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Deutscher Computerspielpreis
Viel Potenzial, viel Kreativität

Bereits zum achten Mal wurde gestern in München der "Deutsche Computerspielepreis" verliehen. In 14 Kategorien waren 36 Spiele nominiert. Unter den Gewinnern der "Oscars der deutschen Spielebranche" sind alte Bekannte, aber auch viele kreative kleine Produktionen wurden ausgezeichnet. Die Verleihung zeigte außerdem, was dem deutschen Spielemarkt fehlt.

Von Julian Ignatowitsch |
    Junge vorm Computerbildschirm
    Gespielt wird mit voller Konzentration (picture alliance / dpa / Foto: Maximilian Schönherr)
    Der Hauptgewinner lässt Städte auf dem Mond bauen.
    Auszug aus dem Trailer zum diesjährigen Gewinnerspiel Anno 2205: "Nun schreiben wir das Jahr 2205. Die Energie und die Ressourcen sind nahezu ausgebeutet. Wir von der Global Union gewähren ihrem neugegründeten Unternehmen eine unglaubliche Möglichkeit: Wagen Sie den zweiten Anlauf, greifen Sie nach den Sternen."
    Durchdachtes Gamedesign, neue Ideen, ein Mix aus Zugänglichkeit und Komplexität lobte die 50-köpfige Jury unter der Schirmherrschaft von Alexander Dobrindt:
    "Das beste deutsche Spiel, das ist der Garant dafür, dass es in Deutschland heißt: Wir sind das Land der Dichter, Denker und Gamer. Der Gewinner in der Kategorie bestes deutsches Spiel ist Anno 2205 von Blue Byte by Ubisoft!"
    Die Wahl - sicher keine Überraschung. Die Anno-Serie ist seit Jahren eine der international erfolgreichsten PC-Spiel-Produktionen aus Deutschland, setzt Maßstäbe im Genre der Aufbau- und Wirtschaftssimulation. Baute man in den ersten Teilen noch in der Frühen Neuzeit "Anno 1602" so ist man nun im Weltall "Anno 2205" angekommen - und kann sich über 100.000 Euro Preisgeld freuen.
    Viel Potenzial, viel Kreativität
    Was der deutsche Spielmarkt anno 2016 sonst so hergibt, zeigten die zahlreichen Nebenkategorien. Viel Potenzial, viel Kreativität - gerade bei den kleinen Produktionen - aber nichts Revolutionäres. Auch hierzulande liegen aktuell zwei Genres besonders im Trend: Rollenspiele und klassische Jump & Runs.
    Stellvertretend dafür steht der heimliche Gewinner des Abends: Das Spiel "Shift Happens" aus dem Münchner Spielehaus Klonk - ein kooperatives Jump & Run-Spiel, bei dem zwei Spieler Hindernisse überwinden, indem sie sich gegenseitig helfen und die Figuren wechseln. Ein Indie-Spiel, das so gar nichts gemein hat mit dem Klischee bleichgesichtiger Computer-Nerds, wie Klonk-Mitarbeiter Robin Kocaurek erklärt:
    "Zu zweit auf der Couch, das ist vor allem was für Pärchen, Familien, denen taugt das ziemlich. Wir haben das auf Messen gemerkt, dass gerade die Leute, die abseits vom großen Trubel ihr Spiel genießen wollen und zusammenspielen wollen, von 'Shift Happens' angezogen werden. Ruhiger, nachdenklicher und Rätseln statt große Action."
    Das war der Jury gleich zwei Preise wert: Bestes Gamedesign und Bestes Kinderspiel (nebenbei gesagt ist "Shift Happens" auch was für Erwachsene), 65.000 Euro. Beim Kinderpreis wurden diesmal sogar zwei Sieger prämiert.
    Die ganz großen Produktionen fehlen Deutschland
    Auch der Preis für das beste Nachwuchskonzept ging nach München an Studenten der Media Design Hochschule und deren Spiel "Cubiverse", das den so beliebten Zauberwürfel aus den 80er-Jahren in neuer Form auf den Computer-Bildschirm zurückbringt. Das Entwickler-Team um Josef Attenberger freute sich über 40.000 Euro. Attenberger:
    "Wir schaffen es jetzt sogar uns ein kleines Gehalt damit auszuzahlen. Wir können jetzt mehr Zeit in die Entwicklung stecken, wir können uns sämtliche Software kaufen, die wir brauchen."
    Und sonst?
    Jan Böhmermanns Retro-Satire-Spiel "Neo Magazin Royale: Jäger der verlorenen Glatze" ging leer aus, kommentierte aber treffend das Aussehen der Siegertrophäe:
    "Deutscher Computerspielpreis, Kategorie Beste Inszenierung. Das Ding sieht aus wie die Skyline von Nerdistan."
    Das Fazit des Abends lässt sich allerdings nicht ohne einen Blick auf den internationalen Spiele-Gewinner ziehen. "The Witcher 3" räumte hier alle Preise ab: Bestes Internationales Spiel, Beste Internationale Spielewelt und Publikumspreis. Das millionenfach verkaufte Rollenspiel aus Polen zeigt, dass dem Spieleland Deutschland die ganz großen Produktionen fehlen. "The Witcher 3" ermöglicht monatelanger Spielspaß in einer riesigen Fantasie-Welt.
    Anno 2205 wirkt da wie ein Sandkasten neben Disney World. Aber unter uns: Eine ganze Woche lang nur Vergnügungspark wäre auch langweilig.