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Deutsche Welle
"Deutsch ist die Hauptarbeitssprache"

Die Deutsche Welle künftig nur noch auf Englisch? Das wird es nicht geben, sagte der Intendant des Auslandsrundfunks, Peter Limbourg, im DLF. Doch um das deutschsprachige Fernsehprogramm zu erhalten, brauche der aus dem Bundeshaushalt finanzierte Sender mehr Geld.

Peter Limbourg im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, fotografiert am 18.11.2014 in Bonn (Nordrhein-Westfalen).
    Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg: "Wir wollen nicht, dass das deutsche lineare Fernsehprogramm eingestellt wird." (dpa/picture alliance/Oliver Berg)
    Das Deutsche-Welle-Gesetz regele eindeutig, dass die Welle ein Programm in deutscher Sprache anbieten müsse, sagte Limbourg. Ob dies aber wie bisher auch in Form des linearen Fernsehprogramms geschehen müsse, sei offen. Hier forderte der Intendant mehr finanzielle Unterstützung von Seiten des Staats, um das derzeitige Programm zu erhalten. Sollte das aktuelle Fernsehangebot wegfallen, würden die meisten Produktionen auch künftig in deutscher Sprache sein - und dann digital angeboten.
    Die etwa 100 Millionen Nutzer erreiche der Sender aber in über 90 Prozent in Fremdsprachen. Daher sei es wichtig, diese zu stärken - vor allem Englisch. "Damit erreichen wir die meisten Menschen schon jetzt", so Limbourg.
    Gestern hatte der Verwaltungsrat die Umbaupläne bei der Deutschen Welle gebilligt. Hunderte Mitarbeiter protestierten dagegen, auch weil sie befürchten, dass der Sender künftig nur noch auf Englisch sendet.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Bei der Deutschen Welle, bei der öffentlich-rechtlichen Anstalt für den Auslandsrundfunk, da gehen die Wellen, um nicht zu sagen, die Wogen im Moment durchaus hoch. Viele Mitarbeiter fürchten, ihr Arbeitgeber könnte zu so was wie einer German Wave werden. Schuld daran sind Gedankenspiele des Intendanten Peter Limbourg, der im letzten Jahr vom Privatfernsehen gekommen war, über eine Einstellung des deutschen Programms, verbunden mit einem Ausbau des englischsprachigen Angebots. Mehrere Hundert Mitarbeiter und Journalisten haben gestern dagegen in Berlin protestiert.
    Telefonisch zugeschaltet ist uns jetzt der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg. Guten Morgen!
    Peter Limbourg: Guten Morgen, Frau Schulz!
    "Der deutsche Fernsehkanal ist sehr stark vom digitalen Wandel betroffen"
    Schulz: Herr Limbourg, ein deutscher Auslandssender längerfristig vielleicht ohne lineares deutsches Programm, wäre das nicht paradox?
    Limbourg: Das wollen wir verhindern. Wir wollen gerade, dass solche Szenarien nicht greifen, und unsere Bitte in die Politik hinein ist, uns finanziell so auszustatten, dass wir auf absehbare Zeit auch weiter ein deutsches Fernsehprogramm aussenden können. Man muss nur eines fairerweise sagen: Der deutsche Fernsehkanal ist sehr stark vom digitalen Wandel betroffen, durch die große Konkurrenz des Internets und vor allen Dingen auch der vielen deutschsprachigen Angebote im Internet. Egal ob es die "Tagesschau", ob es der "Kicker", ob es die "Berliner Zeitung" oder der "Bonner Generalanzeiger" ist - Sie können die Inhalte weltweit abrufen -, ist das deutsche Fernsehprogramm doch unter Druck geraten, was die Reichweiten anbelangt. Insofern ist es eine kulturelle Frage, eine politische Frage, ob wir das weiter machen wollen. Ich will es und ich hoffe, dass wir genügend Mittel dafür bekommen.
