Christine Heuer: Das Feuerwerk hat eine lange Tradition. Im 14. Jahrhundert brachten arabische Händler die bunten Knallkörper mit Schwarzpulver nach Europa zur Gaudi zunächst an den Königs- und Fürstenhöfen. Im 19. Jahrhundert wurde das Feuerwerk vor allem an Silvester zum öffentlichen, im 20. Jahrhundert dann auch zum privaten Vergnügen für Jedermann.
Und nun will die Deutsche Umwelthilfe, die bekanntlich auch gegen das Dieselfahren auf die Barrikaden geht, es verbieten, am liebsten sofort.
Jürgen Resch ist am Telefon, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Guten Morgen, Herr Resch.
Jürgen Resch: Einen schönen guten Morgen!
Heuer: Wollen Sie den Deutschen eigentlich jeden Spaß verderben?
Resch: Nein! Wir stehen auch zu rauschenden Silvesterfesten. Nur sollte man das vielleicht mit anderen Gerätschaften machen als diese schwarzpulvergetriebenen Raketen und Böller, da wir durch diese archaische Form des Silvesterfeierns die Luft sehr stark belasten.
Wir haben die höchsten Feinstaubwerte des Jahres in den Stunden, manchmal Tagen danach. Wir haben aber auch das Problem mit Tausenden von Verletzungen, mit Hausbränden, Wohnungsbränden. Das ist gerade die Zeit, wo man sich eigentlich freuen soll auf das nächste Jahr, und Rettungssanitäter, Notärzte, Feuerwehrleute, die haben einen Krisenmodus und können quasi nie mit ihren Liebsten in Ruhe feiern. Wir möchten Silvester 2.0 ohne diese schwarzpulvergetriebenen Knaller und Raketen.
Heuer: Herr Resch, Sie haben die Tiere vergessen - nicht, dass wir Hörerpost kriegen -, die sich ja auch so erschrecken.
Resch: Ja, es sind nicht nur die Tiere. Es sind auch zum Beispiel demenzkranke Menschen, die mit dem Lärm nicht umgehen können. Für mich stehen hier die Menschen im Mittelpunkt. Da wir das seit 20 Jahren schon thematisieren, sprechen uns sehr viele zum Beispiel Allergiker oder Asthmatiker an, Menschen, die sagen, sie können teilweise für Tage nicht in die Stadt hinein, sie müssen sich irgendwo einen Platz suchen, weil sie die Luft nicht einatmen können.
Wer schon an die Grenzen kommt mit seiner Atemfähigkeit, der leidet unter diesen hohen Belastungen, die durch die Feuerwerke ausgelöst werden.
"In Paris ist das private Böllern verboten"
Heuer: Schildern Sie doch mal. Was wäre denn konkret anders, was all diese Belastungen angeht, zum Beispiel in Köln oder in Konstanz, wo Sie zuhause sind, wenn nicht geböllert würde an Silvester?
Resch: Ich würde vielleicht erst mal nach Paris schauen und sagen, wie machen es denn die Franzosen. Das gilt für eigentlich die meisten Industrienationen. Da ist nämlich das private Böllern verboten und man versucht, mehr und mehr mit Licht- und Laser-Shows zu arbeiten. Am Arc de Triomphe gibt es seit fünf Jahren ein großes Lichtfeuerwerk und da wird niemand verletzt, und das ist ganz grandios.
Das gibt es mittlerweile auch in Deutschland. Landshut hat das letztes Jahr gemacht, für Zehntausende von Menschen ein zentrales Licht- und Laser-Feuerwerk, und die Menschen sind wieder auf die Straßen gekommen und haben gesagt, jetzt können wir zum ersten Mal wieder ohne Sorge mit unseren Freunden zusammen auf der Straße feiern. Stuttgart macht das dieses Jahr übrigens auch am Schlossplatz.
Die Bewegung startet auch in Deutschland und es geht nicht darum, das Feiern zu verbieten. Nein, im Gegenteil! Wir möchten auch haben, dass in den Großstädten Familien mit ihren Kindern zu Silvester auf die Straße können. Untersuchungen von Augenärzten haben gerade gezeigt, dass die Verletzungen von Passanten sehr viel stärker sind als von denjenigen, die direkt böllern.
Heuer: Jetzt erwähnen Sie Paris, Herr Resch, und Sie stellen ja auch Verbotsanträge als Deutsche Umwelthilfe. Kann man in Deutschland privates Feuerwerk überhaupt verbieten?
Resch: Leider nur sehr eingeschränkt. Vereinfacht gesagt: Wenn die Stadt ein Fachwerkhaus-Ensemble hat, relativ einfach. Wenn es um den Schutz von Menschen geht, dann ist es eigentlich so, dass Sie erst mal eine ganz konkrete Gefährdung brauchen. Nehmen Sie die Kölner Domplatte. Wenn es dann dort Ereignisse gab, kann man danach ein Verbot aussprechen.
Aus diesem Grund haben wir auch den Antrag gestellt an die Bundesregierung, dass in der ersten Sprengstoff-Verordnung einige wenige Wörter so geändert werden, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, vereinfacht und großflächig solche Verbote auszusprechen.
