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Deutsche Wirtschaft in Afrika
Chance oder Ausbeutung?

Vor allem bei Hilfen für Infrastrukturprojekte sind deutsche Unternehmen in afrikanischen Ländern weniger stark vertreten als Investoren aus China. Das sollte sich ändern, meint der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing. So könnten langfristig Arbeitsplätze geschaffen werden, sagte er im Dlf.

Stefan Liebing im Gespräch mit Katja Scherer |
    Mitarbeiter eines Stahlwerks an der Elfenbeinküste
    Zusammenarbeit mit heimischer Industrie stärken (dpa / picture alliance / Nabil Zorkot)
    Katja Scherer: Afrika als ein Kontinent der Chancen, mit vielen Rohstoffen und vielen jungen Menschen – das ist ein Bild, das in den vergangenen Jahren immer wieder beschworen wurde. Die Realität sah aber bislang anders aus: Nur wenige deutsche Firmen waren dort vor Ort.
    Das scheint sich derzeit zu ändern: Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft hat mitgeteilt, dass deutsche Unternehmen im laufenden Jahr mehr als eine Milliarde Euro in Afrika investieren – zehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Ich habe mit dem Vereinsvorsitzenden Stefan Liebing gesprochen und ihn gefragt: Woran liegt es denn, dass deutsche Unternehmen nun plötzlich doch noch ihr Interesse an Afrika entdecken?
    Stefan Liebing: Erst mal ist es ja nicht so, dass wir nichts getan hätten. Wir haben über tausend deutsche Unternehmen, die seit vielen Jahren schon in Afrika tätig sind. Aber ich glaube, wir haben eine besondere Aufmerksamkeit bekommen durch die Aufmerksamkeit, die das politische Berlin dem Thema geschenkt hat. Wir hatten eine große Initiative der Bundeskanzlerin im Rahmen von G20. Wir hatten die Marshall-Plan-Initiative des Entwicklungsministers. Und all das hat letztlich auch dafür gesorgt, dass noch mehr deutsche Unternehmen sich angeschaut haben, was man auf diesem Kontinent realistischer Weise tun kann.
    Scherer: Welche Länder und Branchen stehen denn da im Fokus und welche nicht?
    Liebing: Wir haben heute nach heutigem Stand einen Schwerpunkt in den nordafrikanischen Ländern und im Land Südafrika. Das ändert sich gerade. Ich glaube, wir sehen gerade einen Schwerpunkt auf die Länder, die wirklich unterentwickelt sind in Subsahara-Afrika, und wir sehen, dass ein bisschen Automobilbranche stattfindet, dass aber vor allem Infrastruktur, erneuerbare Energien, Logistik, Dienstleistungssektor, Gesundheitswirtschaft einen Schwerpunkt für deutsche Unternehmen bilden.
    Scherer: Jetzt haben Sie gesagt, Infrastruktur. Da sind ja auch chinesische Unternehmen schon sehr lange in Afrika aktiv und die stehen auch immer wieder in der Kritik. Denen wird zum Beispiel vorgeworfen, dass sie auch sehr viele afrikanische Rohstoffe aufkaufen und gleichzeitig die Industrien des Kontinents mit ihrer Importware ein bisschen kaputt machen, kann man schon fast sagen. Könnte das nicht bei deutschen Unternehmen auch so laufen?
    Infrastrukturprojekte aus einer Hand anbieten
    Liebing: Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, es gibt einige Dinge, die wir von den Chinesen lernen können, und andere Dinge, die wir genau nicht lernen sollten. Viele der afrikanischen Staats- und Regierungschefs, die bei uns sind, sagen uns, dass sie mit den Chinesen häufig deshalb arbeiten, weil sie niemanden anderen haben, der ihnen ähnliche Pakete anbietet, der ihnen anbietet, aus einer Hand mit Finanzierung, Planung, Umsetzung, Wartung große Infrastrukturprojekte zu bauen. Und wenn wir jetzt mal ehrlich sind, dann gibt es dafür in Deutschland eigentlich auch kaum mehr Unternehmen, die das können. Viele der Gäste aus Afrika sagen, sie würden sehr gern mit den Deutschen arbeiten, weil sie wissen, dass nach hohen Qualitätsstandards gearbeitet wird, dass man seine Leute gut ausbildet und sie anständig behandelt. Insoweit glaube ich, wir sollten diese Dinge genau nicht versuchen, bei den Chinesen zu kopieren, und andererseits müssen wir uns stärker zusammentun, stärker koordinieren, damit wir Paketangebote aus einer Hand, das Infrastrukturprojekt der Deutschland AG anbieten können. Das tun wir momentan nicht und deshalb bleibt vielen afrikanischen Regierungen gar nichts anderes übrig, als mit China zu arbeiten.
