiel, den gibt es gar nicht mehr.
    Müller: Aber gerade wenn das nicht vernünftig funktioniert mit den Verbrennungsmotoren, mit den Dieselmotoren, warum dann nicht jetzt eine Offensive bei den sauberen, ökologisch korrekten Elektroautos?
    Resch: Ich bin voll dabei, dass man für saubere, ökologisch korrekte Fahrzeuge ein Anreizsystem, auch gerne ein Prämiensystem einführt. Aber das sollte dann auch ein bisschen technikoffen sein. Es gibt Elektrofahrzeuge auch unter 60.000 Euro, die einfach übermotorisiert sind und die einen ineffizienten Elektroverbrauch haben. Wir haben umgekehrt Erdgasantriebe, wir haben Benzin-Hybrid-Antriebe, die um Größenordnungen, um den Faktor 50mal sauberer Sind als Euro-VI-Dieselfahrzeuge. Und selbst bei den Dieselfahrzeugen gibt es ja die Exportmodelle. Die erste Wahl wird ja in die USA exportiert und es gibt Modelle von Mercedes und BMW, die tatsächlich die sehr viel strengeren amerikanischen Grenzwerte auch einhalten. Es wäre durchaus selbst im Dieselbereich möglich, durch richtige Anreize saubere Fahrzeuge auf die Straße zu bringen.
    "In Europa wird zweite Wahl verkauft"
    Müller: … bis die getestet werden. Sind die jetzt getestet worden? Warum sind Sie sich da so sicher, dass das jetzt funktioniert, was in die USA geliefert wird?
    Resch: Ja, das habe ich mit Christopher Grundler besprochen, dem EPA-Direktor aus Washington, mit dem wir einen sehr intensiven Austausch pflegen, und der sagt, zumindest die Stichproben, die sie machen, zeigen, dass die Diesel-PKW bei minus sieben Grad eine funktionierende Abgasreinigung haben. Wir wissen es auch von den Autobauern, die dann darauf verweisen. Die Tanks für die amerikanische Ausführung für den Harnstoff sind sehr viel größer und man gibt mehr Geld aus für die Beschichtung und die Dimensionierung der Abgasreinigung. Wir müssen einfach aufhören, der Autoindustrie zu erlauben, zweite Wahl nach Europa zu verkaufen, billige Systeme, die nur 20 Minuten während einer Prüfung funktionieren. Solchen Unternehmen kann ich doch nicht jetzt auch noch als Dankeschön Steuergelder geben.
    Müller: Das überrascht Sie nicht so viel, weil in den 70ern bei den Katalysatoren war das genauso.
    Resch: Wir hatten diese ganzen Entwicklungen der Abgasreinigungstechnik zwar technologisch in Deutschland stark vorangetrieben, aber die Anreize kamen aus Amerika und hier insbesondere Kalifornien. Der Grund dort übrigens war die Luftverschmutzung. Man wollte saubere Luft in Kalifornien haben und deswegen dort die Einführung der Kats, auch später der Partikelfilter für Dieselmotoren. Und einmal mehr sehen wir, dass auch die Gesetzesdurchsetzung in den USA sehr viel konsequenter gegenüber großen Konzernen erfolgt als bei uns.
    Müller: Gehen wir noch mal zur Ausgangsfragestellung zurück. Jetzt haben Sie eben ja doch ein bisschen eingelenkt und gesagt, ja klar, so schlecht ist eine Prämie gar nicht, haben das wieder sehr anspruchsvoll, wenn ich das so ausdrücken darf, definiert mit den Kriterien Effizienz und so weiter. Das heißt, wenn wir das jetzt etwas vereinfachen wollen, weil wir gehen ja auch darauf ein, dass Politik operativ umsetzbar sein muss: 5000 Euro für das Elektroauto, darüber kann man schon mit Ihnen reden?
    "Flut von SUV muss enden"
    Resch: Ja. Das Elektroauto kann sogar mit dabei sein. Wir sind der Auffassung, dass wir …
    Müller: Ist das nicht die beste Wahl?
    Resch: Nein! Sie finden die Fahrzeuge im Moment nicht. Wir müssen aber für die 99,95 Prozent der Fahrzeuge, die im Moment nicht elektrisch betrieben werden, auch Anreize schaffen, dass diese Flut an SUV auf den Straßen endet. Für das Jahr 2020 hat die Bundeskanzlerin insgesamt eine Million Elektroautos geplant. Sie wird keine 100.000 erreichen.