Die Stadt Berlin oder der Senat von Berlin hat dieses aufgegriffen, einen entsprechenden Bundesratsantrag gestellt. Der ist jetzt auch in den Ausschüssen. Herr Seehofer hat sogar schon angekündigt, dass er eine Veränderung machen möchte - allerdings erst in zwei Jahren, und das verstehen wir nicht. Es ist ein Satz, der zu ändern wäre, und Menschen, Tiere, Umwelt würden davon profitieren, wenn die Gemeinden großflächige Feuerwerksverbote aussprechen könnten.
Heuer: Okay, da drängen Sie auf Eile. Bis es soweit ist, hat die Deutsche Umwelthilfe Verbotsanträge gestellt, in 98 Städten. Wie viele sind Ihnen gefolgt?
Resch: Wir sind schon mal ganz happy, dass von den 98 Städten 88 geantwortet haben, und von diesen 88 haben 38 entweder uns mitgeteilt, dass sie schon entsprechende Verbotszonen haben, aufgrund unseres Antrages solche beschlossen und umgesetzt haben, dass sie sich in der Umsetzung befinden, oder dass sie gerade überlegen, solche einzurichten, also eine positive Reaktion.
"Wir gehen davon aus, dass die Einsätze einfach sehr viel weniger werden"
Heuer: 38! Was ist mit den anderen 60?
Resch: Etwas mehr als die Hälfte haben uns ganz klar gesagt: Nein, sie wollen es beim Status quo belassen. Von ein paar wissen wir es einfach noch nicht oder haben nur ein paar Medienberichte mitbekommen. Wir freuen uns auf jeden Fall, dass wir in allen 98 Städten eine richtig robuste Diskussion ausgelöst haben, und wir haben jetzt 22 Städte, die noch nicht wollen, wo die Bürger das Heft in die Hand nehmen, eine lokale Petition gestartet haben, und dazu rufen wir jetzt einfach auf, dass diese Diskussion weitergeführt wird auch über Silvester und vielleicht dann doch alle zusammen versuchen, die Gemeindeverwaltung davon zu überzeugen, dass man solche Zonen braucht. Ich freue mich jedenfalls, dass mittlerweile auch erste Händler anfangen, auf den Verkauf zu verzichten, Rewe-Händler, Edeka-Händler und auch die Baumarktkette Hornbach.
Heuer: Aha! Schön, dass wir die erwähnt haben, Herr Resch. Aber in der Tat: Ich wollte Sie nach einem Verkaufsverbot für Silvester-Raketen in Deutschland fragen. Auch das selbstverständlich freiwillig, oder kann man da gesetzlich nachhelfen?
Resch: Das geht gesetzlich nicht und auch nicht auf dem Klageweg. Das wollen wir auch nicht. Sie sehen ja, auch beim Thema Feuerwerk setzen wir voll auf demokratische Instrumente, und das funktioniert bis jetzt zumindest mal leidlich gut.
Wir rufen natürlich jetzt auch andere Händler auf, nicht nur innerhalb von Rewe und Edeka, sondern gerade die Discounter, Aldi, Lidl. Gerade diejenigen Geschäfte, die über Filialen verfügen, könnten sehr schnell einen Beitrag zur sauberen Luft leisten.
Heuer: Herr Resch, ich sage es jetzt mal: Wir haben im Deutschlandfunk nicht mal Werbung. Bitte nicht noch mehr Firmennamen jetzt nennen.
Resch: Okay.
Heuer: Selbst wenn das Verbot von Silvester-Raketen käme, wie soll das denn durchgesetzt werden? Da hätte die Polizei ja ziemlich viel zu tun, wenn sie hinter allen Privatleuten hinterher wäre, die es knallen lassen wollen.
Resch: Zum einen wissen wir ja, dass sich die meisten an Verbote halten. Zum anderen müssen sie ja permanent Einsätze fahren, weil es diese Verletzungen und Streitereien gibt, die häufig ausgetragen werden mit entsprechenden Knallkörpern, und übrigens auch Raketen, dass man sich gegenseitig beschießt.
Wir gehen davon aus, dass die Einsätze einfach sehr viel weniger werden, und sie können natürlich dann auch das besser identifizieren, wo noch geknallt wird. Und das zeigen ja auch die Städte, die entsprechende Verbote ausgesprochen haben. Sie sprachen vorhin Konstanz an. Das wird einfach beachtet. Sie haben da ganz, ganz wenig Übergriffe, das funktioniert schon.
Heuer: Dann sprechen wir zum Schluss noch kurz über Alternativen. Wie feiert die Familie Resch Silvester?
Resch: Wir feiern ganz traditionell zuhause. Wir leben auf dem Dorf und wir verzichten einfach auf Raketen und Knallkörper und feiern drinnen oder laufen am Abend auf jeden Fall, wenn es das Wetter hergibt, noch ein bisschen herum. Ich brauche auch nicht die Raketen am Himmel oben.
Heuer: Und nicht mal eine Laser-Pistole in der Hand?
Resch: Auch ohne Laser-Pistole.
Heuer: Und Weihnachten ohne Kerzen? Die machen ja auch so viel Feinstaub.
Resch: In der Tat! Wir haben einen Weihnachtsbaum und da sind LED-Kerzen dran. Die richtigen brennenden Kerzen, ich glaube, die hat kaum noch jemand, und die waren übrigens auch für viele, viele Wohnungsbrände früher verantwortlich.
Heuer: Alles wird besser mit der Deutschen Umwelthilfe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.