    Schulz: Aber Sie wollen ja Geld in die Hand nehmen, Geld, um das englischsprachige Angebot auszubauen. Droht da nicht die Gefahr, dass Sie dann zu einer drittklassigen Konkurrenz werden, eben von CNN oder BBC, was gerade schon gesagt wurde, und sich dann faktisch dadurch selbst abschaffen?
    Limbourg: Mit CNN sind wir nicht im Wettbewerb, weil CNN ist ja ein Privatsender. Wir sind ein öffentlich-rechtlicher Sender mit einem ganz anderen Auftrag. Ich sehe das nicht, dass da eine Gefahr droht, sondern unsere Zukunft liegt in den Fremdsprachen. Wir müssen sehen: Jetzt schon erreichen wir von den über 100 Millionen Nutzern wöchentlich über 90 Prozent in den Fremdsprachen. Es geht nicht darum, nur alles aufs Englische zu setzen, sondern natürlich auch müssen wir die Menschen in ihren Sprachen erreichen. Das heißt, wir müssen sie auf Russisch ansprechen, auf Arabisch, auf Spanisch, auf Farsi. In allen großen Sprachen und wichtigen Sprachen müssen wir die Menschen erreichen. Aber Englisch ist sehr wichtig, damit erreichen wir schon die meisten Menschen jetzt und haben auch das größte Potenzial, Nutzer und Zuschauer zu gewinnen, und insofern, glaube ich, ist es richtig, dass wir auf diese Fremdsprachen setzen. Aber es geht nicht nur allein darum, Englisch zu stärken, sondern am besten die gesamten Fremdsprachenangebote der Deutschen Welle.
    "Wir wollen nicht, dass das deutsche lineare Fernsehprogramm eingestellt wird"
    Schulz: Aber Sie drohen ja, oder nicht Sie drohen, sondern der Spardruck droht ja nun, Einschnitte möglich oder nötig zu machen, besser gesagt, und wenn es im Moment ja so ist, dass das deutsche Programm Grundlage ist für die vielen fremdsprachlichen Programme, die es ja auch gibt, die Sie auch gerade angesprochen haben, wie soll das dann zukünftig laufen?
    Limbourg: Noch mal: Wir wollen nicht, dass das deutsche lineare Fernsehprogramm eingestellt wird. Wenn wir dazu gezwungen würden, wäre es nach wie vor natürlich so, dass die meisten Produktionen in deutscher Sprache stattfinden. Sie würden auch digital im Netz verfügbar sein. Deutsch ist auf lange Sicht und muss es auch bleiben die Hauptarbeitssprache der Deutschen Welle, weil was wir dringend brauchen ist eine deutsche Absenderkennung. Wir wollen ja in die Welt mit internationalen und regionalen Inhalten und der Sicht Deutschlands auf diese Ereignisse hinausstrahlen und wir wollen aber auch deutsche Themen für die Welt aufbereiten, und das können Sie am besten mit Menschen, die hier leben und die zumindest deutsch geprägt sind und in der Lage sind, aber auch in Fremdsprachen zu kommunizieren.
    "Es geht darum, dass wir Deutsch erhalten"
    Schulz: Herr Limbourg, dann haben Ihre Mitarbeiter Sie alle falsch verstanden, und Sie garantieren hier an dieser Stelle, dass das deutsche Programm der Deutschen Welle so bleibt?
    Limbourg: Ich kann das nicht garantieren. Wir werden aber immer ein deutsches Programm haben. Das steht allein schon im Deutsche-Welle-Gesetz. Die Frage ist, welche Ausspielwege - in dem Fall das lineare Fernsehen - in Zukunft noch verfügbar sein werden. Darum geht es im Moment. Es geht nicht darum, dass wir keine deutsche Sprachangebote oder deutsche Programme mehr haben wollen in der Deutschen Welle. Das wäre sicherlich völlig der falsche Weg, sondern es geht darum, dass wir Deutsch erhalten. Die Frage ist, auf welchem Ausspielweg.
    Schulz: Aber ich habe es schon richtig verstanden, dass dann doch das deutsche lineare Fernsehprogramm gefährdet wäre?
