Katja Lückert: Gestern und heute haben sich Intendanten und Direktoren der deutschen Theater und Orchester sowie verschiedene Kulturpolitiker zur Jahreshauptversammlung des Deutschen Bühnenvereins getroffen. Es ging um die Zukunft von Schauspiel, Oper, Tanz und Konzert angesichts zunehmender ökonomischer Zwänge. Außerdem standen das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA und das EU-Subventionsverbot auf der Tagesordnung. Heute Nachmittag erreichten wir den Geschäftsführer des deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, Herr Bolwin, es gab im Vorfeld der Jahresversammlung einen Vorschlag in einem offenen Brief des Mannheimer Intendanten Burkhard Kosminski, der forderte, wenn der Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost ausläuft, den doch für Kultur und Bildung zu verwenden. Ist das denn ein guter Vorschlag?
Rolf Bolwin: Sie haben ja schon durch die Zeitabläufe, die Sie geschildert haben, deutlich gemacht, dass das Thema Solidaritätszuschlag so ganz aktuell ja nicht ist. Das läuft ja erst 2019 aus. Bis dahin ist es ja noch einige Zeit und sicher wird man sich dann mit der Frage befassen müssen, was man mit dem Solidaritätszuschlag macht. Wenn man ihn dann aber so konkret auf Kultur und Bildung fixieren will, dann muss man einfach sagen, dass das verfassungsrechtlich gar nicht geht. Wir haben da einen etwas anderen Ansatz, der aber in eine ähnliche Richtung geht, und sagen, wir müssen dann diesen Solidaritätszuschlag zur Verfügung stellen für die Kommunen, für die Städte und Gemeinden. Dann kann man sie nach Einwohnerzahl mit einem festen Schlüssel verteilen und das hat dann zur Folge, dass ein Teil des Geldes in den Ostkommunen, also den Kommunen der neuen Bundesländer bleibt und dass ein anderer Teil aber dann auch den Westkommunen zur Verfügung steht, um auch dort soziale, kulturelle Infrastrukturmaßnahmen zu ergreifen und dann auf diese Art und Weise auch die Kulturfinanzierung zu sichern. Unsere Zielsetzung wäre immer: Solidaritätszuschlag erhalten, aber für die auch finanziell in schwieriger Situation sich befindenden Kommunen.
Lückert: Haben Sie denn überhaupt den Eindruck, dass hierzulande die Finanzmittel dort ankommen, wofür sie eigentlich bestimmt sind? Wenn man die Kulturförderabgabe zum Beispiel anschaut, die in manchen Städten auf jede Hotelübernachtung anfällt, die verschwindet doch in den chronisch leeren Kassen der öffentlichen Hand, oder?
Bolwin: Das sind ja dann eigentlich auch überschaubare Beträge. Wissen Sie, das Entscheidende ist eigentlich, dass Kommunen und Länder – Kultur ist ja Länderhoheit und das bedeutet, die Aufgaben werden wahrgenommen von den Ländern selbst und von den Kommunen -, dass diese beiden Gebietskörperschaften erstens in der Lage sind, ihre soziale und kulturelle Infrastruktur zu finanzieren und dass sie dafür das notwendige Geld bekommen. Es ist aber dann vielleicht doch eine sehr verkürzte Debatte, wenn wir nur über Geld reden. Es geht auch darum: Was ist die Zukunft der Stadt? Welche Bedeutung hat die Kultur für die Stadt? Was bedeutet es, eine große Kultureinrichtung wie ein Museum oder ein Theater oder eine Konzerthalle in der Stadt zu haben, und was bedeutete es, wenn es das nicht mehr gäbe? Was ist denn eigentlich dann die Vision von Stadt, wenn Kultur wegfallen würde? Ich glaube, das sind die Fragen, die wichtig sind, und mit denen haben wir uns sehr intensiv beschäftigt, neben natürlich auch der Frage, welche Rolle spielen die ökonomischen Überlegungen, die beispielsweise auf EU-Ebene stattfinden, wenn es darum geht, dass die Kulturfinanzierung von Kommunen notifiziert werden muss in Zukunft in der Europäischen Union, also überprüft wird darauf, ob sie mit dem Subventionsverbot der EU übereinstimmt, oder wenn es um dieses Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen EU und den USA geht, wo ja auch ökonomische Gefahren für die Kulturfinanzierung drohen.
Lückert: Sie haben die anderen Themen schon angesprochen: Freihandelsabkommen, EU-Subventionsverbot. Gab es da neue Erkenntnisse, Entscheidungen, die auf dieser Jahresversammlung getroffen wurden?
Bolwin: Es ist ganz klar gefordert worden, dass die Verhandlungen des Handelsabkommens und Investitionsabkommens zwischen Europäischer Union und den USA, dass diese Verhandlungen unterbrochen werden, bis klar ist, dass es eine Ausnahme für Kultur gibt. Das ist das eine.
Und das andere: Wir begrüßen natürlich, dass bei dieser Frage der Notifizierung wenigstens jetzt mal eine Grenze eingezogen wird, wo man sagt, alles was darunter liegt, muss nicht in Brüssel notifiziert werden. Warum ist das ein Vorteil? Ein Notifizierungsverfahren in Brüssel ist ein unglaublicher bürokratischer Aufwand und am Ende wird es doch letzten Endes nur darauf hinauslaufen können - die Grenze, um die es jetzt geht, sind 50 Millionen Euro im Jahr -, dass man solche öffentliche Kulturfinanzierung auch weiterhin möglich macht und das auch dann mit dem EU-Recht für vereinbar hält. Ich bin sicher, ein anderes Ergebnis ist nicht möglich. Ich glaube nicht, dass etwa die Finanzierung der Bayerischen Staatsoper an irgendwelchen Subventionsregeln der Europäischen Union scheitert.
Und das andere: Wir begrüßen natürlich, dass bei dieser Frage der Notifizierung wenigstens jetzt mal eine Grenze eingezogen wird, wo man sagt, alles was darunter liegt, muss nicht in Brüssel notifiziert werden. Warum ist das ein Vorteil? Ein Notifizierungsverfahren in Brüssel ist ein unglaublicher bürokratischer Aufwand und am Ende wird es doch letzten Endes nur darauf hinauslaufen können - die Grenze, um die es jetzt geht, sind 50 Millionen Euro im Jahr -, dass man solche öffentliche Kulturfinanzierung auch weiterhin möglich macht und das auch dann mit dem EU-Recht für vereinbar hält. Ich bin sicher, ein anderes Ergebnis ist nicht möglich. Ich glaube nicht, dass etwa die Finanzierung der Bayerischen Staatsoper an irgendwelchen Subventionsregeln der Europäischen Union scheitert.
Lückert: Rolf Bolwin, der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, nach der heutigen Jahresversammlung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.