Das Ziel des Deutschen Alpenvereins ist ambitioniert: Bis 2030 will der DAV klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, will der Verband zunächst überall dort CO2-Emissionen vermeiden, wo es möglich ist. Wenn es nicht möglich ist, sollen die Emissionen zumindest verringert werden. Und erst dann will der DAV die restlichen Emissionen kompensieren.
DAV-Ehrenpräsident: "Es sind nicht alle begeistert davon"
Um diese Schritte durchzuführen, muss der Verband aber erst mal rausfinden: Wer produziert wie viel CO2? Das zu errechnen, ist in der Realität dann aber doch kleinteiliger als gedacht: „Das ist ein ganz schwieriges Thema geworden: Wenn man einigermaßen realistische Zahlen haben will und so komplexe Strukturen hat, Aktivitäten und auch Sporteinrichtungen wie Kletterhallen oder die Hütten, die der Alpenverein betreibt, dann ist das keine einfache Sache diese Arbeit", resümiert DAV-Ehrenpräsident Josef Klenner.
Zu Schwierigkeiten, wie eine fähige Software zu finden und sie auch bedienen zu können, kommt auch dazu, dass jedes einzelne Mitglied im Alpenverein bei der Bilanzierung gefragt ist: „Dann muss der Übungsleiter oder der Gruppenleiter Listen darüber führen, wer teilgenommen hat, wie er angereist ist und wie viele Kilometer. Um das alles erst einmal in Gang zu bringen, das ist eine sehr mühsame Arbeit, eine administrative Aufgabe, die noch zusätzlich zu leisten ist. Und da dürfen wir uns nichts vormachen. Da sind nicht alle wirklich begeistert davon.“
Plan B: Budget-Teil für Klimaschutz reserviert
Die CO2-Bilanzierung hätte eigentlich 2022 abgeschlossen werden sollen, um mit der CO2-Bepreisung zu beginnen: Für jede Tonne CO2, die eine Sektion, also der lokale Ortsverband, ausstößt, sollte die Sektion 90 Euro aus ihrem Budget für Klimaschutzmaßnahmen aufwenden.
Aufgrund der Hürden ist der DAV noch nicht soweit, hat aber einen Plan B: Bis die Bilanzierung abgeschlossen ist, sind fünf Prozent der Budgets der Sektionen für den Klimaschutz reserviert. Damit könnten zum Beispiel Kletterzentren auf teureren Ökostrom umsteigen. Mehr als 50 Prozent der Sektionen haben laut DAV schon umgestellt.
Förderung von Vorbildprojekten
Die meisten CO2-Emissionen entstehen beim Berg- und Klettersport aber bei der An- und Abreise zu den Aktivitäten. Mit Bergsteigerbussen und Gruppen-Touren versuchen die Sektionen, CO2 einzusparen.
Besonders kreative Konzepte bekommen finanzielle Starthilfe aus einem Klimaschutzfond des Verbandes, „weil eben daraus auch an Know-how gewonnen wird, was nicht nur für die eine Sektion zu gebrauchen ist, sondern im Prinzip für eine große Anzahl“, erklärt Klenner. Jedes DAV-Mitglied zahlt einen Euro in diesen Fond ein.
Eines dieser Vorbild-Projekte ist das Kletterzentrum in Bremen. Leiter Jonas Loss hat ein universelles Nachhaltigkeitskonzept entwickelt: „Da sind halt jede Menge Maßnahmen aufgelistet, die man einfach so eins zu eins für sich übernehmen kann. Also ob das jetzt eine Kletterhalle ist oder ob das ein Vereinsheim eines Fußballvereins ist, oder der Tennisclub - das lässt sich eins zu eins eigentlich auf viele Sportanlagen übertragen. Also letztendlich sind das ja Maßnahmen, die ich in jeder Lebenswelt einsetzen kann.“
Dazu gehören Photovoltaik-Anlagen und eine energiesparende Belüftung, LED-Lampen und Bewegungsmelder für die Beleuchtung, Heizen mit Fernwärme, aber auch vermeintlich kleine Maßnahmen: „Da gibt es in Deutschland eine Firma, die stellt Duschköpfe her, die sehr viel Luft beimischen, und die tatsächlich als einzige den blauen Umweltengel tragen. Und das ist natürlich dann auch als Werbemaßnahme mit Schild in den Duschen hinterlegt“, beschreibt Jonas Loss, Initiator des Nachhaltigkeitskonzepts.
Klimaschutz ist Überzeugungsarbeit
Loss merkt aber auch, dass es nicht immer einfach ist, für Klimaschutzmaßnahmen zu begeistern: „Das größte Problem liegt gerade darin: Wer macht denn das alles? Weil Ehrenamt ist halt ein generelles Problem, würde ich sagen, und da wird es dann einfach schwer, die Leute mitzunehmen, zu sagen: Jetzt greift hier mal an, und es lohnt sich.“
Der Klimaschutz-Leitsatz des DAV ist Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren. Aber gerade Vermeiden wird auch falsch verstanden, erzählt Klenner aus dem Alltag der Sektionen: „Dann könnte das ja auch so verstanden werden, dass man sagt, wir wollen weniger Bergsteigen. Da gibt's dann manchmal etwas emotionale Diskussionen, die dahingehend laufen, dass jemand sagt: 'Ja, ihr wollt ja Klimaschutz oder Bergsteigen'. Und genau das ist nicht die Herangehensweise, sondern wir sagen, wir wollen weiter Bergsteigen in allen Variationen, die wir haben, aber unter klimaschonenden Bedingungen.“
Bundesregierung kein gutes Vorbild in Sachen Klimaschutz
Die ablehnende Haltung werde von der Bundesregierung noch verstärkt, kritisiert Klenner: „Denn mit dem, was dort diskutiert wird, mit dem Hin und Her, motivieren sie viele Menschen nicht. Das spüren die Sektionen draußen. Dann springt der ein oder andere ab und sagt: 'Die Rahmenbedingungen stimmen nicht, die wissen nicht, was sie wollen. Wieso müssen wir, wenn andere nicht mitziehen?' Und die Bundesregierung verkündet Ziele, von denen man von vornherein weiß, dass sie in dem Zeitraum mit der Intensität überhaupt nicht erreichbar sein werden, weil die Voraussetzung fehlen.“
Deswegen versucht Loss, die Mitglieder davon zu überzeugen, dass es viele einfache Maßnahmen gibt. „Das heißt, sie müssen einfach Maßnahmen an die Hand bekommen, die sich schnell, einfach und günstig umsetzen lassen. Wo sie selber sehen, sie haben was dazu beigetragen. Und wenn ich ständig nur darauf warte, dass die anderen irgendwie die E-Mobilität vorantreiben oder CO2 kompensieren wollen, dann komme ich nicht weiter, sondern das muss an der Basis ankommen und die muss aktiv werden.“