Martin Jekel war bis vor kurzem Professor für Wasserreinhaltung an der TU Berlin und leitet das laufende Forschungsprojekt "MiWa": Mikroplastik im Wasserkreislauf. Der Chemiker hat eine klare Meinung, was die Meldungen aus den USA angeht, wonach Trinkwasser in vielen Fällen mit Mikroplastik-Partikeln belastet sei:
"Diese früheren Studien sind alle falsch aus unserer Sicht, weil sie nur das reine Lichtmikroskop verwendet haben, um die Partikel zu identifizieren. Und das ist hochproblematisch. Bei Vergleichsuntersuchungen zum Beispiel vom Alfred-Wegener-Institut stellte sich heraus, dass mit dem Lichtmikroskop um den Faktor 60 bis 100 mehr Teilchen als Plastik identifiziert wurden, obwohl es gar kein Plastik war."
Präziseres Messverfahren
Im Rahmen des "MiWa"-Projektes wurden Trinkwasser-Proben deshalb jetzt mit der Raman-Spektroskopie untersucht, einem viel präziseren Laser-Messverfahren. Außerdem arbeiteten die Analytiker des Karlsruher Technologiezentrums Wasser mit sogenannten Clean Air Boxes. Um zu vermeiden, dass Mikroplastik-Partikel aus der Umgebungsluft in ihre Proben gelangen und so das Messergebnis verfälschen.
"Das sind so Laborboxen, bei denen gefilterte Luft verwendet wird, die dann frei ist von solchen Störgrößen. Wer immer offen damit umgeht, hat ein Problem mit Blindwerten. Und das kann genauso gut bei den anderen Studien passiert sein."
Die Analysen sind die ersten dieser Art in Deutschland. Dabei wurden zwar auch winzige Partikel im Trinkwasser entdeckt, etwa aus Polyethylen und aus Polyamid. Doch nur in "extrem niedrigen Konzentrationen", wie die Forscher sagen.
"Das sind die Ersten, wo man eindeutig sagen kann, dass die sauber gemessen haben."
Bei Polyethylen zum Beispiel waren es maximal zehn Partikel pro Kubikmeter Wasser. Laut Martin Jekel liegt das auf jeden Fall im Bereich der Blindwerte, die man in jeder Probe hätte. Einfach dadurch, dass Plastikteilchen heute allgegenwärtig sind - auch in Laborapparaturen und -materialien.
Nicht überrascht von den Ergebnissen
Der Berliner Umweltingenieur Aki Sebastian Ruhl verdeutlicht, wie gering die gefundenen Partikelkonzentrationen sind. Auch er ist beim MiWa-Projekt dabei.
"Man muss dazu sagen, dass riesige Volumina abfiltriert werden müssen. Also, die Kollegen filtrieren bis zu 20 Kubikmeter ab, um wenige Partikel aufzufangen. Also, fünf Badewannen ergeben einen Kubikmeter, und davon dann 20."
Projektleiter Martin Jekel hält die neue Messmethode für verlässlich. Und ist von den jetzt vorliegenden Ergebnissen nicht überrascht, wie er sagt. Man könne allgemein davon ausgehen, dass Trinkwasser nicht mit Mikroplastik verunreinigt sei.
"Trinkwasser muss immer frei sein von Feststoffen. Zu Feststoffen gehören auch Bakterien, Viren und so weiter. Eine gute Wasseraufbereitung, die zum Beispiel mit einer Bodenfiltration gekoppelt ist, hat eine praktisch komplette Entfernung. Was Sie dann noch finden, kommt eher aus dem Brunnen an Partikelchen: Eisenoxide, Manganoxide. Bisschen was kann da sein. Die Wasserversorger, die zum Beispiel ein Rohwasser nehmen, das hygienisch sowieso belastet ist durch Einleitungen, legen extrem viel Wert auf eine perfekte Partikelentfernung."
"Keine allzu große Gefahr"
Im Rahmen von MiWa werden derzeit Oberflächengewässer auf Mikroplastik untersucht. Eine großangelegte Analyse von deutschen Trinkwasser-Proben steht noch aus. Aki Sebastian Ruhl rechnet aber auch dann nicht mit kritischen Befunden. Besorgte Verbraucher glaubt er schon heute beruhigen zu können.
"Zum einen kann man denen sagen, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass Kunststoffpartikel die Trinkwasseraufbereitung überstehen. Und andererseits kann man natürlich noch sagen, dass vermutlich von Kunststoffpartikeln keine allzu große Gefahr ausgeht. Denn Kunststoffpartikel, die werden aufgenommen, sind aber so inert, reaktionsträge, dass sie im Körper nicht wechselwirken und quasi unverändert wieder ausgeschieden werden."
Aus Angst vor Plastikpartikeln muss demnach niemand auf den Genuss von Trinkwasser verzichten.