    Müller: Wir haben jetzt 25.000?
    Resch: Wir haben jetzt 25.500. Aber wir werden im Jahr 2020 alleine eine Million SUV dazubekommen.
    Müller: Das sind die großen Geländewagen?
    Die SUV-Flotte von Mercedes auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) 2015 in Frankfurt.
    Resch will Flut an SUVs endlich eingedämmt sehen. (picture alliance / dpa / Susannah V. Vergau)
    Resch: Das sind die großen Geländewagen, die besonders hohe Spritverbräuche haben und, was der Dobrindt-Bericht jetzt auch gezeigt hat, besonders schmutzig sind. Das heißt, wir müssen für alle Fahrzeuge, auch für die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die besonders effizient sind, die besonders sauber sind, gerne auch bis zu 5000 Euro Prämie geben. Das muss dann abgestuft sein. Finanziert werden soll dieses aber nicht aus Steuermitteln, sondern indem man zum Beispiel die Subventionierung des Dieselkraftstoffs reduziert oder abschafft beziehungsweise eine höhere Besteuerung für solche Sprit schluckenden Fahrzeuge einführt.
    Müller: Aber das bedeutet dennoch, dass die Automobilindustrie vom Staat, vom Kunden, vom Verbraucher, wie auch immer definiert, dann irgendwie Geld bekommt und das nicht alles selbst stemmen muss, stemmen kann?
    Resch: Na ja. Erstens würde dieses Geld nicht vom Staat bezahlt werden, sondern es wäre aufkommensneutral finanziert von denjenigen, die unbedingt der Auffassung sind, sie müssen eine Sprit schluckende Limousine kaufen.
    Müller: Aber Steuerverzicht wäre ja der Staat.
    Resch: Steuerverzicht, das ist nicht Verzicht. Unser Vorschlag ist, dass dieser Verzicht beendet wird. Wir haben im Moment eine Subventionierung des Dieselkraftstoffs mit 17 Cent pro Liter. Wir meinen, dass wie in der Schweiz die Besteuerung nach dem CO2-Gehalt erfolgen sollte. Das heißt, die Besteuerung des Dieselkraftstoffes müsste ungefähr zehn Prozent höher liegen als vom Otto-Kraftstoff.
    Müller: Das wollte Jürgen Trittin auch mal so vor zehn, zwölf Jahren.
    Resch: Da war er nicht alleine. Eigentlich fast jeder Umweltminister hat davon geträumt.
    "Wir haben eine Tradition an Autokanzlern"
    Müller: Da war er Minister.
    Resch: Ja und er hat es nicht durchsetzen können. Sie können sich erinnern, dass wir eine Tradition an Autokanzlern haben. Gerhard Schröder hat sich sehr massiv für die Interessen der Autoindustrie eingesetzt, allerdings dann später den Partikelfilter mit durchgesetzt. Das war unsere erste große Aktion.
    Müller: Ist jeder Kanzler Autokanzler?
    Resch: Zumindest seit Gerhard Schröder ja, denn Frau Merkel trägt diesen Titel stolz auch, und in Kalifornien hat sie ja vor einigen Jahren sogar dafür gekämpft. Das ist ja bekannt geworden bei der jetzigen Untersuchungsleiterin auch der CARP, der Luftreinhaltebehörde, dass doch bitte Kalifornien zum besseren Verkauf von Dieselfahrzeugen die Grenzwerte absenken soll, was man empört natürlich zurückgewiesen hat. Deswegen: Frau Merkel tritt leider sehr einseitig als Autokanzlerin auf und vertritt nicht die Interessen der geschädigten Bürger. Man könnte beides gut verbinden, indem sie einfach sagt, ich möchte haben, dass die deutsche Automobilindustrie saubere Fahrzeuge, effiziente Fahrzeuge auf die Straße bringt, und das versuche ich über eine aufkommensneutrale Besteuerung durchzusetzen, die mich aber keinen einzigen Cent Steuergelder kostet, die ich für andere Zwecke vielleicht sinnvoller einsetzen kann.
    Müller: Die Kaufprämie für Elektroautos - unser Thema mit Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Vielen Dank für das Gespräch. Danke, dass Sie so spät für uns Zeit gefunden haben, ausgeharrt haben. Auf Wiederhören nach Berlin.
    Resch: Aber gerne doch. Tschüss!
    Müller: Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.