    Limbourg: Es wäre gefährdet, wenn wir in der Tat tatsächlich weiter in dieser strukturellen Unterfinanzierung bleiben, und man muss einfach klar sagen, ich habe da eine Verantwortung, die Geschäftsleitung hat eine Verantwortung, wir sind vom Verwaltungsrat gebeten worden, uns damit klarzuziehen, wie wir denn 2016 und folgende in die Zukunft gehen wollen, und da fehlen einfach sehr viele Mittel und das ist ein Problem, das daraus resultiert, dass diese Deutsche Welle über die letzten 10, 15 Jahre radikal runtergespart wurde und auch strukturell so finanziert ist, dass wir immer bei jeder Kostensteigerung und bei jeder Tarifsteigerung ins Programm einschneiden müssen. Das wollen wir beenden und hoffen darauf, dass wir die Unterstützung auch bekommen durch den Bundestag, durch die Politik, und in der Tat, wir haben in den letzten Jahren viel Unterstützung bekommen und auch durch Staatsministerin Grütters, durch Minister Müller und Minister Steinmeier, die sehr an uns interessiert sind, und auch die Haushälter, aber wir müssen jetzt eine strukturelle langfristige Finanzierung hinbekommen.
    Schulz: Aber mit diesen Gedankenspielen über Einschnitte auch beim deutschsprachigen Programm, gefährden Sie da nicht erst recht die Perspektive, mehr Geld zu bekommen?
    Limbourg: Ich habe nicht den Eindruck, sondern ich glaube, dass wir jetzt über die Deutsche Welle diskutieren, über ihren Auftrag, und der Rückhalt für die Deutsche Welle ist gerade in diesen Krisenzeiten sehr groß. Wir müssen ja klar sehen, dass wir in einer internationalen Situation sind, wo wir eigentlich mehr Aufklärung brauchen statt weniger. Insofern ist im Deutschen Bundestag, ist in der Politik auch in den letzten Wochen und Monaten das klare Bekenntnis zur Deutschen Welle gewachsen meiner Ansicht nach.
    "Wir sind und bleiben der chinesischen Staatsführung gegenüber sehr kritisch eingestellt"
    Schulz: Ein Thema möchte ich gerne noch ansprechen. Es gibt ja auch Streit über die Ausrichtung der China-Redaktion. Sie haben mit Frank Sieren einen Kollegen als Kommentator eingekauft, der das Tiananmen-Massaker als "Ausrutscher" bezeichnet hat, und Sie kooperieren mit dem chinesischen Staatssender CCTV. Jetzt hat die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen Sie gebeten, aus Ihrem Kuratorium auszuscheiden. Kritik an der chinesischen Staatsführung, die ist bei der Deutschen Welle nicht mehr erwünscht?
    Limbourg: Das würden Sie wahrscheinlich selber nicht glauben und ich bitte Sie, einfach unser Programm im chinesischen zu sehen und auch sonst unser Programm zu verfolgen. Wir sind und bleiben der chinesischen Staatsführung gegenüber sehr kritisch eingestellt und die Auseinandersetzung, die wir mit Reporter ohne Grenzen haben, liegt daran, dass erstaunlicherweise ohne Rücksprache Reporter ohne Grenzen meint, dass eine Kooperation, über die nachgedacht wird, im Kulturbereich, eine Kooperation über die Begleitung des Bundesjugendorchesters im nächsten Jahr, dazu führt, dass wir nicht mehr satisfaktionsfähig sind, was ein bisschen überrascht, weil auch andere Vertreter in dem Kuratorium von Reporter ohne Grenzen sehr viel engere Beziehungen zu CCTV haben. Insofern würde ich den Ball gerne an Reporter ohne Grenzen, zumindest an den Geschäftsführer zurückspielen, denn er konnte uns bisher immer noch nicht erklären, warum wir raus sollen und andere nicht.
    Schulz: Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, heute hier in den „Informationen am Morgen". Danke Ihnen.
    Limbourg: Frau Schulz, danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.