Es ist eine Frage der Moral, ob deutsche Unternehmen in der chinesischen Autonomieregion Xinjiang produzieren sollten. Wie die zu entscheiden sei, das ist für Reinhard Bütikofer, Mitglied der Grünen im Europaparlament, klar. Er sagte in diesem Sender:
"Ich stelle die Forderung, entweder sich offen mit der chinesischen Politik in Xinjiang anzulegen oder aber dort das Geschäft einzustellen."
Keine Empfehlung von Regierungsseite
Die Bundesregierung ist da noch zurückhaltend. Sanktionen gibt es deswegen noch nicht, und deshalb gelte, so sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern:
"Ich habe heute hier von dieser Stelle den deutschen Unternehmen keinen Ratschlag zu geben."
Seit Jahren aber sind deutsche Unternehmen in Xinjiang aktiv. Wie aber dort in den vergangenen Jahren die Uiguren-Minderheit behandelt wird, das war offenbar nicht allen bekannt – oder sie haben weggeschaut. Zumindest gab sich VW-Chef Herbert Diess bei der Automesse in Shanghai im April ahnungslos. Auf die Frage eines BBC-Reporters nach den Menschenrechtsverletzungen dort sagte er, er sei stolz darauf, dass Volkswagen Arbeitsplätze in Xinjiang schaffe.
"Wir sind sehr stolz darauf, dass wir auch Arbeitsplätze in der Region schaffen. Wir glauben, dass das sehr hilfreich ist."
VW beruft sich auf wirtschaftliche Überlegungen
Was er denn zu den Internierungslagern sage, hakte der Reporter nach. Das könne er nicht beurteilen, sagte Diess damals. Er wisse nicht, was mit der Frage gemeint sei:
"Davon habe ich keine Kenntnis."
Inzwischen hat Volkswagen auf die Welle der Empörung nach diesem Interview reagiert. Man sei sich der Lage in der Region bewusst und bemühe sich, einen Beitrag zur Entwicklung der Region und zum Zusammenleben der dortigen Volksgruppen zu leisten, heißt es nun. Aber die Entscheidung 2013 für das Werk in Urumqi habe man aus rein wirtschaftlichen Überlegungen gefällt. Doch Volkswagen bleibt dabei: Das Engagement dort wird ausgebaut.
Auch BASF und Siemens vor Ort
Der Chemiekonzern BASF wiederum ist in zwei Joint Ventures in der Region aktiv, ein Sprecher nennt ebenfalls wirtschaftliche Gründe für das Engagement. Man habe sich aber mit den Joint Venture-Partnern auf einen Verhaltenskodex geeinigt. Und wie auch VW schließt BASF mit seinen Mitarbeitern direkte Arbeitsverträge ab. Eine Missachtung der Menschenrechte schließt der Konzern für seine eigenen Geschäftsaktivitäten zumindest aus.
Siemens wiederum kooperiert mit dem halbstaatlichen chinesischen Überwachungskonzern CETC. Der Schwerpunkt liege da im Bereich intelligenter Fertigungslösungen, die für die Produktion von Haushaltsgeräten oder Fahrzeugen genutzt würden. Der Münchner Konzern gibt sich jedoch sehr wortkarg.
Förderbank KfW will keine weiteren Kredite vergeben
Neben den Produktionsunternehmen sind auch verschiedene Banken in Xinjiang aktiv. Auch die staatliche Förderbank KfW – sie hat in der Stadt Urumqi eine U-Bahn mitfinanziert. Immerhin: Auf die Frage nach möglichen Konsequenzen auf die jüngste Entwicklung sagt eine Sprecherin, man plane derzeit keine weiteren Kreditvergaben für Vorhaben in Xinjiang.
Offener Protest ist von den meisten deutschen Firmen derzeit aber anscheinend nicht zu erwarten.