    Scherer: Aber wäre es für Wachstum und Produktivität in Afrika nicht viel sinnvoller, den Aufbau von afrikanischen Firmen vor Ort voranzutreiben, auch um zum Beispiel dann wirklich Fluchtursachen nachhaltig zu bekämpfen?
    Liebing: Ja, natürlich. Wir haben jetzt gerade über Infrastruktur gesprochen und Infrastruktur sind ja nicht klassischerweise Fabriken mit vielen Arbeitsplätzen, sondern da geht es darum, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Fabriken gebaut werden können, in denen dann Arbeitsplätze für Afrikaner entstehen. Und ich glaube, deshalb müssen wir den Infrastruktur-Bereich etwas anders betrachten. Da geht es vor allem um Technologie und um komplexe Finanzierungsstrukturen mit internationalen Banken, und das ist etwas, was Afrika bisher nur sehr begrenzt allein kann. Und wenn man sich anschaut, entweder wir machen das mit der chinesischen Regierung, die alles aus einer Hand bringt, oder wir müssen uns 25 Partner in Europa zusammensuchen; deshalb sage ich: Da müssen die europäischen und deutschen Partner sich anders zusammentun, damit auf dieser Basis dann Fabriken entstehen, und das müssen Afrikaner ganz federführend machen. Woran es fehlt in Afrika ist in der Regel entweder Technologie und Know-how, oder Kapital, und beides können wir einbringen. Aber wir werden das sicherlich vielleicht anders als andere Nationen auf Augenhöhe hinbekommen.
    Scherer: Augenhöhe ist ein gutes Stichwort. Es gab zum Beispiel kürzlich den Vorstoß von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der gesagt hat, afrikanische Agrarprodukte sollen zollfrei auf den europäischen Markt kommen. Es war da allerdings keine Rede davon, dass zum Beispiel verarbeitete Produkte aus Afrika dann zu niedrigeren Zöllen importiert werden können, und das ist ja das, was letztendlich Afrika wirklich Wertschöpfung bringen könnte. Das heißt, wie kann man da bisher von Handelspartnerschaft auf Augenhöhe sprechen?
    EU-Subventionen reduzieren und fairen Wettbewerb ermöglichen
    Liebing: Ich glaube, dass wir da ein bisschen differenzieren müssen. Ich glaube, dass der Vorstoß des Ministers gut gemeint war, dass er aber tatsächlich nicht berücksichtigt hat, dass wir durch die neuen Freihandelsabkommen der EU mit Afrika Zölle ja schon mit ganz wenigen Ausnahmen abgeschafft haben. Zölle sind genau nicht das Problem, und das wurde übrigens auch breit berichtet nach dem Vorstoß des Ministers. Das Problem sind zwei Dinge. Das eine, warum verarbeitete Lebensmittel nicht ausreichend nach Europa kommen, ist, dass die Unternehmen dadurch kaputt gehen, dass subventionierte europäische Produkte nach Afrika kommen. Und das zweite, was ein Problem ist, sind die hohen Qualitätsstandards. Viele der afrikanischen Unternehmen sind schlicht nicht in der Lage, Hygiene-, Kühl- und andere Qualitätsstandards der EU einzuhalten, so dass aus diesem Grund der Import nicht stattfinden kann. Das würde ich jetzt auch nicht abschaffen wollen und deshalb ist für mich der Ansatz eher, EU-Subventionen reduzieren, fairen Wettbewerb herstellen, den Afrikanern das erst mal ermöglichen, und zum zweiten sie in die Lage versetzen, dass sie europäische Qualitätsstandards einhalten können, damit sie ihre Produkte, die es ja gibt, auch nach Europa bringen dürfen. Das wäre aus meiner Sicht erst mal eine Hausaufgabe für den deutschen Entwicklungsminister, dort Projekte zu entwickeln, mit denen er lokalen Landwirten und Lebensmittelverarbeitern helfen kann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.